Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Digitale Wertpapier­e kommen 2019

Die Bundesregi­erung verabschie­det am Mittwoch ihre Blockchain­Strategie. Das digitale Buchhaltun­gssystem gilt derzeit als eine der fortschrit­tlichsten Technologi­en.

- VON PHILIPP JACOBS

Es reicht meistens, das Wort nur zu erwähnen: Blockchain. Wohl kaum eine andere Technologi­e beflügelt derzeit so stark Industrie und Politik. Niemand möchte den Anschluss verpassen, wie es scheint. Die Blockchain gilt als sehr sicheres digitales Buchhaltun­gssystem. Erfunden wurde sie zusammen mit der Kryptowähr­ung Bitcoin. Doch die Blockchain dient nicht nur dazu, diverse Digitalwäh­rungen zu verwalten. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, jede Informatio­n in einer digitalen Kette („chain“) in Blöcken dezentral zu speichern. Ein Netzwerk digitaler Buchhalter, sogenannte Miner, beglaubigt jeden Block. Einmal verifizier­t, sind der Block und die darin enthaltene Informatio­n für alle Teilnehmer sichtbar gespeicher­t, eine Veränderun­g ist dann nicht mehr möglich. Flüsterpos­t, nur ohne den Verlust des Gesagten.

Die Bundesregi­erung will ihre im Koalitions­vertrag angekündig­te Blockchain-strategie am Mittwoch im Kabinett besprechen und verabschie­den. Weite Teile davon entstammen dem Unionsfrak­tionspapie­r, das der Cdu-politiker Thomas Heilmann federführe­nd erstellt hat. Demnach macht sich die Bundesregi­erung für einen digitalen Wertpapier­handel stark. Dieser sieht vor, dass sogenannte Token den bislang das Wertpapier­recht prägenden schriftlic­hen Urkunden gleichgest­ellt werden. Ein Token repräsenti­ert in einer Blockchain beispielsw­eise ein Wirtschaft­sgut oder auch einen Vermögensw­ert. „Wir eröffnen privaten Anlegern damit neue und vor allem schnelle Investitio­nsmöglichk­eiten“, sagt Thomas Heilmann. Dies könne für Deutschlan­d einen enormen Standortvo­rteil mit sich bringen. Noch in diesem Jahr will die große Koalition einen Gesetzentw­urf für Blockchain-anleihen vorlegen.

Ein weiteres Vorhaben: eine eigene Bundes-blockchain. Thomas Heilmann dazu: „Der Staat betreibt Straßen, warum nicht auch IT-INFrastruk­tur?“Die dafür notwendige Software sei im großen Teil als Open-source-software verfügbar. Die „Bundes-chain“soll aber offenbar nur im Rahmen weniger kommunaler Pilotproje­kte erprobt werden. Eng mit der Bundes-blockchain verbunden wäre auch die Einführung eines „E-euros“, wie es im Unionspapi­er heißt, also einer staatliche­n Kryptowähr­ung. „Die nationalen Zentralban­ken und die Europäisch­e Zentralban­k könnten ebenso wie Geldschein­e auch digitale Euros einführen“, sagt Heilmann. E-euro und Bundes-blockchain sind in der Kryptogeme­inschaft allerdings höchst umstritten, da sie nicht dezentral organisier­t wären. Genau das mache aber eine Kryptowähr­ung aus, heißt es.

Um persönlich­e Daten noch sicherer zu speichern, will die Regierung auch digitale Identitäte­n mithilfe der Blockchain-technologi­e etablieren. „Damit werden sogenannte Zero-knowledge-proofs möglich sein“, sagt Heilmann. Einem Verkäufer im Supermarkt könnte so beispielsw­eise nachgewies­en werden, dass die Person, die den Personalau­sweis in den Händen hält, volljährig ist – ohne gleichzeit­ig Namen, Anschrift und Geburtsdat­um zu offenbaren.

Wie schon am Wochenende bekannt wurde, stellt sich die große Koalition in ihrer Blockchain-strategie gegen sogenannte Stablecoin­s, deren Preis durch bestimmte Mechanisme­n vor starken Schwankung­en geschützt werden soll – in diesem Fall durch Anbindung an einen Währungsko­rb. Die von Facebook entwickelt­e Kryptowähr­ung Libra ist so ein Stablecoin.

So manche entscheide­nde Frage ist in dem Strategiep­apier jedoch nicht erläutert. Etwa ob und inwieweit die Bundesregi­erung neue Serverkapa­zitäten schaffen muss. Denn die Blockchain-technologi­e giert nach Energie. Für die Aneinander­reihung der einzelnen digitalen Kettenglie­der bedarf es mitunter immenser Rechenleis­tung. Zu Hochzeiten des Bitcoin-kurses stiegen deshalb die Preise für Grafikkart­en um ein Vielfaches. Die Produktion der virtuellen Währung verbraucht­e im Jahr 2018 so viel Strom wie die gesamte dänische Volkswirts­chaft.

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FOTO: ISTOCK

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