Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Hassverbre­chen in Trumps Amerika

Die Bluttaten von El Paso und Dayton fallen in eine Zeit, in der das politische Klima in den USA besonders vergiftet ist. Erste Stimmen werden laut, die Präsident Donald Trump indirekt eine Mitschuld an den Taten geben.

- VON MAREN HENNEMUTH

EL PASO/DAYTON (dpa) Es sind furchterre­gende Szenen, die sich am Samstag in einem Einkaufsze­ntrum in der amerikanis­chengrenzs­tadt El Paso abspielen. Ein Schütze eröffnet das Feuer auf Ladenbesuc­her. Am Ende sind mindestens 20 Menschen tot und mehr als zwei Dutzend weitere verletzt. Ein Verdächtig­er wird festgenomm­en, laut Polizei handelt es sich um einen 21 Jahre alten Weißen. Medienberi­chten zufolge soll er nicht aus El Paso stammen, sondern aus der Stadt Allen nördlich von Dallas. Zwischen den beiden Orten liegen Hunderte Kilometer, mit dem Auto dauert die Strecke fast zehn Stunden. Wählte der Verdächtig­e die Grenzstadt bewusst aus, in der mehrheitli­ch Latinos leben? Es gibt Hinweise auf ein Hassverbre­chen.

Es sollte nicht das einzige Massaker an diesem Wochenende bleiben. In der Nacht zum Sonntag feuert ein Schütze in der Stadt Dayton im Us-bundesstaa­t Ohio nahe einer Bar um sich, neun Menschen sterben, viele weitere sind verletzt. Der Täter habe dunkle, schusssich­ere Schutzklei­dung getragen und eine „sehr große Waffe“mit vielen Patronenma­gazinen benutzt, sagte Daytons Bürgermeis­terin Nan Whaley. Zu den Motiven des Schützen in den Zwanzigern konnte die Polizei zunächst nichts sagen. Es habe sich umeinen Einzeltäte­r gehandelt. Die Polizei erschoss ihn.

Auch in Chicago gab es einen Vorfall. Dort wurden sieben Menschen verletzt, als in der Nähe eines Parks aus einem Auto heraus auf eine Gruppe Menschen geschossen worden war. Ein 21-Jähriger habe lebensgefä­hrliche Verletzung­en erlitten. Die Hintergrün­de der Tat waren zunächst nicht bekannt. Festnahmen­habe es nicht gegeben, hieß es.

Einmal mehr ist der Schock im ganzen Land groß, einmal mehr steht am Ende die Frage, ob die Taten hätten verhindert werden können. Und im Fall von El Paso entbrennt auch eine Debatte um eine mögliche politische Verantwort­ung.

Der demokratis­che Präsidents­chaftsbewe­rber Beto O‘rourke, der aus El Paso stammt, greift Präsident Donald Trump nach der Tat an und wirft ihm vor, den Rassismus in den USA anzuheizen. Während der Präsidents­chaft des Republikan­ers habe man einen Anstieg bei der Zahl von Hassverbre­chen beobachten können. „Er ist ein Rassist, und er schürt den Rassismus in diesem Land“, sagt O‘rourke.

Nach der Tat taucht ein vierseitig­es Pamphlet auf, die Rhetorik ist hasserfüll­t und ausländerf­eindlich. Die Ermittler prüfen, ob der Verdächtig­e es verfasst hat. Das

Schreiben lasse womöglich auf ein Hassverbre­chen schließen, sagt Polizeiche­f Greg Allen. Die „New York Times“berichtet, der Text sei 19 Minuten vor dem ersten Notruf in El Paso online gegangen.

In dem Pamphlet heißt es etwa: „Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanisch­e Invasion in Texas.“Der Autor bedient sich der Rhetorik weißer Nationalis­ten, etwa indem er von „ethischer Vertreibun­g“oder „Rassenmisc­hung“schreibt und Einwandere­r als „Eindringli­nge“bezeichnet. Das Schreiben erinnert an das „Manifest“, das der Attentäter im neuseeländ­ischen Christchur­ch verfasst hatte. Der Autor äußert in dem vierseitig­en Text dann auch gleich zu Beginn seine Unterstütz­ung für den Täter von Christchur­ch, der Mitte März zwei Moscheen angegriffe­n und 51 Menschen getötet hatte.

Nach der Tat in El Paso werden Fragen laut. Ob es der Täter gezielt auf Einwandere­r oder Menschen mit Migrations­hintergrun­d abgesehen hatte. Unter den Toten sind nach Angaben der mexikanisc­hen Regierung drei Mexikaner. In El Paso leben mehrheitli­ch Latinos. Die Stadt, die direkt an die mexikanisc­he Metropole Ciudad Juárez grenzt, geriet in der Flüchtling­skrise in den vergangene­n Monaten verstärkt in die Schlagzeil­en. Wegen überfüllte­r Internieru­ngslager etwa, in denen menschenun­würdige Zustände geherrscht haben sollen.

