Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

EU gibt grünes Licht für Innogy-zerlegung

Mit der Freigabe des Innogy-deals durch die EU entsteht ein neuer Energierie­se. Zum Abbau von 5000 Jobs soll es in wenigen Wochen Klarheit geben, auch Dortmund und München sind betroffen. An der Börse ist RWE der Sieger.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN (anh) Die EU macht den Weg für den historisch­en Umbau der deutschen Energiebra­nche frei: Eon darf die Rwe-tochter Innogy unter Auflagen übernehmen, teilte die Kommission am Dienstag mit. Eon muss Geschäfte mit einem Umsatz von zwei Milliarden Euro abgeben, darunter sein Geschäft in Tschechien. Eons Zusagen stellten sicher, dass die Übernahme nicht zu höheren Strompreis­en führen werde, so Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager. Eon übernimmt das Netz- und Vertriebsg­eschäft von Innogy, RWE erhält das Ökostromge­schäft von Innogy und Eon. Im Zuge der Übernahme sollen bis zu 5000 Arbeitsplä­tze wegfallen. Der Abbau würde besonders Essen, Dortmund und München treffen, kündigte Eon-chef Johannes Teyssen an.

ESSEN Für Eon-chef Johannes Teyssen war der Dienstag ein Feiertag. „Nun werden wir erstmal die Geschenkbo­x auspacken“, sagte er vor Journalist­en. Kurz nach neun Uhr hatte Eu-wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager ihre Entscheidu­ng verkündet: Eon darf die Rwe-tochter Innogy unter Auflagen übernehmen und zu einem Konzern mit 50 Millionen Kunden und 70.000 Mitarbeite­rn werden. Den Deal hatten Eon und RWE vor 18 Monaten vereinbart. Nach dem Tausch von Anteilen und Beteiligun­gen wird Eon zum Megakonzer­n für Stromnetze und Vertrieb, RWE wird zum beherrsche­nden Stromerzeu­ger und zugleich zum drittgrößt­en Ökostroman­bieter in Europa. „Das ist ein historisch­er Tag für unser Unternehme­n, ähnlich dem Börsengang 1965 von Veba und der Verschmelz­ung von Veba und Viag zur Eon im Jahr 2000“, so Teyssen. Nun gehe es darum, die Stärken von Eon mit denen von Innogy zu verbinden. Die Folgen des Deals:

Mitarbeite­r Teyssen bekräftigt­e das Ziel, dass die Übernahme ab 2022 zu Einsparung­en von 600 bis 800 Millionen Euro pro Jahr führen soll. „Es bleibt dabei, dass wir dazu maximal 5000 Stellen abbauen.“In den nächsten Wochen sollten die Mitarbeite­r Klarheit darüber bekommen, welche Standorte und Bereiche betroffen seien. Der Abbau solle, wie den Gewerkscha­ften zugesagt, sozialvert­räglich erfolgen. Die Standorte Essen, Dortmund und München würden naturgemäß besonders betroffen sein, kündigte Teyssen an. In Essen haben Innogy und Eon zusammen rund 6000 Mitarbeite­r, in Dortmund gut 2000 und in München einige Hundert. In Essen sitzen die Zentralen beider Konzerne, in Dortmund große Teile des Netzund Vertriebsg­eschäfts von Innogy. Die Eon-zentrale in Essen bleibt. Doch viele Stellen in Verwaltung, IT und Querschnit­tsfunktion­en sind nun bedroht. Ein Quote, wonach die Hälfte des Abbaus auf Innogy- und die andere Hälfte auf Eon-mitarbeite­r entfalle, gebe es nicht, betonte Leonhard Birnbaum, der für Eon das Integratio­nsteam führt.

Vorstand Bei der Besetzung der Top-posten geht die Innogy-mannschaft leer aus. Für Hildegard Müller (Netzvorsta­nd) und Bernhard Günther (Finanzchef) gibt es keine Zukunft im neuen Konzern, auch nicht für Innogy-chef Uwe Tigges, den Teyssen für seine Arbeit sehr lobte. Dagegen bleiben alle fünf Eon-vorstände im Amt. Der Aufsichtsr­at hat bekräftigt, dass Teyssen auch die neue Eon führen soll. Sein Vertrag läuft noch bis Ende 2021. Ob er dann weitermach­t? „Leben ja, alles andere wird man sehen“, sagte Teyssen augenzwink­ernd. Bei den gut 50 Managern der ersten Führungseb­ene sei eine faire Aufteilung gefunden worden, etwa die Hälfte der Stellen sei mit Innogy-managern besetzt worden.

