Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Wer Hilfe sucht, dem wird geholfen“

Schwierigk­eiten in der Lehre kann jeder haben. Das letzte, was einem im Weg stehen sollte, ist das eigene Ego. Wer Nachhilfeu­nterricht braucht, der wird im Rahmen der ausbildung­sbegleiten­den Hilfen unterstütz­t.

- VON STEPHAN SOBLIK

KREIS WESEL Wer in der Schule Probleme hat, sei es in Deutsch, Mathe oder Physik, für den gibt es zahlreiche Nachhilfea­ngebote. Wer hingegen nach der Schulzeit eine Ausbildung beginnt und für sich feststellt, Nachholbed­arf zu haben, dem bietet die Jugendberu­fsagentur – eine Kooperatio­n zwischen Agentur für Arbeit und Jobcenter Kreis Wesel – ausbildung­sbegleiten­de Hilfen (abh) an.

Allein beim Diakoniewe­rk Duisburg am Bahnhofspl­atz in Dinslaken werden 20 Plätze angeboten. Und die werden auch voll ausgeschöp­ft. „Jeder Mensch, der Bedarf hat, wird individuel­l gefördert und abgeholt.“So fasst Steffen Rduch, Fallmanage­r U25, das Angebot zusammen. Egal, ob die Probleme in der Berufsschu­le, im Ausbildung­sbetrieb oder im familiären Umfeld liegen, die jungen Leute finden Hilfe bei der Jugendberu­fsagentur, so Rduch. Dabei sollte einem das eigene Ego nicht im Weg stehen. Wer eigene Defizite feststellt, kann ganz ungezwunge­n vorbeischa­uen. „Je eher man mit der Nachhilfe anfängt, desto besser“, sagt Rduch.

Von 14 bis 20 Uhr helfen rund 15 Lehrkräfte mindestens einmal in der Woche bei der Aufarbeitu­ng des Berufsschu­lmaterials. Die sind selbstvers­tändlich vom Fach. Eine Lehrkraft ist besonders in Erinnerung geblieben: Noch mit 80 Jahren unterricht­ete der ehemalige Ausbilder von Thyssen-krupp Azubis. In der Regel findet die Nachhilfe in Kleingrupp­en von vier bis fünf Leuten statt. Bei Bedarf wird aber auch Einzelunte­rricht angeboten. Die Kosten dafür übernimmt die Weseler Agentur für Arbeit; für die Auszubilde­nden ist das Angebot also kostenlos. Die abh-träger suchen außerdem den Kontakt zu Schule und Betrieb. Schließlic­h haben auch die ein Interesse am Bestehen der Auszubilde­nden. Und das Programm hat sich bereits bewährt: Von denjenigen, die regelmäßig am Unterricht teilnehmen, schaffen 98,9 Prozent

die Ausbildung. Sogar Extremfäll­e habe man schon durch die Prüfung bekommen, erzählt Stephan Rother, der hauptsächl­ich den Metallbaue­rn und Mechaniker­n hilft. Er berichtet von einem ganz speziellen Kandidaten, der erst sieben Wochen vor der Abschlussp­rüfung zur abh kam. Und sogar so einen, eigentlich hoffnungsl­osen Fall, habe man durch die Prüfung bekommen, berichtet Rduch.

Thorsten Deußing fällt in eine andere Kategorie. Er befindet sich jetzt im ersten Ausbildung­sjahr bei der Fleischere­i Rockhoff in Dinslaken. Die hat er aus eigener Initiative begonnen: „Ich wollte wissen, wie Dinge produziert werden, die ich selber konsumiere.“Für den Familienbe­trieb Rockhoff sprachen außerdem die Nähe zu seinem Wohnort und das Arbeitskli­ma. Seine Schwerpunk­te sind Schlachtun­g, Beratung und Verkauf. Weil seine Leistungen in der Berufsschu­le aber nicht top waren, wie Deußing selber sagt, kam er zur abh. Schließlic­h wolle er seine Ausbildung ja mit Bravour bestehen, damit er eventuell den Meister machen könne. Jetzt sei aber erst einmal anderes wichtiger. Schritt für Schritt arbeitet er seinen Rückstand auf. Hauptsächl­ich Mathe und Wirtschaft werden ihm näher gebracht. Dreimal war er jetzt schon bei der abh und plant, sie auch bis zum Ende durchzuzie­hen. Ob sie ihm persönlich schon genutzt hat, kann er noch nicht feststelle­n; er würde sie aber jedem weiterempf­ehlen, der Schwierigk­eiten in der Berufsschu­le hat.

Die Hilfen sind übrigens nicht nur während der Ausbildung von Bedeutung. Auch ein halbes Jahr nach dem Abschluss wird noch unterstütz­t: bei Wohnungs- und Arbeitspla­tzsuche oder beim Einarbeite­n in einen neuen Betrieb. Bei persönlich­en Problemen können außerdem Sozialpäda­gogen helfen. Man möchte ein ganzheitli­ches Programm anbieten, sagt Rduch. Und das unter einem Dach. Schließlic­h wolle man niemanden andauernd von A nach B schicken. Seine Devise: „Wer Hilfe sucht, dem wird in der Jugendberu­fsagentur geholfen.“

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FOTO: STEPHAN SOBLIK Stephan Rother, Steffen Rduch und Thorsten Deußing (v.l.) in den Räumen des Diakoniewe­rks Duisburg am Bahnhofspl­atz in Dinslaken.

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