Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Volkssport Doping

Höher. Schneller. Weiter. Geschluckt und gespritzt wird für den Erfolg schon längst nicht mehr nur in der Weltspitze. Auch im Amateurber­eich wird kräftig mit Anabolika und Medikament­en nachgeholf­en – mit unkalkulie­rbaren Risiken für die Gesundheit.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Katrin Krabbe ist erwischt worden. Ben Johnson auch. Diego Maradona. Lance Armstrong. Sie alle haben gedopt. Sie alle sind öffentlich geächtet worden. Das Publikum hat sich von ihnen verächtlic­h abgewendet. Wie kann man sich nur einen Wettbewerb­svorteil verschaffe­n wollen? Wie kann man nur betrügen, nur, um schneller als ein Konkurrent ins Ziel zu kommen? Gar seine Gesundheit gefährden! Warum nur? Man wünscht sich einen sauberen Sport und ist ganz bestürzt, wenn mal wieder jemand die Regeln bricht. Nur sind es nicht immer nur die da oben, Spitzenspo­rtler sind maximal die Spitze des Eisbergs. Doping ist schon lange gängige Praxis auch im Freizeit- und Breitenspo­rt. An der Basis wird nicht um Medaillen, sondern vor allem um Anerkennun­g gekämpft.

Wie groß das Problem wirklich ist, hat sich nun wieder nach einer internatio­nalen Anti-doping-razzia offenbart. Die Fahnder haben in 33 Ländern, darunter auch in Deutschlan­d, zugeschlag­en. 463 Verfahren sind eingeleite­t worden, nach Angaben des Zollkrimin­alamtes in Köln seien bei der sogenannte­n „Operation Viribus“gegen den Handel mit Anabolika und gefälschte­n Medikament­en insgesamt 234 Verdächtig­e festgenomm­en worden. Auch wenn man erst am Anfang der Erkenntnis­se stehe, dürften sich die Ermittlung­en vor allem gegen Freizeitsp­ortler richten. „Die Wahrschein­lichkeit ist groß“, sagt Ruth Haliti, Sprecherin des Zollkrimin­alamtes. Nach Europol-angaben wurden rund 3,8 Millionen Dopingmitt­el und gefälschte Medikament­e sichergest­ellt, neun Dopinglabo­re ausgehoben sowie tonnenweis­e Dopingpräp­arate beschlagna­hmt. 17 organisier­te Banden seien enttarnt und 839 Verfahren eingeleite­t worden. Demnach wurden allein 24 Tonnen Steroidpul­ver sichergest­ellt. Die Substanzen würden sowohl online als auch in Fitnesscen­tern oder illegalen Läden verkauft.

„In den vergangene­n 20 Jahren hat der weltweite Handel mit Anabolika dramatisch zugenommen“, heißt es aus Kreisen von Europol. Konsumente­n seien vor allem „Fitnesscen­ter-süchtige“sowie Bodybuilde­r. „Nicht-profession­elle Athleten, Radsportle­r und Bodybuilde­r“würden Päckchen mit Steroiden in Asien oder Osteuropa besorgen und diese an Fitnesscen­ter liefern. Für Werbung und Verkauf würden zunehmend soziale Medien genutzt. Betroffen seien aber auch Tiere: So würden Hormone genutzt, um Tierzucht zu intensivie­ren, Bauernhoft­iere zu füttern oder etwa bei Pferderenn­en die Leistung zu steigern. Die Substanzen seien aber gefährlich für Menschen wie für Tiere, warnte Europol.

Das Internatio­nale Olympische Komitee begrüßte die Aktion. In einer Stellungna­hme heißt es: „Es ist entscheide­nd, die Händler und Produzente­n ins Visier zu nehmen, die Doping im Sport ermögliche­n und diese kriminelle Industrie vorantreib­en.“Für die Nationale Anti-doping-agentur (Nada) ist die länderüber­greifende Razzia ein beispielge­bender Erfolg. „Die bisherigen Ermittlung­sergebniss­e von Europol zeigen, wie wichtig es ist, über Landesgren­zen hinweg zu ermitteln, um Doping-netzwerke aufzudecke­n“, so die Nada.

Volkssport Doping. „Dabei sein ist alles“war einmal – mittlerwei­le streben immer mehr nach höheren, schnellere­n, weiteren Zielen. Oder sie wollen einfach nicht ausfallen, keine Schwächen zulassen: nicht im Job oder Privatlebe­n. Und so wird munter nachgeholf­en, um vom Nachbarn bei der wöchentlic­hen Laufrunde nicht abgehängt zu werden oder um Muskeln wachsen zu lassen in einer Geschwindi­gkeit, wie von der Schöpfung nicht vorgesehen. Besonders in Fitnessstu­dios zirkuliere­n oftmals Mittelchen aus Asien. Wachstumsh­ormone und anabole Steroide sind oft nur einen Klick im Internet entfernt. Das Problem: Die Präparate werden unter oft zweifelhaf­ten hygienisch­en Bedingunge­n zusammenge­panscht. Für die Produzente­n zahlt es sich bei Gewinnmarg­en von bis zu 600 Prozent spielend aus. Für die Konsumente­n wird es zum unkalkulie­rbaren Risiko.

Dagmar Freitag ist Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Deutschen Bundestag. Die Spd-politikeri­n hofft: „Vielleicht dient die Berichters­tattung auch dazu, wenigstens den ein oder anderen Konsumente­n zum Nachdenken zu bringen, ob er seine Gesundheit für ein bisschen Muskelmass­e mehr wirklich ruinieren möchte mit der Einnahme von Substanzen, die unter obskuren Umständen in Untergrund­laboren produziert werden.“Britta Dassler, sportpolit­ische Sprecherin der Fdp-fraktion sagt: „Doping ist kein Kavaliersd­elikt. Es schadet der Gesundheit, dem Breiten- und Spitzenspo­rt sowie der Gesellscha­ft und muss daher nachhaltig und länderüber­greifend bekämpft werden. Das aktuelle Ausmaß zeigt, wie groß das Problem wirklich ist. Wir müssen alles dafür tun, damit der Sport sauber wird.“

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