Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Schönheitschirurg kein geschützter Begriff
Der Tod einer Patientin, die sich in einer Düsseldorfer Privatklinik den Po vergrößern ließ, wirft Fragen über die Risiken solcher Eingriffe auf. Experten empfehlen, die Qualifikation der Ärzte und des Teams vorher zu überprüfen.
DÜSSELDORF Im Volksmund haben sie nicht den besten Ruf: Schönheitschirurgen. Mancher hält sie für Kurpfuscher, die für viel Geld halbseidene Arbeit machen. Dabei handelt es sich meistens um qualifizierte Ärzte mit Facharzttitel, die zudem Mitglied einer Fachvereinigung sind. Aber auch hier gibt es schwarze Schafe, die den Ruf einer ganzen Zunft beschädigen.
Was genau in der Düsseldorfer Schönheits-privatklinik passiert ist, in der offenbar zwei Patientinnen nach Po-vergrößerungen gestorben sind, lässt sich noch nicht sagen. Eine 42-Jährige starb in der vergangenen Woche, eine 20-Jährige bereits 2018. Der Arzt der Klinik ist laut Webseite Facharzt für Innere Medizin und Notarzt. Für eine Stellungnahme war er nicht erreichbar.
Bei einer Po-vergrößerung wird Fett an einer anderen Stelle des Körpers abgesaugt und dann in jede der beiden Po-seiten injiziert. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten von Narkose und Betäubung. Hinterher werden die Patienten überwacht. Während des Eingriffs muss in dem aktuellen Fall eine kritische Situation eingetreten sein, die trotz des herbeigerufenen Rettungswagens nicht mehr gelöst werden konnte: Die Frau verstarb in der Uni-klinik.
In beiden Fällen hat die Staatsanwaltschaft ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet; diese dauern meist lange, da es umfangreiche chemisch-toxikologische Untersuchungen gibt. Der Vorgang wirft aber ein Schlaglicht auf ambulante Eingriffe, bei denen diverse Narkosen verwendet werden. Vor allem ist von Interesse, wie qualifiziert der Operateur der Privatklinik ist. Ob bei dem Eingriff zusätzlich ein Anästhesist beteiligt war, der etwa die Herz-kreislauf-funktionen überwachte, ist ebenso wenig geklärt wie die Frage, wie geschult das Personal für Komplikationen ist. Markus Schmitz, Chefarzt der Anästhesie am Helios-klinikum Duisburg, sagt, „dass in einer seriösen Klinik oder Praxis jede Schwester, die an solchen Eingriffen beteiligt ist, für Notfälle zertifiziert ist und im Ernstfall genau weiß, was sie zu tun hat“.
Eine mögliche Komplikation besteht in einer massiven Kreislaufkrise, wobei auf dem Überwachungsmonitor beispielsweise der Wert der Sauerstoffsättigung sinkt. Wurde bei der Fetteinspritzung ein Gefäß verletzt, wodurch Fett in den Kreislauf gelangte und eine sogenannte Fettembolie auslöste, einen intensivmedizinischen Notfall? Auch können die Medikamente, etwa Propofol, falsch dosiert gewesen sein, wodurch eine zu hohe Atemdepression einsetzen kann. Diese Fragen klärt nun die Rechtsmedizin.
Ein weiteres Problem ambulanter Eingriffe in einer Praxis kennt der Kliniker Schmitz: „Tritt dort eine solche Komplikation ein, wird das Zeitfenster bis zur intensivmedizinischen Versorgung in einer Klinik zu groß.“Tatsächlich vergehen vom Anruf bei der Feuerwehr bis zum Eintreffen des Notarztes und Rettungswagens bis zum Erreichen der Uni-klinik mindestens 30 Minuten, wenn nicht mehr. Das ist für manche Szenarien sehr lang.
Bergen schönheitschirurgische Eingriffe ein besonderes Risiko? Eine Po-vergrößerung ist laut Dennis von Heimburg, Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-plastischen Chirurgen, eine potenziell gefährliche OP, nicht zu vergleichen mit der Korrektur von „Segelohren“oder ähnlich kleinen Eingriffen. Die Fachgesellschaften raten, dass sich ein Patient vor einer Schönheits-op genau nach den Risiken erkundigen soll und danach, wer alles beteiligt ist. Man kann sich auch die Zertifikate des Teams zeigen lassen und nachfragen, wie oft der Eingriff schon durchgeführt wurde. Im Zweifel empfiehlt sich ein Anruf bei der Ärztekammer.
Die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen weist darauf hin, dass alle Methoden der Fettabsaugung durch Fachärzte dieses Bereichs angewendet werden sollten, weil sie das Verfahren bereits in ihrer Weiterbildung erlernen. „Da die Fettzellen etwa beim Lipödem krankhaft verändert sind, ist die Absaugung hier anspruchsvoller als bei gesunden Menschen“, sagt Riccardo Giunta, Präsident der Gesellschaft. Man brauche „klare Anforderungen zur Qualifikation der Leistungserbringer, um so die Qualität der Behandlung für die Patienten abzusichern“. Seine Vorstandskollegin Eva-maria Baur, selbst plastische Chirurgin, sagt es zugespitzter: „Tatsächlich tummeln sich in jedem Hinterhof Chirurgen, die Eingriffe durchführen, für die ihnen die Qualifikation fehlt.“Heimburg ergänzt das: „Jeder Arzt kann sich heutzutage Schönheitschirurg nennen. Der Begriff ist nicht geschützt.“
Die 20-Jährige, die im vergangenen Jahr in der Düsseldorfer Klinik nach einer Po-vergrößerung gestorben war, hat laut einer Bekannten im Vorfeld 9000 Euro gezahlt für diesen und einen weiteren Eingriff (der nach dem ersten durchgeführt werden sollte). Das Geld sei nicht zurückerstattet worden.