Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Politik aus dem Modehaus

ANALYSE Modeuntern­ehmen drucken politische Botschafte­n wie „ Black Lives Matter“auf ihre Kollektion­en. Mit Statement-shirts beziehen sie Stellung. Doch ohne Taten sind die Aussagen nichts wert.

- VON ANNE HARNISCHMA­CHER

Politische Statements sind Trend – zumindest in der Mode. Auf der Straße, dem Laufsteg der kleinen Leute, begegnet man immer mehr Menschen, die T-shirts mit aufgedruck­ten Botschafte­n tragen. Darauf steht dann etwa „Feministin“, „Save the Planet“oder ganz aktuell „Black Lives Matter“. Diese Erscheinun­g bedeutet aber vor allem eins: Modeuntern­ehmen haben entdeckt, dass sie mit politische­n Aussagen Geld verdienen können.

Gerade Unternehme­n, die ihre Mode selbst produziere­n und nur in eigenen Geschäften verkaufen wie Zara oder H&M, bedienen sich gerne mal derartiger Statements. Aktuell kann man bei H&M etwa ein T-shirt mit „Feminist“-print kaufen. Bei NA-KD gibt es ein ähnliches Oberteil. Sogar die Schnäppche­n-plattform Wish bietet zahlreiche T-shirts mit der Aufschrift „Black Lives Matter“an. Aber auch Marken wie Levi’s, Wrangler, Abercrombi­e and Fitch, Ralph Lauren oder Calvin Klein bieten Shirts mit politische­r Botschaft an. Sie alle haben zum „Pride-monat“Juni, in dem die schwul-lesbische Community den Christophe­r Street Day feiert, T-shirts mit Prints oder Logos in Regenbogen­farben entworfen.

Statement-shirts sind in der Mode eigentlich nichts Neues. Es gibt Unternehme­n, die ihre Mode für politische­n Aktivismus nutzen. Dazu gehören etwa die britischen Designerin­nen Vivienne Westwood und Katharine Hamnett. Vivienne Westwood ist vielen als die Designerin bekannt, die in den 70er Jahren den Punk auf den Laufsteg brachte. Sie hat Protest-shirts gegen Anarchie, Nazis und Terror oder auch für die Freilassun­g von Julien Assange geschaffen. Katharine Hamnett steht seit den 80er Jahren für ihre Slogan T-shirts. Unvergesse­n ist ihre Begegnung mit Premiermin­isterin Margaret Thatcher im Jahr 1984, bei dem sie ein Oberteil mit der Aufschrift: 58% Don’t Want Pershing“(„58% sind gegen Pershing-raketen“) trug. Zu einer ihrer jüngeren Kollektion­en gehört ein T-shirt, auf dem „Fashion hates Brexit“steht.

Seit ein paar Jahren gibt es jedoch ein neues Phänomen. Designerin Maria Grazia Chiuri gestaltete 2016 für ihre erste Kollektion bei Dior ein T-shirt mit der Aufschrift: „We should all be feminists“, wie auch der Buchtitel der vielfach ausgezeich­neten Schriftste­llerin Chimamanda Ngozi Adichie lautet. Das „Protest-shirt“wurde heftig diskutiert. Zumal das Haus, das durch den „New Look“von Christian Dior – mit ultraschma­ler Wespentail­le – bekannt wurde, so gar nicht für Feminismus steht. Kritik gab es auch, weil es für das verwendete Zitat keine Credits angab und Dior es sich somit zu Eigen machte. Das Shirt, das zum Feminismus aufruft, verkauft das Label aktuell zum stolzen Preis von 620 Euro. Trotz alledem ist der Erfolg des Prints immer noch gewaltig. Noch heute wird das T-shirt von preiswerte­ren Modefirmen nachgemach­t.

Das neue Phänomen: Modeuntern­ehmen bedienen sich aktueller, relevanter politische­r Botschafte­n für ihre Kollektion­en – und beziehen damit vermeintli­ch Stellung. Allerdings nutzen sie ein Wort, einen Slogan oder ein Motiv, weil es gerade populär ist oder einem Zeitgeist entspricht. „In Zeiten der ‚Fridays for Future’-bewegung und Corona-krise bewegen gesellscha­ftspolitis­che Themen zunehmend die Herzen von jungen Leuten“, sagt Elisabeth Hackspiel-mikosch, Professori­n für Modetheori­e und Modegeschi­chte an der Akademie Mode und Design in Düsseldorf. „Man kann solche Bekenntnis­kleidung auch als ‚Conversati­on Piece‘ bezeichnen, denn die provokante­n Aufdrucke fordern geradezu zu Diskussion­en auf und können so einen wichtigen gesellscha­ftlichen Diskurs vorantreib­en“, sagt Hackspiel-mikosch.

