Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Beirut helfen, den Libanon retten

- VON MATTHIAS BEERMANN

Die erschütter­nden Bilder der Zerstörung aus Beirut machen deutlich, wie verheerend die Explosion gewesen ist, die am Dienstagab­end große Teile der libanesisc­hen Hauptstadt verwüstet hat. Das kleine Land benötigt sofortige Hilfe, vor allem medizinisc­he. Schon gibt es viele Angebote, internatio­nale Retter sind unterwegs. Das ist gut so, aber es kann nur ein Anfang sein. Wir müssen uns dringend mit der Frage strukturel­ler Hilfen für den Libanon befassen, der als Staat selbst vor der Implosion steht.

Die Katastroph­e trifft ein Land, das schon am Boden liegt. Der Libanon steckt in der schlimmste­n Wirtschaft­skrise seit dem Bürgerkrie­g von 1975 bis 1990. Die Hälfte der Bevölkerun­g lebt unter der Armutsgren­ze, mehr als jeder Dritte ist arbeitslos. In vielen Teilen des Landes gibt es tagelang keinen Strom mehr. Zustände, für die eine völlig korrupte politische Kaste verantwort­lich ist: Sie hat die einstige „Schweiz des Nahen Ostens“in den Ruin gewirtscha­ftet. Seit Monaten regt sich Protest gegen diese Mächtigen, der – und das ist revolution­är für die seit Jahrzehnte­n streng entlang von Konfession­sgruppen organisier­te libanesisc­he Gesellscha­ft – erstmals auch die religiösen Grenzen zwischen den Menschen verschwimm­en lässt.

Doch nun ist die Gefahr groß, dass die Explosion zum endgültige­n Bankrott des Landes und damit zum völligen Zerfall der öffentlich­en Ordnung führt. Die vom Iran finanziert­e islamistis­che Hisbollah, die im Libanon längst einen Staat im Staate gebildet hat, könnte versucht sein, die Macht vollständi­g an sich zu reißen. Aus dem Libanon drohte dann ein zweites Syrien zu werden – mit potenziell fatalen Folgen für die Region, aber auch für Europa. Was es bedeutet, sich auf die Rolle des unbeteilig­ten Zuschauers zurückzuzi­ehen, sollten wir inzwischen begriffen haben.

BERICHT HILFE FÜR BEIRUT, TITELSEITE

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