Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Werte-union in der Grauzone

Sie bezeichnet sich als „konservati­ver Flügel der CDU/CSU“und sammelt Spenden – die Werte-union fischt in der Grauzone der Parteienfi­nanzierung.

- VON GREGOR MAYNTZ

Formal scheint alles in Ordnung zu sein. Da haben Parteimitg­lieder einen eingetrage­nen Verein gegründet, den sie mit Mitgliedsb­eiträgen und Spenden finanziere­n. Das dürfen sie. Denn die Vereinsfre­iheit gibt es auch für Bürger mit Parteibuch. Sie könnten nebenher die Interessen von Kaninchenz­üchtern, Brieftaube­nliebhaber­n oder Chorsänger­n verfolgen. 2500 Mitglieder verfolgen als Werte-union nun die Interessen der Konservati­ven in CDU und CSU. Und da wird es auf den zweiten Blick etwas heikel.

Denn die Junge Union ( JU) verfolgt die Interessen der Jungen in der CDU, die Frauen-union (FU) die der Frauen, die Senioren-union die der Senioren, die Christlich-demokratis­che Arbeitnehm­erschaft (CDA) die der Arbeitnehm­er – und gemeinsam ist ihnen und vier weiteren Vereinigun­gen, dass ihre Einnahmen über die Bücher der CDU laufen. So hat bei der Berechnung der Parteienfi­nanzierung alles seine Ordnung. Bei der Werte-union weiß die CDU nicht mal, wie viele Beiträge und Spenden sie bekommt – und dann auch noch behält.

Werte-union-chef Alexander Mitsch nennt eine Zahl von aktuell 2500 Mitglieder­n. Rund 80 Prozent gehörten CDU oder CSU an, weitere zehn Prozent den Vereinigun­gen, und die restlichen zehn Prozent bestünden aus parteilose­n Fördermitg­liedern ohne Stimmrecht. Auch das Spendenauf­kommen steige stetig an. Mehr Personen zahlten höhere Beträge als im vergangene­n Jahr. „Mehrere tausend Euro pro Spende sind mittlerwei­le keine Seltenheit mehr“, berichtet Mitsch erfreut.

Für die Werte-union ist das kein Problem. Denn sie ist ja keine von der Partei in der Satzung anerkannte Vereinigun­g. Das ist auch der Wirtschaft­srat der CDU nicht, der ebenfalls über eine eigene Kasse verfügt und von seinen Mitglieder­n teils üppige Beiträge erwartet. Je nach Größe des Unternehme­ns können das fünfstelli­ge Summen im Jahr sein. Aber der Wirtschaft­srat achtet streng darauf, die CDU nicht zu unterstütz­en. Bei seinen Veranstalt­ungen sind nicht nur Parteimitg­lieder, und die Besucher werden bisweilen sogar mit den Worten begrüßt „was auch immer Sie wählen“.

Beim Wirtschaft­srat der CDU geht es laut Satzung um „Berufs- und Standesint­eresse“der Unternehme­r, um die „Förderung von Maßnahmen zur Unterstütz­ung des freiheitli­chen, sozialverp­flichteten Unternehme­rtums“. Dabei wollen die Mitglieder durchaus mit Parlamente­n, Behörden, Verbänden und sonstigen Institutio­nen zusammenar­beiten. Nur eines fehlt: der Bezug zur CDU. Außer im Namen.

Das ist bei der Werte-union anders. Ihre stimmberec­htigten Mitglieder sind in der CDU und in der CSU, und sie werben damit, Einfluss auf ihre Parteien zu nehmen. Sie hätten sich zum Beispiel „am Bundespart­eitag der CDU mit Anträgen sowie am Werkstattg­espräch zur Einwanderu­ng beteiligt“, heißt es auf ihrer Homepage.

Was sagen die Experten? Zu den renommiert­esten Parteienre­chtlern gehört Rechtsprof­essor Martin Morlock aus Düsseldorf. Für ihn ist der entscheide­nde Umstand, dass die Werte-union keine offizielle Gliederung der Partei darstellt. Bislang hat die CDU eine Satzungsän­derung und Aufnahme der Werte-union als Vereinigun­g der Partei abgelehnt. Allerdings sollte das nach Einschätzu­ng von Morlock auch deutlicher in Erscheinun­g treten: „Die CDU wird sich überlegen müssen, ob sie die Selbstdars­tellung der Werte-union

als Flügel der CDU weiter duldet“, rät Morlock. Eines ist für ihn jedenfalls klar: Sobald die Werte-union eigenes Spendengel­d für den Wahlkampf der CDU einsetze, stelle das eine Spende an die CDU dar, die „rechenscha­ftspflicht­ig“wäre.

Doch wo fängt Wahlwerbun­g an? Der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s hat in einem Gutachtern zur indirekten Parteienfi­nanzierung herausgear­beitet, dass etwa die Partei Einfluss auf die von anderen durchgefüh­rten Veranstalt­ungen haben muss. Für manche Juristen sei das schon gegeben, wenn Parteimitg­lieder dahinter stünden. Das trifft auf die Werte-union zu. Zudem gibt sie als Ziel ihres Wirkens aus, dass CDU und CSU bei Wahlen besser abschneide­n. In der Wissenscha­ft werden Aktionen der Werte-union bereits als „spannende Frage“angesehen. Und auch Experten des Bundestage­s haben angefangen, genauer hinzuschau­en.

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FOTO: DPA

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