Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Geld für Bauern, Reibekuche­n für Parteichef­s

Die Koalition beschließt eine Milliarde Euro Hilfszahlu­ngen für Landwirte und Verbesseru­ngen beim Kurzarbeit­ergeld.

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Eigentlich wollten Union und SPD nicht mehr so viele Nachtsitzu­ngen abhalten. Die mehr als 18-stündigen Verhandlun­gen zum Klimapaket im Herbst gelten als schlechtes Beispiel. Doch am Donnerstag wurden es wieder sechs Stunden. Erst nach ein Uhr morgens traten die Parteivors­itzenden von CDU, CSU und SPD müde, aber betont gut gelaunt vor die Presse.

Krise? Vorzeitige­s Ende der Groko? Davon will niemand mehr in der Koalition sprechen. Ein fröhlicher CSU-CHEF Markus Söder sagt, die Koalition habe „sich ein Stück weit stabilisie­rt“. Reibekuche­n und Geschnetze­ltes habe es im Kanzleramt gegeben, das Gespräch sei sehr konstrukti­v gewesen, heißt es später. Tatsächlic­h bringt dieser erste echte Koalitions­ausschuss seit der Wahl der neuen Spd-chefs im Dezember einige konkrete Beschlüsse.

Landwirte Söder nennt sie die „Bauernmill­iarde“: Eine Milliarde Euro sollen Landwirte in den nächsten vier Jahren zusätzlich als staatliche Hilfe bekommen, um Nachteile auszugleic­hen, die ihnen die neue Düngemitte­lverordnun­g bringt. Die Koalition reagiert damit auf die Bauernprot­este, die unlängst die Hauptstadt lahmgelegt hatten. Das Geld soll in Investitio­nen etwa für neue Gülle-lager fließen. Die genaue Aufteilung der Mittel auf die Länder sei noch offen, hieß es im Landwirtsc­haftsminis­terium.

Dessen Chefin Julia Klöckner (CDU) muss nun zusammen mit Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) in Windeseile, nämlich bis diesen Freitag, eine neue Düngemitte­lverordnun­g nach Brüssel schicken, weil die Eu-kommission weiterhin nicht zufrieden ist mit dem, was Deutschlan­d gegen den an vielen Stellen zu hohen Nitratgeha­lt im Grundwasse­r tun will. Sollte Berlin nicht bis Anfang April eine zufriedens­tellende Verordnung in Kraft setzen, drohen empfindlic­he Strafen der EU. Umweltverb­ände und Grüne befürchten, die „Bauernmill­iarde“werde nun dafür eingesetzt, die Gülle einfach an andere, nicht verbotene Stellen zu transporti­eren.

Kurzarbeit Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) konnte sein seit Monaten vorliegend­es „Arbeit-von-morgen-gesetz“endlich durchbring­en. Demnach soll das staatliche Kurzarbeit­ergeld in bestimmten Krisenbran­chen wie der Automobili­ndustrie nicht mehr nur wie üblich sechs oder bis zu zwölf, sondern bis zu 24 Monate lang gezahlt werden können. Bislang war das nur in einer gesamtwirt­schaftlich­en Krise wie 2009 möglich. Heil will die Verlängeru­ng der Bezugszeit daran knüpfen, dass Mitarbeite­r sich während der Kurzarbeit weiterqual­ifizieren – auch das auf Kosten des Staates. Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r reagierten lobend. Die Koalitions­spitzen vereinbart­en zudem, die Automobilb­ranche, die den Wandel zur Elektromob­ilität bewältigen muss, mit einem Programm-bündel und Steuerabsc­hreibungen zu stützen.

Haushalt Nicht einig wurde sich die Runde darüber, wie sie die überschüss­igen Haushaltsm­ittel von 13,5 Milliarden Euro verwenden will. Die Union pocht auf die steuerlich­e Entlastung der Unternehme­n. Im Beschlusst­ext findet sich der Satz: „Wir werden darüber beraten, wie Personenge­sellschaft­en optional so besteuert werden können wie Kapitalges­ellschafte­n.“Eine solche Gleichstel­lung wird von Wirtschaft­sverbänden seit Jahren gefordert, denn die meisten mittelstän­dischen Betriebe sind Personenge­sellschaft­en. Ihre Einkommens­teuer ist höher als die Belastung vieler Kapitalges­ellschafte­n. „Wir wollen, dass die im Betrieb stehen gelassenen Gewinne mit maximal 25 Prozent besteuert werden. Damit bleibt die Liquidität im Unternehme­n – auch als Basis für künftige Investitio­nen“, sagt Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer. Darüber hinaus müsse es eine umfassende Reform geben. „Der Spitzenste­uersatz darf nicht schon bei 56.000 Euro im Jahr greifen, sondern deutlich später.“

Die Koalition will zudem die Investitio­nen auf dem Niveau von 2020 bei knapp 43 Milliarden in den kommenden Jahren fortschrei­ben – ein Punkt für die SPD. Rundum zufrieden kann sie jedoch nicht sein. Die Erhöhung des Mindestloh­ns, die beim Parteitag im Dezember als eines der zentralen Themen beschlosse­n wurde, kommt in der Runde nur am Rande zur Sprache. In das Abschlussd­okument hat es lediglich dieser schmale Satz geschafft: „Nach der Evaluation des Mindestloh­ngesetzes werden wir deren Ergebnis in der Koalition beraten.“Doch das bedeutet noch gar nichts.

 ?? FOTO: DPA ?? Auf einem Feld wird Dünger ausgebrach­t. Nun soll viel Geld fließen, um den Landwirten bei der Einhaltung der Nitratgren­zwerte zu helfen. Der Nitratgeha­lt im Grundwasse­r ist in einigen Regionen wegen zu starker Gülledüngu­ng auf den Feldern zu hoch.
FOTO: DPA Auf einem Feld wird Dünger ausgebrach­t. Nun soll viel Geld fließen, um den Landwirten bei der Einhaltung der Nitratgren­zwerte zu helfen. Der Nitratgeha­lt im Grundwasse­r ist in einigen Regionen wegen zu starker Gülledüngu­ng auf den Feldern zu hoch.

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