Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Unvergesslicher Abend mit Joss Stone
Die Sängerin und ihre Band wechselten teils in den einzelnen Liedern zwischen Jazz, Soul und Reggae. Und immer wieder band sie das Publikum in die Show ein. Das kam gut an.
DINSLAKEN (bes) Um 21 Uhr war es soweit: Joss Stone, Grammy- und Brit-award-gewinnerin und eine der populärsten Soulsängerinnen der Welt, betrat die Fantastival-bühne – um sie gleich wieder zu verlassen. Barfuß hinunter in den Sand des Burgtheaters, das lange weiße Tüllkleid schleifte die Podeststufen hinab. Sie suchte vom ersten Augenblick an den direkten Kontakt des Publikums – das sollte den 2300 Fans im ausverkauften Rund noch unvergessliche Momente bescheren.
Die Freilicht AG hatte der zierlichen Sängerin mit der großen Stimme den Teppich ausgerollt. Oma Hellas Perserteppich. Denn Joss Stone tritt im glitzernden Abendkleid, aber barfuß auf. Genauso präsentierte sie sich auch in Dinslaken: stimmlich eine Souldiva, menschlich mit beiden Füßen auf dem Boden – ein Stimmwunder, das auf dem Teppich bleibt – und/oder zu den Menschen geht.
Stone kichert. „Spring“handele tatsächlich davon, wie Blumenelfen im Frühling die Blüten bunt zu färben scheinen: „Crazy“. So verrückt, wie es für eine Soul- und Jazzsängerin ist, von Blumenelfen zu singen, so verrückt ist es, was die 32-Jährige Südengländerin und ihre kongeniale Band musikalisch daraus machen: Jazz mit ein paar keltischen Zitaten. Fünf-viertel-takt. Und dann diese fetten Bläsersätze. Soul? Reggae? Irgendwie ist es von allem etwas und doch neu. Freiheit.
Stone, hat auf ihrer World Tour 199 Konzerte in 199 Ländern gegeben. Große Säle und kleine Hütten. Nordkorea, Syrien, nur vor einer Woche scheiterte sie an der Einreise in den Iran. In den Ländern dieser Welt sang und musizierte sie mit einheimischen Musikern – so jemand kennt keine stilistischen Einschränkungen. Im ersten Teil wechseln Soul und Reggae, es folgt ein jazzigerer Mittelteil und dann, wenn man sich an die schillernde Vielfalt gewöhnt zu haben scheint, erfindet sie sich mit Tom Pettys „Wildflowers“neu. „Christian! Wie heißt das?“Stones Keyboarder ist Deutscher, also muss er die Anmoderationen übersetzen. Damit jeder im Publikum versteht, dass Joss Stone die Tumorerkrankung ihrer kleinen alten Hündin erfolgreich mit Cannabis behandelte – „mit viiieel Cannabis“. Aber auch, dass sie politisch und sozial sehr engagiert ist. „Nein, das gehört jetzt zum nächsten Song“, beharrt sie und lässt Christian übersetzen: „Wir müssen nicht alle dasselbe denken! Wir müsse nicht alle an den gleichen Gott glauben“. Viele der aktuellen Krisen und Spannungen wären so leicht vermeidbar, wenn man doch nur einmal dem anderen seine Meinung lassen würde. „Und wenn jemand an Elfen glaubt, ist das auch okay“. Sagt sie und lacht.
Stone singt von der Liebe in all ihren Facetten, was sonst, sie ist Soulsängerin, beeinflusst von Aretha Franklin. Ihre eigene erste große Liebe jedoch war die Musik und das Liebeslied, das sie ihr singt, ist Hymne und ein musikalisches Highlight eines Abends voller großer Momente und gleichermaßen voller Überraschungen. Es begann mit den Dinslakener Mcdonaghoughs, die als spontan verpflichteter lokaler Support das Publikum erfolgreich zum mitsingen animierten. Joss Stone knüpfte nahtlos daran an.
Stone dreht sich zur Band um: „Das klingt gut!“Mitten in der ersten Reihe hat sie das Mikro einer jungen Frau hingehalten, die die „yeahs“und dann ganze Liedzeilen perfekt nachsingen kann. „Ich habe eine Sängerin gefunden“, freut sich die Britin, die Gemeinte schlägt fassungslos die Hand vor den Mund. Stone überreichte ihr später die erste der Sonnenblumen, die sie zum Abschluss eines wunderbaren Konzertes ins Publikum wirft.
Und dann war da noch die Sache mit der ewigen Liebe. Stone, die Jazzerin, improvisiert a capella über die Liedzeile „Never ever leave me“– „verlass mich nicht“. Und mitten in diese Schlusskadenz zweier absoluter Sternstunden im Fantastival ruft ein Fan aus dem Publikum „never!“– „niemals!“Joss Stone muss angesichts dieser spontanen Liebesbezeugung lachen. Und hört einfach nicht mehr auf. Es ist einer dieser Fantastivalmomente, die wohl keiner, der da war, je vergessen wird.