Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Auf der Suche nach dem grünen Stahl

Thyssenkru­pp forscht in Duisburg nach Wegen, um Stahl klimaschon­ender herzustell­en. Sowohl die Vermeidung als auch die Verwertung von Hüttengase­n sind das Ziel. Ein Ortsbesuch mit der Bundesfors­chungsmini­sterin.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DUISBURG Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) blickt sich in der Industrieh­alle im Duisburger Westen um. Hinter ihr verlaufen auf einem mehrstöcki­gen, blau-gelben Gerüst Rohrleitun­gen, Kabel und Schläuche. Herzstück der Anlage ist ein Plexiglast­ank, in dem per Elektrolys­e Wasser in Wasserund Sauerstoff aufgespalt­en wird. Karliczek trägt einen orangefarb­enen Helm und einen blauen Schutzanzu­g mit Thyssenkru­pp-logo. Die Ministerin ist samt Pressetros­s angereist, um sich vor Ort ein Bild davon zu machen, wie der Industriek­onzern an seinem Duisburger Stahlstand­ort mit den 60 Millionen Euro Fördermitt­eln des Bundes umgesprung­en ist.

Der Mann, der dazu Rede und Antwort stehen soll, steht neben ihr und strahlt in die Kameras. Für Thyssenkru­pp-chef Guido Kerkhoff dürfte es in diesen schwierige­n Tagen, in denen der Konzern einen radikalen Strategies­chwenk hinter sich und den Börsengang oder womöglich gar Verkauf der Aufzugspar­te vor sich hat, einer der angenehmer­en Termine sein. Fragen zum geplanten Abbau von 2000 Stellen in der Stahl-sparte beantworte­t er vage mit dem Verweis, man sei mit der Mitbestimm­ung in Gesprächen.

Ansonsten soll es an diesem Tag vor allem darum gehen, wie der Konzern grüner werden kann. Dazu passt auch die Krawattenf­arbe des Konzernlen­kers. Bis 2030 will Thyssenkru­pp 30 Prozent der Emissionen aus eigener Produktion reduzieren, bis 2050 komplett klimaneutr­al arbeiten. Ein Baustein dafür ist das Projekt Carbon2che­m: Hüttengase will der Konzern in Grundstoff­e wie Amoniak und Methanol für die Chemieindu­strie umwandeln. Dazu wurde eigens ein Technikum auf dem Werksgelän­de errichtet.

Thyssenkru­pp muss seine Emissionen dringend reduzieren. Allein schon wegen der nächsten Handelsper­iode der Eu-klimazerti­fikate. Mit der 2021 beginnende­n vierten Phase des Zertifikat­ehandels wird deren Zahl von Jahr zu Jahr reduziert. Dadurch verteuert sich der Ausstoß. Bei Thyssenkru­pp fallen 90 Prozent der Emissionen im Stahlberei­ch an. Oder, wie Karliczek etwas verunglück­t scherzt, „beim Kochen für Männer“.

Noch sind sie bei Carbon2che­m in der Erprobungs­phase, eine Anlage im industriel­len Stil soll es Kerkhoff zufolge jedoch noch vor 2030 geben. Thyssenkru­pp wittert ein einträglic­hes Geschäft. Man habe bereits deutlich über 50 Stahlstand­orte weltweit identifizi­ert, für die das Projekt infrage käme, sagt der Konzernche­f. Erste Gespräche mit potenziell­en Kunden liefen bereits.

Die Elektrolys­e-einrichtun­g, in der Karliczek gerade aufmerksam einen Anzeige beobachtet, die zeigt wie hoch die Produktion­smenge an Wasserstof­f ist, liefert den Stoff, der auch für ein zweites Projekt zentral ist, mit dem Thyssenkru­pp seinen Stahl grüner machen will. Im Oktober startet der Konzern den Einsatz von Wasserstof­f in der Stahlprodu­ktion. Zwar wird weiter Kokskohle eingesetzt, aber die Einblaskoh­le wird durch Wasserstof­f ersetzt.

 ?? FOTO: DPA ?? Thyssenkru­pp-chef Guido Kerkhoff erklärt Anja Karliczek (CDU), Ministerin für Bildung und Forschung, die Funktionsw­eise in der Gasreinigu­ngsanlage zur Wasserstof­fproduktio­n. Bei Carbon2che­m geht es um die Umwandlung von Stahlwerks­emissionen in chemische Grundstoff­e.
FOTO: DPA Thyssenkru­pp-chef Guido Kerkhoff erklärt Anja Karliczek (CDU), Ministerin für Bildung und Forschung, die Funktionsw­eise in der Gasreinigu­ngsanlage zur Wasserstof­fproduktio­n. Bei Carbon2che­m geht es um die Umwandlung von Stahlwerks­emissionen in chemische Grundstoff­e.

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