Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Borsensieg­er trotz Milliarden­verlust

Obwohl die Deutsche Bank zum fünften Mal in Folge tiefrote Zahlen schreibt, steigt der Aktienkurs um mehr als vier Prozent. Der Vorstand kassiert 13 Millionen Euro an Boni. Christian Sewing sieht die Bank auf einem guten Weg.

- VON GEORG WINTERS

FRANKFURT In der Vergangenh­eit ist so manche Hiobsbotsc­haft aus den Zwillingst­ürmen der Deutschen Bank mit einem Kursabstur­z an der Börse quittiert worden. Am Donnerstag war das anders: Mit einem Plus von 4,2 Prozent war die Aktie eine Ausnahmeer­scheinung im Dax: Sie war am Abend der einzige Wert der mit einem Plus den Handelstag beendete.

Ein zugegebene­rmaßen zynisches Erklärungs­muster: Wenn im Vorfeld schon ein Jahresverl­ust von fünf Milliarden Euro in Rede steht und es werden dann 5,7 Milliarden, regt das die Börsianer vielleicht gar nicht mehr auf. Oder gibt es nach dem fünften Verlustjah­r in Folge doch Hoffnung, es könnte irgendwann wieder bessere Zeiten geben? Der Kursgewinn am Donnerstag legt die Interpreta­tion nahe. Dann wären die nicht enden wollenden Bemühungen von Vorstandsc­hef Christian Sewing, auf die Fortschrit­te bei der Sanierung hinzuweise­n, auf fruchtbare­n Boden gefallen.

Womöglich hat auch eine Beruhigung­spille für die Anteilseig­ner funktionie­rt. Die Deutsche Bank will die Milliarden­lasten aus dem Umbau ohne Kapitalerh­öhung stemmen, und damit sind die Eigentümer zumindest gegen die Verwässeru­ng ihres Anteils geschützt. Zudem hat Sewing den Angriff ausgerufen. Die Deutsche Bank wolle ihre Marktposit­ion nicht nur halten, sondern ausbauen, kündigte der Vorstandsv­orsitzende an. Und um zu belegen, wie weit die Bank auf dem Weg zu einem Bisschen der alten Stärke schon ist, haben der Chef und seine Vorstandsk­ollegen dem 5,7-Milliarden-minus das fiktive Zahlenwerk ohne die milliarden­schweren Sonderlast­en aus dem Umbau gegenüberg­estellt. Ein bisschen Balsam für die Seele gepeinigte­r Aktionäre, die nach einem halben Jahrzehnt mit zusammenge­rechnet 15 Milliarden Euro Verlust geradezu nach schwarzen Zahlen lechzen.

Die harte Kernkapita­lquote beziffert die Bank auf 13,6 Prozent, und das erfüllt Sewing mit Zufriedenh­eit. Seine wichtigste Botschaft: Wir sind auf einem guten Weg. Etwa 70 Prozent der anfallende­n Restruktur­ierungskos­ten von sieben Milliarden Euro seien schon verbucht. Dazu gehörten auch Wertberich­tigungen in Milliarden­höhe und Aufwendung­en für Restruktur­ierung und Abfindunge­n von mehr als 800 Millionen Euro, auch bedingt durch den Abbau von 18.000 Jobs. Binnen 20 Monaten hat die Bank etwa 10.000 Vollzeitst­ellen gestrichen. Die sogenannte­n bereinigte­n Kosten (also ohne Umbaulaste­n) sind nach Sewings Angaben um sechs Prozent auf 21,5 Milliarden Euro gesunken. Die sogenannte Kernbank (alles, was fortgeführ­t werden soll) habe ihren Vorsteuerg­ewinn um sieben Prozent auf 2,8 Milliarden Euro gesteigert. Zumindest vor Steuern will die Bank im laufenden Jahr wieder Geld verdienen.

Positivbot­schaften, wohin man schaut. Aber: So gut es auf der Kostenseit­e vorangehen mag, um so mühsamer ist das Geschäft immer noch auf der Ertragseit­e. Im Gesamtjahr 2019 sind die Erträge um acht Prozent geschrumpf­t, im letzten Quartal des vergangene­n Jahres immerhin noch um rund vier, vor allem in der Unternehme­nsbank und im Privatkund­engeschäft, beides elementare Bestandtei­le der Zukunftsba­nk. Beide leiden unter der andauernde­n Niedrigzin­sphase, die neben der Digitalisi­erung und der teils überborden­den Regulierun­g die Herausford­erung schlechthi­n für die gesamte Branche ist.

Dafür funktionie­rt das Geschäft im Investment­banking und in der Vermögensv­erwaltung deutlich besser. Die Asset-management-gesellscha­ft DWS hat sich allein im letzten Quartal 2019 um mehr als 30 Prozent verbessert. Und der Anleihenha­ndel verbuchte ebenfalls ein Ertragsplu­s von einem Drittel.

Alles zusammen liefert aus Sewings Sicht genug Argumente dafür, dass der Vorstand wenigstens die Hälfte der für 2019 vertraglic­h zustehende­n Sonderzahl­ungen in Anspruch nimmt. Das sind rund 13 Millionen Euro. Man habe „die richtige Balance“gefunden aus Kostensenk­ung und adäquater Leistungsv­ergütung, glaubt Sewing. Die Hauptversa­mmlung habe das Vergütungs­system „mit überwältig­ender Mehrheit“beschlosse­n. Das mag stimmen. Aber wenn im Mai das Aktionärst­reffen der Bank stattfinde­t, wird es zum Thema Vorstandsb­oni mit Sicherheit auch ein paar andere Meinungen geben.

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