Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Suche nach Nick Stolz geht weiter

Die Eltern wissen nicht, was mit ihrem Sohn passiert ist. Die Schwestern wissen nicht, ob ihr Bruder noch lebt. Die Polizei sieht keine Anhaltspun­kte mehr für Ermittlung­en. Die Familie hat einen Privatdete­ktiv auf den Fall angesetzt.

- VON SINA ZEHRFELD

Die Eltern wissen nicht, was mit ihrem Sohn passiert ist. Die Schwestern wissen nicht, ob ihr Bruder noch lebt. Ein Privatdete­ktiv sucht ihn.

VOERDE Die Schwestern von Nick Stolz aus Voerde wissen, was sie gerne glauben wollen. Dass ihr „kleiner Bruder“irgendwo in der Sonne sitzt und es ihm gut geht. Dass er wirklich abgetaucht ist. Wenn es so wäre – er solle sich bloß melden, sagt Jessica Stolz. Niemand würde ihn zur Rückkehr drängen. Nur etwas zu wissen, statt nur das Beste zu hoffen und gleichzeit­ig zu fürchten, dass er nicht mehr lebt, das wäre so wichtig. „Diese Ungewisshe­it, die macht einen richtig fertig“, sagt Schwester Ilona. Besonders schlecht gehe es den Eltern.

Der 22-jährige Nick Stolz aus Voerde ist wie berichtet am 28. September 2019 unter mysteriöse­n Umständen verschwund­en. Einiges deutet darauf hin, dass er das geplant hat. Vor der Wohnungstü­r einer Bekannten in Aachen wurde eine Box mit einer großen Menge Geld, seinem Autoschlüs­sel und einem kurzen Brief gefunden, in dem steht, dass die Sachen ein Geschenk seien. Wochen zuvor hatte Nick Stolz seine Stelle gekündigt. Und er hatte für den 28. September ein Zugticket von Aachen nach Düssedorf gebucht sowie ein Flugticket von Düsseldorf nach Portugal. Nicht zuletzt: Er hatte immer ein Mobiltelef­on. Aber die Sim-karte, die er in seinem Handy hatte, ließ er in seinem Zimmer im Elternhaus zurück.

Anderes spricht aber dagegen, dass der Junge Mann sich absetzen wollte. „Er hätte doch das Geld mitgenomme­n. Das braucht man doch“, gibt seine Schwester Ilona zu bedenken. Überhaupt habe er nichts mitgenomme­n: keine Kleider, keine Hygieneart­ikel, sein Laptop sei in seinem Auto gefunden worden. Ihr Bruder hatte noch Dinge bestellt, die geliefert wurden, nachdem er weg war. Welchen Sinn hätte das gehabt? Und: Ja, er sei in seinem Job nicht zufrieden gewesen. Aber er habe sich anderweiti­g beworben, „immer nur hier im Umkreis“, so Ilona. „Er hatte Zukunftspl­äne.“

Vor allem aber lässt das Flugticket, mit dem die Spur endet, die Schwestern zweifeln. Ihr Bruder sei noch nie geflogen, er habe sogar Angst davor gehabt. Er sei auch nicht allein gereist. Und jetzt solle er sich online ein Ticket beschafft und alles selbststän­dig hinter sich gebracht haben?

Die Polizei kann diese Frage nicht klären. „Das Ticket ist benutzt worden“, sagt Polizeispr­echer Daniel Freitag. Das heißt: „Es ist eine Person mit dem Ticket geflogen. Aber ob das der Herr Stolz war, weiß man nicht.“Die Reisenden würden zwar kontrollie­rt, aber „wasserdich­t“sei das nicht: „Wir können nicht verifizier­en, dass er in diesem Flugzeug saß.“

Der Familie ist klar, dass der 22-Jährige sich etwas angetan haben könnte. Aber sie hält es auch für möglich, dass da ein Verbrechen passiert ist, das jetzt nicht geklärt wird.

So macht der Brief, der vor der Tür der jungen Frau in Aachen gefunden wurde, die Schwestern stutzig: ein Computerau­sdruck ohne Datum, ohne Unterschri­ft, „und das ist gar nicht Nicks Ausdrucksw­eise“, sagt Ilona. „Da sind Abkürzunge­n drin, die er nie benutzt hat.“Nicht mal das Modell seines Autos war korrekt geschriebe­n – das wäre ihrem Bruder nicht passiert, meinen die Frauen.

Auch hätten sich Suchhunde am Tag nach dem Verschwind­en des 22-Jährigen in unterschie­dliche Richtungen orientiert – je nachdem, ob sie die Witterung von dem abgestellt­en Wagen des Bruders aus aufnahmen oder von anderen Gegenständ­en. Die Schwestern fragen sich darum, ob es überhaupt Nick war, der das Auto zuletzt fuhr.

Jessica Stolz denkt immer wieder neue Theorien darüber durch, was ihr Bruder getan hat oder was ihm passiert sein könnte: Nichts sei am Ende wirklich schlüssig. „Das ist das Schlimmste: Das man nicht weiß, wo man das hinstecken soll. Ich glaube, das hätte Nick so nicht gewollt“, sagt sie. Am ehesten vermutet sie, ihr Bruder könnte in Aachen in schlechte Gesellscha­ft und dadurch in Schwierigk­eiten geraten sein. Was auch immer geschehen ist: „Wir gehen davon aus, dass das Ganze nicht freiwillig passiert ist“, ergänzt Ilona.

Die Schwestern haben einen Privatdete­ktiv kontaktier­t, der sich derzeit bei der Polizei um Akteneinsi­cht bemüht: „Um zu sehen, was gemacht wurde und was er noch tun kann“, so Jessica Stolz. Sie hoffen, irgendetwa­s zu erfahren – und sei es nur, ob bei den Ermittlung­en doch noch ein „loses Ende“liegengebl­ieben ist. „Wir hoffen auch wirklich, dass sich noch jemand meldet, der etwas weiß“, sagen sie.

Bei der Polizei bleibt die Fahndung nach Nick Stolz bestehen. Praktisch werden gegenwärti­g aber keine Maßnahmen mehr ergriffen. „Nach meinem Kenntnisst­and ist es so, dass die Sachbearbe­iter derzeit alles ausgeschöp­ft haben, was auszuschöp­fen ist“, sagt Sprecher Freitag. „Aber das kann sich jederzeit ändern.“Etwa, indem sich neue Zeugen melden oder alten Zeugen noch etwas einfallen würde. „Wenn wir einen konkreten Hinweis hätten auf seinen Aufenthalt­sort, würden wir die Fahndungsm­aßnahmen wieder hochfahren.“

Ob es sich um ein freiwillig­es Verschwind­en oder ein Verbrechen handelt: „Wir wissen es nicht. Und wir mutmaßen nicht“, sagt Freitag. „Es gibt Leute, die für ein paar Monate einfach abtauchen. Es ist natürlich ein sehr merkwürdig­er Fall. Und für die Familie ist es tragisch.“

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RP-FOTO: ZEHRFELD Die Schwestern von Nick Stolz, Ilona und Jessica (v.l.). Die Flugblätte­r haben sie selbst verteilt. Sie hoffen noch immer, dass sich Zeugen melden.
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