Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das erwartet die Besucher in der ersten Ausstellun­g von Jacques Tilly.

Die Ludwiggale­rie in Oberhausen widmet dem Düsseldorf­er Karnevals-wagenbauer und Satiriker Jacques Tilly seine erste Ausstellun­g.

- VON KLAS LIBUDA

OBERHAUSEN Zur neuen Ausstellun­g gibt es natürlich ein Veranstalt­ungsprogra­mm. Vorträge, Diskussion­srunden – der Künstler wird anwesend sein. Aber als ihn Christine Vogt bat, ein paar freie Termine zu nennen, bekam die Direktorin der Ludwiggale­rie nur zur hören: „Nach Rosenmonta­g.“Jacques Tilly ist beschäftig­t.

Der rheinische Karneval steuert auf seinen Höhepunkt zu, Rosenmonta­g ist Ende Februar und Tilly deshalb zurzeit unabkömmli­ch. Seine Mottowagen für den Düsseldorf­er Rosenmonta­gszug prägen das Bild des Karnevals. Wenn am Veilchendi­enstag die „New York Times“über den irren Brauch der Westdeutsc­hen berichtet, bebildern sie das mit seinen fahrenden Plastiken.

Tilly, der Wagenbauer, hat es über die Jahre zu einiger Prominenz gebracht, auch über die Session hinaus. So wundert es nicht, dass er nun auch mit einer Ausstellun­g gewürdigt wird. Allerdings nicht in Düsseldorf, sondern in Oberhausen. In Düsseldorf habe ihn nie jemand danach gefragt, sagt Tilly. Die Ludwiggale­rie im Schloss Oberhausen indes schon.

Dort legt man einen neuen Zugang zu Tillys Arbeiten, man versteht sie als Karikature­n. So sind in Oberhausen, neben einigen Figuren seiner Wagen, vornehmlic­h Arbeiten auf Papier zu sehen. Entwürfe und Konstrukti­onszeichnu­ngen für Tillys Karnevalsw­agen, dazu einige verworfene Ideen und Fotografie­n von dem, was er schlussend­lich am Rosenmonta­g unters Volk brachte: der frühere italienisc­he Innenminis­ter Matteo Salvini, an dessen Brüsten zwei Babys namens Rassismus und Nationalis­mus hängen; die frühere britische Premiermin­isterin Theresa May, die mit langer Brexit

Nase einen Geschäftsm­ann aufspießt, der sinnbildli­ch für die britische Wirtschaft steht. Aus gutem Grund baut Tilly seine Mottowagen erst so spät wie möglich, weil er nie weiß, was an Rosenmonta­g politisch noch wichtig sein wird. Das ist denn auch das Problem der Ausstellun­g. Viel von dem, was gezeigt wird, ist längst vorbei, das Personal ein anderes, der Brexit durchgeset­zt. Die Pointe ist häufig futsch.

Interessan­ter ist darum, die Ausstellun­g als Dokumentat­ion zu begreifen, als Gelegenhei­t, einmal zu studieren, wie Tilly und seine Mannschaft vorgehen. Die meisten seiner Plastiken werden gleich nach Karneval zerstört, vom türkischen Präsidente­n Erdogan aber sind ein paar Überreste geblieben: Kaninchend­raht, Papier, Farbe – mehr braucht es nicht für einen großen Aufschlag. Nach Tillys Hochrechnu­ngen wurde in 95 Ländern über seine Wagen von 2019 berichtet. Am Häufigsten gezeigt wurde seine Theresa May. Den Wagen überließ er nach dem Rosenmonta­gszug britischen Brexit-gegnern. Der fuhr dann bei Demonstrat­ionen in London mit. Auch das ist in der Ausstellun­g zu sehen.

Tilly sieht sich übrigens als verhindert­en Karnevalis­ten. Er ist in keinem Karnevalsv­erein, „denn dann müsste ich denen den Wagen umsonst bauen“. Er schätze den Brauch als „anarchisch­es Menschheit­sfest“, bekomme aber auch „ohne Ende Hass“zu spüren. Von Afd-anhängern bekäme er täglich Briefe und E-mails, erzählt er. „Daran schule ich mich, um dann Wagen zu bauen, die sie richtig ärgern.“

 ??  ??
 ?? FOTO: RICARDA HINZ ?? Jacques Tillys Theresa-may-wagen fuhr nach dem Rosenmonta­gzug bei den Protesten von Brexit-gegnern mit.
FOTO: RICARDA HINZ Jacques Tillys Theresa-may-wagen fuhr nach dem Rosenmonta­gzug bei den Protesten von Brexit-gegnern mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany