Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Digitale Wertpapiere kommen 2019
Die Bundesregierung verabschiedet am Mittwoch ihre BlockchainStrategie. Das digitale Buchhaltungssystem gilt derzeit als eine der fortschrittlichsten Technologien.
Es reicht meistens, das Wort nur zu erwähnen: Blockchain. Wohl kaum eine andere Technologie beflügelt derzeit so stark Industrie und Politik. Niemand möchte den Anschluss verpassen, wie es scheint. Die Blockchain gilt als sehr sicheres digitales Buchhaltungssystem. Erfunden wurde sie zusammen mit der Kryptowährung Bitcoin. Doch die Blockchain dient nicht nur dazu, diverse Digitalwährungen zu verwalten. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, jede Information in einer digitalen Kette („chain“) in Blöcken dezentral zu speichern. Ein Netzwerk digitaler Buchhalter, sogenannte Miner, beglaubigt jeden Block. Einmal verifiziert, sind der Block und die darin enthaltene Information für alle Teilnehmer sichtbar gespeichert, eine Veränderung ist dann nicht mehr möglich. Flüsterpost, nur ohne den Verlust des Gesagten.
Die Bundesregierung will ihre im Koalitionsvertrag angekündigte Blockchain-strategie am Mittwoch im Kabinett besprechen und verabschieden. Weite Teile davon entstammen dem Unionsfraktionspapier, das der Cdu-politiker Thomas Heilmann federführend erstellt hat. Demnach macht sich die Bundesregierung für einen digitalen Wertpapierhandel stark. Dieser sieht vor, dass sogenannte Token den bislang das Wertpapierrecht prägenden schriftlichen Urkunden gleichgestellt werden. Ein Token repräsentiert in einer Blockchain beispielsweise ein Wirtschaftsgut oder auch einen Vermögenswert. „Wir eröffnen privaten Anlegern damit neue und vor allem schnelle Investitionsmöglichkeiten“, sagt Thomas Heilmann. Dies könne für Deutschland einen enormen Standortvorteil mit sich bringen. Noch in diesem Jahr will die große Koalition einen Gesetzentwurf für Blockchain-anleihen vorlegen.
Ein weiteres Vorhaben: eine eigene Bundes-blockchain. Thomas Heilmann dazu: „Der Staat betreibt Straßen, warum nicht auch IT-INFrastruktur?“Die dafür notwendige Software sei im großen Teil als Open-source-software verfügbar. Die „Bundes-chain“soll aber offenbar nur im Rahmen weniger kommunaler Pilotprojekte erprobt werden. Eng mit der Bundes-blockchain verbunden wäre auch die Einführung eines „E-euros“, wie es im Unionspapier heißt, also einer staatlichen Kryptowährung. „Die nationalen Zentralbanken und die Europäische Zentralbank könnten ebenso wie Geldscheine auch digitale Euros einführen“, sagt Heilmann. E-euro und Bundes-blockchain sind in der Kryptogemeinschaft allerdings höchst umstritten, da sie nicht dezentral organisiert wären. Genau das mache aber eine Kryptowährung aus, heißt es.
Um persönliche Daten noch sicherer zu speichern, will die Regierung auch digitale Identitäten mithilfe der Blockchain-technologie etablieren. „Damit werden sogenannte Zero-knowledge-proofs möglich sein“, sagt Heilmann. Einem Verkäufer im Supermarkt könnte so beispielsweise nachgewiesen werden, dass die Person, die den Personalausweis in den Händen hält, volljährig ist – ohne gleichzeitig Namen, Anschrift und Geburtsdatum zu offenbaren.
Wie schon am Wochenende bekannt wurde, stellt sich die große Koalition in ihrer Blockchain-strategie gegen sogenannte Stablecoins, deren Preis durch bestimmte Mechanismen vor starken Schwankungen geschützt werden soll – in diesem Fall durch Anbindung an einen Währungskorb. Die von Facebook entwickelte Kryptowährung Libra ist so ein Stablecoin.
So manche entscheidende Frage ist in dem Strategiepapier jedoch nicht erläutert. Etwa ob und inwieweit die Bundesregierung neue Serverkapazitäten schaffen muss. Denn die Blockchain-technologie giert nach Energie. Für die Aneinanderreihung der einzelnen digitalen Kettenglieder bedarf es mitunter immenser Rechenleistung. Zu Hochzeiten des Bitcoin-kurses stiegen deshalb die Preise für Grafikkarten um ein Vielfaches. Die Produktion der virtuellen Währung verbrauchte im Jahr 2018 so viel Strom wie die gesamte dänische Volkswirtschaft.