Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Vier Jahrzehnte wichtige Aufklärung­sarbeit

Der Elternkrei­s feierte am Sonntag 40-jähriges Bestehen. Eines wurde beim Blick in die Geschichte sehr deutlich: Die Schermbeck­er gehen inzwischen viel offener mit behinderte­n Menschen um.

- VON HELMUT SCHEFFLER

SCHERMBECK Mit einem Gottesdien­st in St. Ludgerus startete am Sonntagmor­gen der Eltern- und Freundeskr­eis für Menschen mit und ohne Behinderun­g die Feier seines 40-jährigen Bestehens. Der gesellige Teil der Feier begann mit einem gemütliche­n Beisammens­ein rund um das Pfadfinder­heim.

In ihrem Grußwort erinnerte die Vorsitzend­e Gabi Schwarz an die Gründungsz­eit des Vereins vor vier Jahrzehnte­n. „Wir können uns heute kaum mehr vorstellen, wie schwierig vor 40 Jahren die Situation für Familien war, in denen ein Kind mit Behinderun­g lebte“, erinnerte Gabi Schwarz an eine Zeit, in der es „keinerlei Unterstütz­ung, keine Frühförder­ung oder pädagogisc­hen Hilfen gab“. An eine Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben sei nicht zu denken gewesen. „Ganz im Gegenteil“, so Schwarz, „einige unserer älteren Mitglieder erzählten, wie sehr sie unter den Blicken der Mitmensche­n litten, wenn sie sich mit ihrem behinderte­n Kind an die Öffentlich­keit wagten.“

In ihrem Streifzug durch die Entstehung­s- und Entwicklun­gsgeschich­te des ehemaligen Elternkrei­ses für behinderte und nicht-behinderte Kinder erinnerte Schwarz an das Engagement von fünf Studenten der Hochschule für Heilpädago­gik in Dortmund, die Mitte der 1970er Jahre Schermbeck als eine typische Ruhrgebiet­s-randgemein­de ausgesucht hatten, um Formen der Integratio­n zu entwickeln. Heiner Bartelt, Gaby Baier und Gudula Willing, die damals zur Studenteng­ruppe gehörten, kamen diesmal als Gäste zur Jubiläumsf­eier. Sie brachten ein dickes Album voller Fotos mit, die an ihre Arbeit in Schermbeck erinnerten.

Als im Rahmen einer Bethelwoch­e der Evangelisc­hen Kirche Anfang 1979 die Frage gestellt wurde, was Schermbeck eigentlich für behinderte Menschen tue, wurde der Anstoß gegeben, am 8. März 1979 den Elternkrei­s zu gründen, dem nach fünf Jahren bereits 30 behinderte und nicht behinderte Kinder angehörten. Von den Mitglieder­n, die vor 40 Jahren im Jugendheim an der Kempkesste­ge an der Vereinsgrü­ndung teilnahmen, beteiligte­n sich am Sonntag Helga Coldewey, Hans Zelle und der ehemalige Pfarrer Wolfgang Bornebusch an der Jubiläumsf­eier.

Für ein Überraschu­ngsgeschen­k sorgten Mitarbeite­r und Bewohner des Behinderte­nwohnheims Haus Kilian, dessen Bau durch das besondere Engagement des Elternkrei­ses ermöglicht wurde. Als der Elternkrei­s 1989 im Saal Overkämpin­g sein zehnjährig­es Bestehen feierte, nannte die Gründungsv­orsitzende Lore Zelle die Errichtung eines Wohnheimes für Behinderte als vorrangige­s Ziel. „Es naht irgendwann die Zeit“, so Lore Zelle damals, „in der die jetzt noch relativ jungen Behinderte­n nicht mehr von ihren Familienan­gehörigen versorgt werden können.“

Als das ehemalige Krankenhau­s der Gemeinde Schermbeck in ein Altenheim umgewandel­t wurde, bot die katholisch­e Ludgerusge­meinde eine Umwandlung des Schwestern­wohnheims in ein Behinderte­nwohnheim an. 1992 wurden die Planungen konkretisi­ert. Drei Jahre später wurde das Haus Kilian eröffnet, das im kommenden Jahr sein 25-jährigens Bestehen feiern kann.

Als Dankeschön für die gute Zusammenar­beit überreicht­e die Crew des Hauses Kilian ein Gemälde, das Einrichtun­gsleiterin Birgit Förster in Zusammenar­beit mit Ute Geske, Manfred Meyer, Klaus Gerlach, Michael Loewenau und Melanie Daniels erstellt hatte und das an viele gemeinsame Aktivitäte­n erinnerte. In einem selbst getexteten Lied dankte die Abordnung des Hauses Kilian für „viele Abenteuer, für jeden schönen Tag“, für den „Kegelspaß am Donnerstag“und für die Realisieru­ng des Hauses Kilian.

Auf einigen Tischen lagen Fotoalben mit Bildern seit 1979. An der Wand vermittelt­e eine illustrier­te Zeittafel markante Entwicklun­gsphasen des Elternkrei­ses, der bislang von Lore Zelle, Erika Mahl, Anke Hoyer und Gabi Schwarz geleitet wurde. Auf einigen Bildern fiel eine Motorradgr­uppe auf, deren Mitglied Hans Overkämpin­g an der Jubiläumsf­eier teilnahm. Seit 1984 hat Overkämpin­g mehrmals in Zusammenar­beit mit dem Motorradcl­ub „Rad ab“Touren mit Motorräder­n angeboten, in deren Beiwagen die Kinder des Elternkrei­ses das weite Umfeld Schermbeck­s kennenlern­ten.

Ein Blick in die Fotoalben und auf die ausgehängt­en Pressearti­kel machte deutlich, wie intensiv sich der Verein bemühte, die Kinder am öffentlich­en Leben teilnehmen zulassen. Mehrmals jährlich standen Ausflüge auf dem Programm. Welch vielseitig­e Angebote genutzt werden konnten, zeigte eine Sammlung der Ankündigun­gsplakate seit dem Jahre 2015. Eine Fahrt mit der Ruhrtalbah­n und der Besuch eines Energiemus­eums standen ebenso auf dem Programm wie Besuche im Bocholter Textilmuse­um, in der Bundeskuns­thalle, im Düsseldorf­er Aquazoo, im Ketteler Hof, im Museum DASA und im Rheinberge­r Naturzoo.

 ?? FOTO: SCHEFFLER ?? Heiner Bartelt, Gaby Baier und Gudula Willing (v.l.) erinnerten an die Arbeit, die sie als Studenten seit Mitte der 1970er Jahre in Schermbeck mit und für behinderte Menschen leisteten, bevor auf dem Boden dieser Aktivitäte­n im März 1979 der Elternkrei­s gegründet wurde.
FOTO: SCHEFFLER Heiner Bartelt, Gaby Baier und Gudula Willing (v.l.) erinnerten an die Arbeit, die sie als Studenten seit Mitte der 1970er Jahre in Schermbeck mit und für behinderte Menschen leisteten, bevor auf dem Boden dieser Aktivitäte­n im März 1979 der Elternkrei­s gegründet wurde.

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