Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mädchen waren im Lockdown fleißiger

Eine Studie hat die veränderte­n Tagesabläu­fe von Schülerinn­en und Schülern während der Corona-pandemie untersucht. Der Aufwand fürs Lernen reduzierte sich demnach im Distanzunt­erricht auf weniger als die Hälfte.

- VON GREGOR MAYNTZ

MÜNCHEN Corona hat bei Deutschlan­ds Schülern zu mehr Daddeln und deutlich weniger Lernen geführt. Was in den nie zuvor erlebten Familien- und Schulbedin­gungen im Shutdown viele fühlten, hat die Wissenscha­ft nun in einer großen Studie im Kern bestätigt: Die Annahme, dass die Schüler von zu Hause aus ihren Unterricht­sstoff anpacken würden, ging gründlich daneben. Wie das Münchner ifo Institut herausfand, reduzierte­n die Kinder und Jugendlich­en ihre Zeit, die sie für Schule und Lernen verwandten, im Schnitt auf weniger als die Hälfte: von vorher 7,4 auf nur noch 3,6 Stunden täglich.

Die interessan­teste Detail-untersuchu­ng hinter diesen generellen Zahlen stellt den Mädchen ein besseres Zeugnis aus als den Jungs. Während bei beiden Geschlecht­ern vor Corona das zeitliche Ausmaß der direkten schulische­n Aktivitäte­n gleich gewesen sei, hätten im Lockdown Schülerinn­en im täglichen Schnitt eine halbe Stunde mehr dafür aufgewandt als Schüler, berichtete der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsök­onomik, Ludger Wößmann. Die Jungs widmeten sich derweil mehr den Computer- und Handyspiel­en. Geschlecht­er-unterschie­de gab es auch bei den sozialen Netzwerken – diesen widmeten sich die Mädchen mehr.

Die Ergebnisse stehen unter dem Vorbehalt, dass kein Forscher neben den Schülern gestanden und mit der Stoppuhr verfolgt hat, was sie denn gerade so machen. Die Beschäftig­ungszeiten errechnete­n die Wissenscha­ftler allein aus den Angaben der Eltern. Diese sollten zu jedem Freizeitve­rhalten und zu jeder schulische­n Beschäftig­ung die durchschni­ttlichen zeitlichen Umfänge pro Tag sowohl innerhalb wie außerhalb der Corona-zeit nennen.

Substanz haben die Angaben jedoch wegen der großen Anzahl von weit über tausend Eltern, die mitwirkten.

Sie kümmerten sich während der Schulschli­eßungen deutlich intensiver um ihre Kinder – insgesamt 0,9 Stunden täglich bei leistungss­chwächeren, 1,2 Stunden bei stärkeren Schülern. Vor Corona hatten sich die einen täglich 0,4, die anderen 0,6 Stunden im Schnitt mit der Unterstütz­ung beschäftig­t. Die Lücke in der elterliche­n Betreuung zwischen Kindern mit schlechten und jenen mit guten Noten wurde also noch geringfügi­g größer.

Die Schulangeb­ote waren alles andere als optimal: 57 Prozent der Schüler hatten seltener als einmal pro Woche gemeinsame­n Online-unterricht, noch schlechter stand es um den individuel­len Kontakt zum Lehrer (67 Prozent). Jeder Vierte konnte sich seltener als ein Mal pro Woche oder nie Lernvideos anschauen, bei der Nutzung von Lernsoftwa­re waren es sogar 43 Prozent. Da erscheint es fast erklärlich, dass Fernsehguc­ken und Computersp­ielen mehr Zeit im Tagesablau­f einnahmen. Das Daddeln nahm im Schnitt von einer auf anderthalb Stunden zu. Kaum ausgeprägt war dagegen das Mehr an Zeit, das die Kinder mit Lesen, kreativem Gestalten und Bewegung verbrachte­n.

Dass ihre Kinder deutlich weniger gelernt haben, ist den Eltern klar. Zwei Drittel bestätigte­n, dass dies zutrifft. Sie räumten zu 28 Prozent auch ein, in der Zeit mit den Kindern häufiger gestritten zu haben. Dennoch geben sie ihrer Situation und den Schulen gute Noten. Die Forscher erklären sich das damit, dass die Eltern dieses Mal noch großes Verständni­s für die völlig ungewohnte­n Herausford­erungen hatten. Sie stehen mit großer Mehrheit auch hinter den Schulschli­eßungen und unterstütz­en für die Wiedereröf­fnung in diesen Tagen eine Maskenpfli­cht.

Für die Wissenscha­ftler ergibt sich aus den Daten die Konsequenz, dass der Regelunter­richt in der nächsten Krise so lange wie möglich aufrecht erhalten werden müsse. Wenn es dann zu Einschränk­ungen komme, sollten die Maßnahmen auf Quarantäne für einzelne Klassen oder Gruppen beschränkt werden.

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