Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Was Lebensmittel-siegel aussagen
Experten und Verbraucherschützer schätzen, dass es bis zu tausend verschiedene solcher Label gibt. Sie kritisieren, das seien viel zu viele. Den Konsumenten sei nicht mit allen beim Einkaufen geholfen.
DÜSSELDORF Viele Produkte im Supermarkt sind voller bunter Symbole. Die Label oder Siegel, wie diese Zusatzhinweise heißen, weisen Verbraucher auf nützliche Informationen hin. Das sind oft solche Eigenschaften, die Konsumenten sonst nicht einsehen können. So gut das klingt, es gibt eine Menge zu beachten – und auch kritische Stimmen.
Wie viele Siegel gibt es? Genaue Zahlen gibt es nicht. Die Verbraucherinitiative geht von über 1.000 Labels in Deutschland aus. „Die meisten dürften Lebensmittel-siegel sein“, sagt Sprecher Georg Abels. Für Achim Spiller, Professor am Lehrstuhl „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“an der Uni Göttingen, sind zu viele Label auf dem Markt. Er spricht von einer „Siegelüberflutung“. „Es ist für Konsumenten nicht leicht, verlässliche Label von solchen zu unterscheiden, wo wenig hinter steckt“, sagt er.
Welche Arten von Siegeln gibt es? Es gibt Öko-label, die besondere Umwelteigenschaften von Produkten kennzeichnen, Nachhaltigkeitslabel sowie Regionalzeichen, die Verbraucher signalisieren, dass ein Produkt aus einer bestimmten Region kommt. Nur sehr wenige davon basieren auf einer rechtlichen Grundlage – wie etwa das Eu-bio-logo, das seit dem 1. Juli 2010 auf allen verpackten Bioprodukten, die innerhalb der EU hergestellt werden, abgebildet werden muss. Die allermeisten Siegel – auch viele der bekanntesten – werden von den Herstellern freiwillig auf ihre Waren gedruckt. Dafür unterziehen sie ihren Produkten eine zuvor definierte Prüfung oder verpflichten sich zu einer bestimmten Herstellung.
Was sind die relevantesten Siegel? Umfragen zeigen, dass die Label „Blauer Engel“, das Bio- und das Fairtrade-siegel am bekanntesten sind. Für Verbraucher sind auch die Zeichen der ökologischen Anbauverbände (z. B. Bioland, Naturland oder Demeter) sowie das Msc-siegel für nachhaltige Fischerei bedeutsam. „Wobei Bekanntheit nicht automatisch auch Nachfrage heißt“, stellt Georg Abels von der Verbraucherinitiative klar. Zudem sind auf vielen Lebensmitteln weitere Label abgedruckt, darunter das grüne Symbol „Ohne Gentechnik“(über 12.000 Produkte), das Regionalfenster, das bundesweit regionale Produkte kennzeichnet (etwa 4600 Produkte) oder das Qs-prüfzeichen für Lebensmittel (über 100.000 Produkte).
Was bringen Siegel dem Verbraucher? Sie sind ein Rat für Konsumenten beim Einkauf und bieten laut Verbraucherinitiative eine „Orientierung im Dschungel der Warenwelt“. Sie erleichtern es darüber hinaus auch, sich etwa bewusst für biologisch produzierte, vegetarische oder vegane Lebensmittel zu entscheiden. Verbraucherschützer geben zudem an, dass Siegel bei Konsumenten Qualitätserwartungen hervorrufen und daher gerne zu Werbezwecken eingesetzt werden. Dass Siegel Verbraucher davon überzeugen können, ein Produkt zu kaufen, weiß auch Achim Spiller. Doch das ist nicht immer der Fall. „Umfragen zeigen, dass Label für Konsumenten zwar wichtig sind, aber in ihrer Kaufentscheidung noch keine große Rolle spielen, da sie nicht durchblicken“, sagt der Professor.
„Wir brauchen die Label, nur so können Verbraucher Vertrauen in bestimmte Produkte gewinnen“, ist sich Spiller dennoch sicher. „Sie müssen nur besser gemacht werden“. Es sollten deutlich weniger und dafür mehr staatliche Label mit eindeutigen und bekannten Kriterien etabliert werden. Auch dass es viele Label für einen Bereich gibt (z. B. Bio oder Fairtrade), verwirre Konsumenten. Die Verbraucherzentrale kritisiert hingegen, dass die Kriterien, um ein Label vergeben zu bekommen, teilweise nicht über die ohnehin schon gesetzlich vorgeschriebenen Regeln hinausgingen. Ein weiteres großes Problem: Begriffe wie „Tierwohl“oder „regional“sind nicht geschützt. „Das öffnet der Täuschung von Verbrauchern natürlich Tür und Tor“, sagt Spiller.
Mit der Online-plattform „label-online“versucht die Verbraucherinitiative die Transparenz für
Konsumenten zu erhöhen. Dort werden Siegel anhand dessen bewertet, welchen Anspruch sie formulieren, wie unabhängig ihre Vergabe ist, welche Kontrollen vorgesehen sind und wie transparent dieser Prozess für Verbraucher ist. Ähnliche Kriterien formuliert auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, damit Siegel zu einer informierten Kaufentscheidung beitragen. Das Fazit: Die relevantesten Siegel schneiden allesamt gut ab. Manche häufige Label werden jedoch nur eingeschränkt empfohlen. So zum Beispiel das Siegel „Dlg-prämiert“, das auf jährlich über 30.000 Test von Lebensmitteln zurückgeht, bei dem Mängel bei der Unabhängigkeit und Kontrolle festgestellt werden.