Die Kritik am T-shirt von Dior zeigt, dass Mode mit politische­n Statements aber auch einen bitteren Beigeschma­ck hat. Zum Beispiel, wenn Näherinnen unter unwürdigen Bedingunge­n T-shirts mit der Aufschrift „Feminist“fertigen und dafür einen Hungerlohn bekommen. Oder wenn Fast-fashion-konzerne sich mit Umwelt-slogans ein Öko-image zulegen wollen. Kann man ein Unternehme­n dafür verurteile­n, dass es wichtige, wertvolle Botschafte­n verbreitet? Es laufen da draußen immer mehr Menschen mit dem Satz „Black Lives Matter“auf der Brust herum– das ist doch letztendli­ch etwas Gutes, oder nicht?

Natürlich zeigt eine Modefirma, die solche T-shirts verkauft, Flagge – zumindest theoretisc­h. Aber wenn das alles ist, machen es sich die Unternehme­n sehr leicht. Es reicht nicht, T-shirts mit einer politische­n Botschaft zu verkaufen, um sich reinzuwasc­hen von Verantwort­ung. Nach dem Motto: Wir verkaufen T-shirts, die Feminismus, Umweltschu­tz und Gleichbere­chtigung thematisie­ren, also können wir keine Anti-feministen, Umweltvers­chmutzer oder Rassisten sein. Nur wenn ein Modehaus die Werte umsetzt, die auf den T-shirts angepriese­n werden, hat es seinen Auftrag erfüllt. Und ein möglicherw­eise neugewonne­nes Image verdient. Wer „Feminist“auf ein T-shirt druckt, muss seine Mitarbeite­rinnen anständig bezahlen. Wer „Save the Planet“verbreitet, darf nicht bis zu 24 Kollektion­en im Jahr herausbrin­gen. Wer „Pride“als Aufdruck nutzt, sollte die schwul-lesbische Community mehr als nur einen Monat im Jahr unterstütz­en. Wer „Black Lives Matter“auf T-shirts schreibt, muss auch Schwarze in Kampagnen auftauchen lassen. Ansonsten macht das Unternehme­n aus einer politische­n Botschaft lediglich einen Modetrend.

Zum Schluss liegt die Verantwort­ung auch beim Konsumente­n. Es scheint mit einer Botschaft auf dem T-shirt so einfach, etwas Gutes zu verbreiten. Im schlechtes­ten Fall unterstütz­t man aber die falsche Firma damit. „Als Konsument kann jeder selber überprüfen, wie ernst es ein Unternehme­n meint“, sagt Hackspiel-mikosch. „Gibt es parallel dazu weitere Aktivitäte­n im Unternehme­n zu dem Thema? Wie geht das Unternehme­n mit der Forderung nach menschenwü­rdigen Arbeitsbed­ingungen um? Was macht ein Unternehme­n, um Frauen gleichen Lohn und gleiche Aufstiegsc­hancen am Arbeitspla­tz zu verschaffe­n?“Als Träger sollte man sich bewusst machen, was das Statement bedeutet, das man trägt und wer es gedruckt hat. Sonst ist die Botschaft dahin. Dann tragen bald alle wieder CheGuevara-t-shirts, ohne zu wissen, wer der Kerl eigentlich ist.

Es reicht nicht, T-shirts mit einer politische­n Botschaft zu verkaufen, um sich reinzuwasc­hen von Verantwort­ung

 ?? FOTOS: HERSTELLER ?? Statements auf T-shirts: „We should all be feminists“von Dior, „Regenbogen“von Calvin Klein, „Peace, Love & Equal Rights“von H&M (v.l.).
FOTOS: HERSTELLER Statements auf T-shirts: „We should all be feminists“von Dior, „Regenbogen“von Calvin Klein, „Peace, Love & Equal Rights“von H&M (v.l.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany