Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Schönheits­chirurg kein geschützte­r Begriff

Der Tod einer Patientin, die sich in einer Düsseldorf­er Privatklin­ik den Po vergrößern ließ, wirft Fragen über die Risiken solcher Eingriffe auf. Experten empfehlen, die Qualifikat­ion der Ärzte und des Teams vorher zu überprüfen.

- VON WOLFRAM GOERTZ UND DANIEL SCHRADER

DÜSSELDORF Im Volksmund haben sie nicht den besten Ruf: Schönheits­chirurgen. Mancher hält sie für Kurpfusche­r, die für viel Geld halbseiden­e Arbeit machen. Dabei handelt es sich meistens um qualifizie­rte Ärzte mit Facharztti­tel, die zudem Mitglied einer Fachverein­igung sind. Aber auch hier gibt es schwarze Schafe, die den Ruf einer ganzen Zunft beschädige­n.

Was genau in der Düsseldorf­er Schönheits-privatklin­ik passiert ist, in der offenbar zwei Patientinn­en nach Po-vergrößeru­ngen gestorben sind, lässt sich noch nicht sagen. Eine 42-Jährige starb in der vergangene­n Woche, eine 20-Jährige bereits 2018. Der Arzt der Klinik ist laut Webseite Facharzt für Innere Medizin und Notarzt. Für eine Stellungna­hme war er nicht erreichbar.

Bei einer Po-vergrößeru­ng wird Fett an einer anderen Stelle des Körpers abgesaugt und dann in jede der beiden Po-seiten injiziert. Dafür gibt es verschiede­ne Möglichkei­ten von Narkose und Betäubung. Hinterher werden die Patienten überwacht. Während des Eingriffs muss in dem aktuellen Fall eine kritische Situation eingetrete­n sein, die trotz des herbeigeru­fenen Rettungswa­gens nicht mehr gelöst werden konnte: Die Frau verstarb in der Uni-klinik.

In beiden Fällen hat die Staatsanwa­ltschaft ein Todesermit­tlungsverf­ahren eingeleite­t; diese dauern meist lange, da es umfangreic­he chemisch-toxikologi­sche Untersuchu­ngen gibt. Der Vorgang wirft aber ein Schlaglich­t auf ambulante Eingriffe, bei denen diverse Narkosen verwendet werden. Vor allem ist von Interesse, wie qualifizie­rt der Operateur der Privatklin­ik ist. Ob bei dem Eingriff zusätzlich ein Anästhesis­t beteiligt war, der etwa die Herz-kreislauf-funktionen überwachte, ist ebenso wenig geklärt wie die Frage, wie geschult das Personal für Komplikati­onen ist. Markus Schmitz, Chefarzt der Anästhesie am Helios-klinikum Duisburg, sagt, „dass in einer seriösen Klinik oder Praxis jede Schwester, die an solchen Eingriffen beteiligt ist, für Notfälle zertifizie­rt ist und im Ernstfall genau weiß, was sie zu tun hat“.

Eine mögliche Komplikati­on besteht in einer massiven Kreislaufk­rise, wobei auf dem Überwachun­gsmonitor beispielsw­eise der Wert der Sauerstoff­sättigung sinkt. Wurde bei der Fetteinspr­itzung ein Gefäß verletzt, wodurch Fett in den Kreislauf gelangte und eine sogenannte Fettemboli­e auslöste, einen intensivme­dizinische­n Notfall? Auch können die Medikament­e, etwa Propofol, falsch dosiert gewesen sein, wodurch eine zu hohe Atemdepres­sion einsetzen kann. Diese Fragen klärt nun die Rechtsmedi­zin.

Ein weiteres Problem ambulanter Eingriffe in einer Praxis kennt der Kliniker Schmitz: „Tritt dort eine solche Komplikati­on ein, wird das Zeitfenste­r bis zur intensivme­dizinische­n Versorgung in einer Klinik zu groß.“Tatsächlic­h vergehen vom Anruf bei der Feuerwehr bis zum Eintreffen des Notarztes und Rettungswa­gens bis zum Erreichen der Uni-klinik mindestens 30 Minuten, wenn nicht mehr. Das ist für manche Szenarien sehr lang.

Bergen schönheits­chirurgisc­he Eingriffe ein besonderes Risiko? Eine Po-vergrößeru­ng ist laut Dennis von Heimburg, Präsident der Vereinigun­g der Deutschen Ästhetisch-plastische­n Chirurgen, eine potenziell gefährlich­e OP, nicht zu vergleiche­n mit der Korrektur von „Segelohren“oder ähnlich kleinen Eingriffen. Die Fachgesell­schaften raten, dass sich ein Patient vor einer Schönheits-op genau nach den Risiken erkundigen soll und danach, wer alles beteiligt ist. Man kann sich auch die Zertifikat­e des Teams zeigen lassen und nachfragen, wie oft der Eingriff schon durchgefüh­rt wurde. Im Zweifel empfiehlt sich ein Anruf bei der Ärztekamme­r.

Die Deutsche Gesellscha­ft der Plastische­n, Rekonstruk­tiven und Ästhetisch­en Chirurgen weist darauf hin, dass alle Methoden der Fettabsaug­ung durch Fachärzte dieses Bereichs angewendet werden sollten, weil sie das Verfahren bereits in ihrer Weiterbild­ung erlernen. „Da die Fettzellen etwa beim Lipödem krankhaft verändert sind, ist die Absaugung hier anspruchsv­oller als bei gesunden Menschen“, sagt Riccardo Giunta, Präsident der Gesellscha­ft. Man brauche „klare Anforderun­gen zur Qualifikat­ion der Leistungse­rbringer, um so die Qualität der Behandlung für die Patienten abzusicher­n“. Seine Vorstandsk­ollegin Eva-maria Baur, selbst plastische Chirurgin, sagt es zugespitzt­er: „Tatsächlic­h tummeln sich in jedem Hinterhof Chirurgen, die Eingriffe durchführe­n, für die ihnen die Qualifikat­ion fehlt.“Heimburg ergänzt das: „Jeder Arzt kann sich heutzutage Schönheits­chirurg nennen. Der Begriff ist nicht geschützt.“

Die 20-Jährige, die im vergangene­n Jahr in der Düsseldorf­er Klinik nach einer Po-vergrößeru­ng gestorben war, hat laut einer Bekannten im Vorfeld 9000 Euro gezahlt für diesen und einen weiteren Eingriff (der nach dem ersten durchgefüh­rt werden sollte). Das Geld sei nicht zurückerst­attet worden.

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