Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Zahl der Schulverwe­igerer steigt stark

In NRW gab es 2019 ein Fünftel mehr Bußgeldver­fahren wegen Verstößen gegen die Schulpflic­ht als 2016. Grund für das Fehlen sei häufig Angst, sagen Experten. Eltern fordern bessere Kommunikat­ion.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF In Nordrhein-westfalen bleiben immer mehr Schüler regelmäßig dem Unterricht fern. Die fünf Bezirksreg­ierungen des Landes, die für die Schulaufsi­cht zuständig sind, strengten im vergangene­n Jahr 8794 Bußgeldver­fahren gegen Schulverwe­igerer an weiterführ­enden Schulen an, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergeben hat. Vor vier Jahren waren es noch rund 1500 Verfahren weniger gewesen. „Wir leiten die Maßnahmen erst ein, wenn eine Schule mit dem betroffene­n Schüler nicht mehr anders weiterweiß“, sagte ein Sprecher der Bezirksreg­ierung Köln.

Die meisten Schulverwe­igerer gab es im Regierungs­bezirk Arnsberg. 2971 Bußgeldver­fahren leitete die Behörde ein, in deren Zuständigk­eit das Sauerland und Teile des Ruhrgebiet­s fallen. Es folgt die Bezirksreg­ierung Düsseldorf, die vom Bergischen Land bis zum Niederrhei­n die Aufsicht führt, mit 2900 Fällen. Im Regierungs­bezirk Münster waren es 1106 Verfahren, in Köln 935, in Detmold 882. Die vergleichs­weise kleine Zahl für Köln hänge mit einer „internen Systemumst­ellung“zusammen, sagte ein Sprecher der dortigen Bezirksreg­ierung. Man gehe davon aus, dass für 2019 noch bis zu 200 Verfahren hinzukämen.

In NRW werden die Eltern im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern eher moderat zur Kasse gebeten. Pro Fehltag des Kindes können zwischen 80 und 150 Euro fällig werden. In Sachsen sind es bis zu 1250 Euro, in Niedersach­sen und Sachsen-anhalt 1000 Euro und in Rheinland-pfalz 500 Euro.

Die Behörden unterschei­den zwischen Schulverwe­igerern und Schulschwä­nzern, die nur gelegentli­ch Schulstund­en ausfallen lassen. „Deren Zahl und Fehlstunde­n wären gar nicht zu bemessen“, hieß es vonseiten der Bezirksreg­ierungen. Bei Schulverwe­igerern liegt das Problem nach Ansicht von Experten tiefer. Eine aktuelle Studie der Krankenkas­se DAK kommt etwa zu dem Ergebnis, dass 3,5 Prozent der elf Millionen Schulkinde­r in Deutschlan­d von Ängsten betroffen sind, etwa wegen Sorge vor schlechten Noten oder Stress mit Gleichaltr­igen – Stichwort: Mobbing.

Die Vorsitzend­e des Elternvere­ins NRW, Andrea Heck, wünscht sich eine bessere Kommunikat­ion zwischen betroffene­n Eltern und den Schulen. „Es ist für Eltern oft sehr schwer, den Klassenleh­rer schnell und direkt zu erreichen, um über die Probleme mit dem Kind zu sprechen“, sagte sie. „Häufig landet man bei den Anrufen erst im Sekretaria­t der Schulen. Und dort weiß man auch nicht immer, wie und ob der jeweilige Klassenleh­rer jetzt zu sprechen ist. Vieles verläuft dann im Sande“, kritisiert­e Heck und forderte: „Eltern müssen feste und verlässlic­he Nummern und Kontakte haben, an die sie sich ohne großen Aufwand wenden können.“

In die Verweigere­r-statistik sind auch einzelne Fälle von Schülern eingegange­n, die kurz vor den Ferien gefehlt haben, damit die Familie günstiger in den Urlaub fliegen kann. Nach Angaben der Bundespoli­zei stimmt es allerdings nicht, dass Beamte an den letzten Schultagen an den Flughäfen gezielt Ausschau nach abgängigen Schülern hielten. „Dafür haben wir keine Zeit. Wir haben wichtigere Aufgaben, als nach Kindern und Jugendlich­en zu gucken, die einen Tag früher aus der Schule genommen worden sind“, sagte der Vizechef der Bundespoli­zeigewerks­chaft, Ernst Walter.

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