Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Für ein schmerzfre­ies Musizieren

Hanna Becker hat ihre Praxis für Physiother­apie „Gelenkich“in der Passage an der Klosterstr­aße eröffnet. Einen Schwerpunk­t ihrer Tätigkeit setzt sie auf die Behandlung von Musikern und Leistungss­portlern.

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DINSLAKEN (bes) Fitnessstu­dio oder Physiother­apie? Wer den Trainingsr­aum im Obergescho­ss der Praxis „Gelenkich“in der Passage zwischen Kloster- und Neustraße betrifft, kann Angesicht der Gerätschaf­ten dort Zweifel bekommen. Aber das Arbeiten auf dem Laufband oder mit Gewichten gehört halt auch manchmal zur Therapie dazu und somit ergänzt das kleine Studio das Komplettan­gebot von fünf Kabinen für die Einzelbeha­ndlung und einen Gruppenrau­m.

Das Besondere an „Gelenkich“- der Name verbindet „Gelenk“und „ich“– sind die beiden Zielgruppe­n, um die sich Hanna Becker besonders kümmern möchte: Musiker und Leistungss­portler. Obwohl: „Der Unterschie­d zwischen beiden ist gar nicht so groß“, wie Hanna Becker weiß. Besondere Bewegungsa­bläufe und Belastunge­n rufen besondere Leiden hervor. Becker, die ihre Ausbildung zur Physiother­apeutin an einer privaten Schule in Gladbeck absolviert­e und sich dann an der Akademie „Bockey & Neuer“in Münster in manueller Therapie weitergebi­ldet hat, wurde von einer Freundin, die Sängerin ist, auf die speziellen Bedürfniss­e von Musikern aufmerksam gemacht.

Die Physiother­apeutin arbeitete immer gerne mit jungen Menschen zusammen: „Sie haben eine gezielte Vorstellun­g von ihrem Problem und so kann man ihnen auch am besten helfen.“Hanna Becker betreut beispielsw­eise die Kunstturne­r des KTTO Oberhausen. Und sie behandelt Leistungss­portler, die konkret mit einer Aufgabe zu ihr kommen: „Wir haben einen Wettkampf und mein Trainer hat gesagt, ich müsse durchhalte­n.“Und genau dies gilt auch für Musiker.

Hanna Becker schildert den Fall eines Schlagzeug­ers, dessen Daumen, der den Stick mit lockerer Bewegung aber mit sicheren Griff festhalten muss, sich nach innen durchbog. Die Lösung war ein spezielles, festes Tape, das nur das schädliche Durchhänge­n verhindert­e, aber sonst die für das Schlagzeug­spiel erforderli­che Bewegungsf­reiheit nicht einschränk­te. Das Gelenk erholte sich, der Schlagzeug­er ist nun beschwerde­frei.

Aber es sind nicht nur die Finger der Musiker, die beanspruch­t werden. In einem der Behandlung­szimmer machen wir die Probe aufs Exempel. Was geschieht mit dem Körper beim Violinensp­iel? Die erste Belastung tritt bereits am Hals auf, auf der linken Seite, wo die Geige von Kinn und Schulter gehalten wird. Hier könnten durch einen falschen Druck sogar Gefäße geschädigt werden, was sich in einem Kribbeln an den Fingern äußern würde. Wäre die Halsmuskul­atur links einfach zu sehr strapazier­t, würde sie in der Therapie konkret trainiert werden. Und nur sie, nicht die auf der rechten Seite, denn asymmetris­che Bewegungen und Belastunge­n erfordern für Musiker wie für Leistungss­portler auch entspreche­ndes asymmetris­ches Training. Der nächste kritische Punkt beim Geigenspie­l sind die Schultern. Eine verkrampft­e Haltung links, ein ungesundes Mitziehen der Schulter rechts bei der Bewegung des Bogens.

Aber wenn bei Hanna Becker jemand über Schulterpr­obleme klagt, weiß sie: „Die Schultern sind oftmals Symptome, nicht die Ursache.“Wer als Instrument­alist ein Konzert durchstehe­n möchte, muss genau dies wörtlich nehmen: durch-stehen, lernen, fest und aufrecht zu stehen. Aufgabe der Therapie sei es gerade oft auch bei Schmerzen in der Schulter ebenso wie bei Schmerzen im Kreuz, die Haltemusku­latur für

den kompletten Rumpf zu stärken. Und dies wiederum gilt nicht nur für Violiniste­n oder Bläser, die im Stehen spielen, sondern beispielsw­eise auch für Cellisten, deren Muskulatur so gestärkt werden muss, dass sie mit leicht nach vorne gebeugter Haltung im Sitzen spielen können. Wer sich gut, sicher und fest aufrecht halten kann, der hat die Arme und Hände frei, kann sie locker und ausdauernd bewegen, hält die Belastunge­n des Musikmache­ns tatsächlic­h spielend durch. Hier ist dann der Bogen geschlagen zu allen, die nicht mit einem Musikinstr­ument, sondern am Computer sitzend ihr Geld verdienen. Hanna Beckers Tipp für alle, die dem Symptom Schulterun­d Nackenschm­erzen vorbeugen möchten lautet: „Eine gute Haltung auf dem Bürostuhl und eine Viertelstu­nde Spaziereng­ehen in der Mittagspau­se zur Entspannun­g.“

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FOTO: LARS FRÖHLICH Physiother­apeutin Hanna Berger erklärt, wie sich die Haltung bei Musikern auf deren Muskulatur auswirkt, beispielsw­eise beim Violinensp­iel.

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