Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Große Pankok-ausstellung jetzt im Museum Voswinckelshof
Eindrucksvoll und Stoff zum Nachdenken: Kohlezeichnungen, Holzschnitte und Plastiken von Otto Pankok sind im Museum Voswinckelshof zu sehen.
DINSLAKEN (bes) Der Tag der Ausstellungsöffnung war mit Bedacht gewählt: Otto Pankok wurde an einem 6. Juni geboren. „127 Jahre, ein krummer Geburtstag“, gab Museumsleiter Peter Theißen am Samstag beim Rundgang im Voswinckelshof zu bedenken.
Aber hätte eine gerade Zahl wirklich zu diesen Bildern gepasst? Otto Pankok, das ist die wilde, ungebändigte Kraft der Linie, die Darstellung des Menschen und seiner inneren Bewegung. Es ist eine Linie, die den Bogen schlägt von großen Vorgängern in der Kunstgeschichte hin zu den heutigen Betrachtern, die Pankoks erzählerische Bildsprache mit einem Blick erfassen können.
Eine Linie, die den Kontakt zu den Außenseitern der Gesellschaft herstellt, nicht nur über soziale Grenzen, sondern über das größte Leid, das in der deutschen Geschichte über die Menschen gebracht wurde, hinweg. Pankoks Linie ist aus Kohle auf Papier gerieben oder mit dem harten Holz abgerungen. Aber sie zeigt das Immaterielle: Die Kraft der Natur, die Kraft der Persönlichkeit.
„Du sollst nur deinen Träumen trauen“, lautet der Titel der Ausstellung im Voswinckelshof mit 80 großformatigen Kohlezeichnungen, Holzschnitten und einigen Plastiken aus dem Bestand von Haus Esselt in Hünxe-drevenack, dem ehemaligen Wohnhaus des Künstlers und seiner Familie. Der Titel ist den „Zehn Geboten“entnommen, die Otto Pankok als Credo formulierte. Gezeigt wird ein Querschnitt aus allen Schaffensperioden, die Bilder hängen thematisch gegliedert. So ergeben sich interessante Querverweise, lassen sich Entwicklungen nachvollziehen und Leitlinien entdecken.
Otto Pankok, geboren am 6. Juni 1893 in Mülheim-saarn, gehörte zwar räumlich und zeitlich zum „Jungen Rheinland“, verfolgte aber seinen eigenen Weg. Jedoch formulierte er auch das Gebot „Du sollst dich vor dem persönlichen Stil hüten“. Wenn er einen Geiger über eine Landschaft mit Heuhaufen fliegen lässt, trifft Chagall Monet in der schwarz-weißen Welt des Otto Pankok.
Seine Kohlezeichnungen und Holzschnitte der Sinti aus dem Düsseldorfer Heinefeld sind Fortführungen der Porträts belgischer Bergarbeiter und holländischer Bauern von Vincent van Gogh, dessen dynamische Landschaften, Wolken und Sonnen der letzten Lebensjahre in Pankoks Spätwerk wie in einer Schwarz-weiß-kopie erscheinen. Und wenn Pankok seine „Passion“mit den Sinti des Heinefelds besetzt und im „Letzten Abendmahl“in ein von Jesus ausgehendes Licht taucht, zitiert er nicht nur Rembrandts Ausleuchtung: Der Niederländer fand sein Christus-modell in der jüdischen Gemeinde.
Pankok unternimmt solche Rückgriffe auf Künstler, die Schritte auf einem Weg getan haben, den er beharrlich weiter erkundete: ein Weg hin zum inneren Menschen. So wie er Farbe als „Radau“ablehnte, erfasste er mit der Linie den Charakter, die Stimmung, das Gefühl.
Pankok brauchte dafür die Menschen, die sich keine bürgerlichen Fassaden aufbauen konnten, um sich dahinter zu verstecken. Dass ihr Schicksal durch die Verfolgung und den Mord durch die Nationalsozialisten die Porträts um weitere Bedeutungsebenen aufladen sollten, war ja ursprünglich gar nicht absehbar. Erst mit Christus am Kreuz, dem er die Züge seines von der Gestapo gefolterten Künstlerfreundes Karl Schwesig gab, wurde Pankok zu dem politischen Menschenrechtler, dessen „Christus zerbricht das Gewehr“ikonisch wurde.
Es ist Pankoks Kunst, die Linie erzählen zu lassen. Ob bei Mensch oder Tier, es reichen ein paar geschwungene Striche und das Gegenüber auf dem Papier lebt. Leidet wie Christus im stummen Schrei, taxiert einen leicht spöttisch wie das Mädchen mit der Zigarette oder blickt mit Kulleraugen in die Welt wie die kleine Ehra mit den Manga-mädchen-struwelhaaren. Deshalb spricht Pankok gerade Jugendliche an, sie entschlüsseln seine Bilder wie Graphic Novels. Pankoks sprechende Linie: Sie führt auch direkt in die Gegenwart.