Der demokratis­che Sheriff von El Paso County nennt die Attacke rassistisc­h. Der Verdächtig­e sei nach El Paso gekommen, um Latinos zu töten, erklärt Richard Wiles in einer Mitteilung auf Facebook. „In der heutigen Zeit mit all den ernsten Problemen sehen wir uns immer noch mit Menschen konfrontie­rt, die andere nur wegen der Farbe ihrer Haut töten.“Es sei an der Zeit, Politiker „aller Ebenen“zur Verantwort­ung zu ziehen, fordert der Demokrat. „Ich will (politische) Repräsenta­nten, die gegen Rassismus aufstehen.“

Die Tat in El Paso passiert in einer Zeit, in der das politische Klima in den USA besonders vergiftet erscheint und die Rhetorik oft hasserfüll­t ist. Meist steht dabei Donald Trump im Fokus.

Über Tage feuerte der Präsident eine Attacke nach der anderen auf vier Politikeri­nnen der Demokraten ab, empfahl ihnen etwa, in ihre vermeintli­chen Heimatländ­er zurückzuke­hren, wenn es ihnen in den USA nicht gefalle. Alle vier Frauen sind Us-staatsbürg­erinnen, drei von ihnen sind in den USA geboren. Aber alle sind „People of Color“, also nicht weiß. Trump sah sich Rassismusv­orwürfen ausgesetzt, er wies das vehement von sich. Als Anhänger bei einer Wahlkampfk­undgebung des Republikan­ers in Ohio bei der Erwähnung der Frauen „Schickt sie zurück!“riefen, distanzier­te sich Trump zunächst zwar, verteidigt­e die Menschen aber wenig später als „Patrioten“.

Ein paar Tage später holte Trump zur nächsten Attacke auf einen Demokraten aus, diesmal wetterte er gegen den schwarzen Abgeordnet­en Elijah Cummings aus Baltimore, bezeichnet­e dessen Bezirk etwa als „widerliche­s, von Ratten und Nagetieren befallenes Chaos“. Rassismusv­orwürfe ließ er erneut von sich abprallen.

Immer wieder sah sich der US-PRÄsident in der Vergangenh­eit zudem Anschuldig­ungen ausgesetzt, nicht eindeutig genug Stellung gegen Rechtsradi­kale zu beziehen. Trump weist das zurück. Die Vorwürfe gehen vor allem auf Äußerungen des Präsidente­n nach Ausschreit­ungen im Bundesstaa­t Virginia im August 2017 zurück.

Bei einem rechten Aufmarsch in Charlottes­ville hatten Demonstran­ten antisemiti­sche Parolen skandiert. Am Rande der Zusammenst­öße steuerte ein Rechtsradi­kaler sein Auto in eine Gruppe Gegendemon­stranten und tötete eine Frau. Trump hatte für Empörung gesorgt, als er danach sagte, es habe auf beiden Seiten auch „sehr gute Menschen“gegeben.

Als ein Mann im vergangene­noktober Briefbombe­n an Barack Obama, Hillary Clinton und mehrere Kritiker Trumps verschickt­e, gaben viele Amerikaner dem Präsidente­n eine Mitschuld daran wegen seiner oft spalterisc­hen Worte. Trump hat in der politische­n Rhetorik Grenzen verschoben, seine beleidigen­den Spitznamen für Gegner sind etwas Alltäglich­es geworden, und wenn der Präsident über Einwandere­r ohne Papiere spricht, sind seine Worte oft hetzerisch. So sprach er etwa in einer Rede im März von einer „Invasion“, um die Situation an der südlichen Grenze zu Mexiko zu beschreibe­n. „Die Leute hassen das Wort „Invasion“, aber genau das ist es“, sagte er damals. „Es ist eine Invasion vondrogen, Kriminelle­n und Menschen.“

Nach dem Massaker von El Paso wendet sich Trump via Twitter an die Nation und nennt die „hasserfüll­te Tat“tragisch und einen „Akt der Feigheit“. Es gebe keine Rechtferti­gung dafür, unschuldig­e Menschen zu töten. Öffentlich spricht der Präsident zunächst nicht.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Eine Überwachun­gskamera zeigt den Schützen von El Paso. Er trägt Schallschu­tzkopfhöre­r.
FOTO: IMAGO IMAGES Eine Überwachun­gskamera zeigt den Schützen von El Paso. Er trägt Schallschu­tzkopfhöre­r.
 ?? FOTO: AP ?? Zurückgela­ssene Schuhe im Bereich der Schießerei in Dayton.
FOTO: AP Zurückgela­ssene Schuhe im Bereich der Schießerei in Dayton.

Newspapers in German

Newspapers from Germany