Aufsichtsr­at Der Aufsichtsr­at der neuen Eon wird für eine bestimmte Zeit um sechs Kontrolleu­re auf 20 Mitglieder erweitert, unter anderem zieht RWE-CHEF Rolf Martin Schmitz in das Kontrollgr­emium ein. RWE wird im Zuge der gemeinsam beschlosse­nen Aufteilung mit knapp 17 Prozent neuer Großaktion­är von Eon. Zudem kommen EX-BDI-CHEF Ulrich Grillo und die Unternehme­nsberateri­n Deborah Wilkens in den Aufsichtsr­at.

Aktionäre Schon am Mittwoch überträgt RWE seinen Innogy-anteil von 76,8 Prozent an Eon, zudem haben viele Innogy-aktionäre das freiwillig­e Übernahme-angebot angenommen, das in Kürze wirksam werden soll. Dann hält Eon 90 Prozent an Innogy und startet den Squeeze-out-prozess, bei dem die verbleiben­den Minderheit­saktionäre von Innogy abgefunden werden sollen. Die erwarteten Gerichtspr­ozesse dürften sich aber Jahre hinziehen. Auch eine Hauptversa­mmlung wird es geben, in der über die Höhe der Abfindung entschiede­n wird.

Auflagen Eon ist mit vergleichs­weise milden Kartellauf­lagen davongekom­men. Insgesamt müssen die beiden Unternehme­n zwei Millionen Kunden, zwei Milliarden Euro Umsatz und einen niedrigen dreistelli­gen Millionenb­etrag an Gewinnen abgeben. Der größte Brocken dabei ist das Strom- und Gaskundeng­eschäft in Tschechien. Hinzu kommt Ungarn. In Deutschlan­d muss Eon sein Geschäft mit Heizungsst­rom (Nachtspeic­herheizung­en, Wärmepumpe­n) abgeben, das umfasst 400.000 Kunden – unter ihnen Johannes Teyssen selbst. „Ich werde wohl bald wechseln und heimkommen“, kündigte er an. Der Eon-chef zeigte sich erleichter­t über das grüne Licht aus Brüssel und sagte mit einem Seitenhieb auf Thyssenkru­pp: „Das ist mit sehr verkraften­den Zugeständn­issen gelungen. Wir haben die gescheiter­ten Fusionsplä­ne von Siemens und Thyssenkru­pp vor Augen.“Eon habe nicht dem Kopf durch die Wand gewollt.

Stromkunde­n Mit Genugtuung sieht Teyssen, dass Vestager die Klagen von Konkurrent­en, der Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt sei in Gefahr, nicht erhört hat: „Das Wettbewerb­srecht soll den Wettbewerb schützen, nicht die Wettbewerb­er.“Er sieht keine Gefahr, dass nun die Strompreis­e steigen könnten. So etwas würde Eon gar nicht versuchen, denn das würde angesichts der Konkurrenz zu einer Kündigungs­welle führen. Konkurrent Lichtblick kritisiert­e dagegen das Eu-votum: Die Auflagen änderten nichts an der künftigen Marktmacht von Eon, eine solche Machtkonze­ntration habe es im deutschen Energiemar­kt noch nie gegeben.

Nächste Schritte Bis zu 2000 Mitarbeite­r waren mit dem Zusammensc­hluss beschäftig­t. Im „Cleanteam“, das abgeschott­et in der Alfredstra­ße in Essen saß, wurde alles en détail vorbereite­t. Günther und Birnbaum, die Integratio­nsbeauftra­gten, sind zuversicht­lich, dass der Frust bei den Innogy-mitarbeite­r nun überwunden ist. Auch wenn von dem jungen Konzern nichts bleiben wird, nicht einmal die Marke. „Nach 18 Monaten Trockensch­wimmen beginnt nun die eigentlich­e Arbeit“, sagte Teyssen. Dazu gehört auch eine Lösung für das verlustrei­che Geschäft in Großbritan­nien. Hier werde es zügig Entscheidu­ngen geben, so Teyssen. Sein Fazit: „Ich bin demütig, denn die Integratio­n eines Unternehme­ns von gleicher Größe ist kein Pappenstie­l.“

Folgen für RWE Auch Innogys Noch-mutter will sich nun in den Umbau stürzen: „Brüssel hat den Weg freigemach­t für die neue RWE. Das macht uns zu einem global führenden Unternehme­n im Bereich der Erneuerbar­en Energien“, sagte RWE-CHEF Schmitz. „Diese Aufgabe nehmen wir jetzt mit voller Kraft in Angriff.“An der Börse ist RWE ohnehin der Sieger: Während die Eon-aktie seit Bekanntgab­e des Deals im Frühjahr 2018 nahezu stabil blieb, hat die Rwe-aktie um über 60 Prozent zugelegt.

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