Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Hausärzte fürchten Lehrer-ansturm
Ab Montag sollen sich Lehrer alle zwei Wochen freiwillig auf das Virus testen lassen – im Wechsel mit Kita-personal. Doch das ist problematisch. Praxen drohe die Überlastung, kritisieren Hausärzteverband und Lehrer-gewerkschaft.
DÜSSELDORF Wenn in der kommenden Woche der sogenannte „angepasste Schulbetrieb in Corona-zeiten“startet, dürfen sich Lehrer alle 14 Tage anlasslos und freiwillig auf das Virus testen lassen. Die Rahmenbedingungen hat das Schulministerium in dieser Woche bekanntgegeben. Demnach sollen die Tests außerhalb der Arbeitszeiten stattfinden, die Kosten werden vom Land übernommen. Auch Kita-personal fällt unter diese Regelung. Anlaufstelle sind laut Gesundheitsministerium insbesondere die Hausärzte. Um eine Überlastung der Praxen zu vermeiden, sollen Lehrer und Erzieher jeweils im Wochenwechsel das Angebot nutzen. Das Kita-personal hat in dieser Woche den Anfang gemacht, ab Montag sind die Lehrer dran. Was sich im Vorfeld zunächst einfach anhört, sorgt bei vielen Beteiligten für Unmut.
So ist der Hausärzteverband Nordrhein skeptisch, was Abläufe, Organisation und Abrechnung der Tests betrifft. „Ganz viel ist noch ungeklärt“, sagt Verbandssprecherin Monika Baaken. In einigen Regionen gebe es Mediziner, die sich weigerten, Tests durchzuführen. Klar sei, dass auf die niedergelassenen Ärzte eine zusätzliche hohe Arbeitsbelastung zukomme, was mancherorts zu Ärger führe. „Das ist vom Ministerium weder richtig durchdacht noch richtig geplant“, sagt Baaken.
Neben den Hausärzten ist der Besuch eines der von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) betriebenen Testzentren möglich. Jeder, der sich testen lassen will, muss eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorlegen. Die Gesundheitsämter sind nicht zuständig. Sie sind weiterhin Anlaufstelle für Menschen mit Symptomen, organisieren Reihentestungen und verfolgen Kontakte zurück.
Die Testung des Kita-personals ist unterschiedlich angelaufen. In Köln waren es diese Woche bis Mittwoch 1300 Getestete, Mönchengladbach registrierte einen verhaltenen Zuspruch, Krefeld „keinen großen Ansturm“. Der Rhein-kreis Neuss sieht eine hohe Nachfrage, die Stadt Münster und der Kreis Heinsberg ebenso. Für Reiserückkehrer habe man daher dort die Kommunale Abstrichstelle geöffnet. Dennoch meldeten sich viele Arztpraxen, um mitzuteilen, dass das Testen im Praxisbetrieb nicht geleistet werden könne. Auch in Duisburg, so die Stadt, würden vermehrt Anrufer von den Hausärzten an das Gesundheitsamt verwiesen.
Für Maike Finnern, Nrw-vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), bestätigt
das ihre Zweifel am Prozedere. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass für Lehrer die Möglichkeit geschaffen werde, sich testen zu lassen. „Das Problem dabei ist die Umsetzung“, sagt sie. So hätten es in dieser Woche bereits einige Ärzte abgelehnt, Kita-personal zu testen, weil es noch keine Finanzierungszusage seitens des Landes gebe. Dies müsse unbedingt bis kommende Woche geregelt werden. Zudem würden wohl weit mehr als die erwarteten 20 Prozent der Lehrer einen freiwilligen Test in Anspruch nehmen. Bei rund 180.000 Lehrern plus etwa 20.000 Menschen, die in der Schulverwaltung arbeiten, könnte das einen eklatanten Unterschied machen. „Es ist zu befürchten, dass
Praxen mit der Nachfrage überlastet werden“, sagt Finnern. Zumal die Lehrer sich außerhalb ihrer Dienstzeiten testen lassen müssen – was für die meisten wohl bedeutet, auf die Nachmittagssprechstunden auszuweichen.
Im Gesundheitsministerium sieht man zunächst keinen Anlass, eine Überforderung der niedergelassenen Ärzte anzunehmen. Um dies zu vermeiden, sei der 14-tägige Wechsel mit den Kita-beschäftigten vorgesehen, sagt Sprecherin Miriam Skroblies. „Wir regen an, bereits in dieser Woche einen Termin für eine Testung in der kommenden Woche zu vereinbaren.“Das Ministerium beobachte zudem das Testgeschehen fortlaufend, um – falls notwendig – weitere Maßnahmen vorzunehmen. Über die Finanzierung seien die Ärzte bereits im Vorfeld von ihrer jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) informiert worden. Skroblies: „Dazu wurde ein Rahmenvertrag mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die Vergütung der Testung geschlossen.“
Das bestätigt auch die KVNO. Oberste Priorität in den Praxen sei weiterhin die Versorgung der kranken Patienten, sagt Sprecher Christoph Schneider. „In vielen Regionen konsolidieren sich darüber hinaus derzeit ,Corona-netzwerke‘, in denen Praxen untereinander die Entnahme von Abstrichen in Praxen koordinieren“, so Schneider. Auch die KVNO erarbeite derzeit ein Online-tool, in das sich Abstrichpraxen aus dem Rheinland eintragen können. Diese Liste soll in den kommenden Tagen über www.kvno.de abrufbar sein und mögliche Anlaufstellen benennen. Erste Anlaufstelle seien auf jeden Fall Haus- und Fachärzte, aber auch in den Diagnostikund Testzentren der KVNO könnten Abstriche genommen werden.
Um den erhöhten Testbedarf zu bewältigen, haben sich einige Städte mit den KV darauf eingestellt und die Kapazitäten erhöht. „Es ist von rund 9000 Mitarbeitenden an Schulen und Kitas auszugehen, die einen Anspruch auf einen Corona-test haben“, erklärt die Stadt Duisburg. Sollte der Hausarzt den Test nicht durchführen können, sei er auch im Zentrum Theater am Marientor ( TAM) möglich. Die Stadt Düsseldorf baut ihre eigenen Testkapazitäten aus. Auch über die Corona-hotline der Stadt erhalten Beschäftigte aus Kindertagestätten und Schulen sowie Reiserückkehrer Zugang zu einem Test. An der Mitsubishi Electric Halle werden die bisherige Diagnosepraxis und das Drive-in vergrößert. So sollen die Tests dort von 300 auf rund 2000 täglich hochgefahren werden. Mit mobilen Teams könnten bis zu 800 zusätzliche Tests auch vor Ort durchgeführt werden.
In Mönchengladbach sind es laut Angaben der Stadt 6500 Beschäftigte mit Test-anspruch. Zurzeit, so ein Sprecher, arbeite man noch an einer Positivliste mit Kontaktadressen für Menschen, die von ihrem Hausarzt abgewiesen werden. Allerdings geht am 10. August in Mönchengladbach ein weiteres Abstrichzentrum in Betrieb, das in einem Medizinischen Labor zur Entlastung der Arztpraxen eingerichtet wird. Die Stadt Krefeld erklärt, es gebe Testmöglichkeiten im vom Deutschen Roten Kreuz betriebenen Diagnosezentrum wie auch bei den Hausärzten. „Einige niedergelassene Ärzte bieten den Einrichtungen an, Abstriche vor Ort durchzuführen.“Der Einsatz eines mobilen Teams werde noch geprüft.
Grundsätzlich seien keine mobilen Teams geplant, die an Schulen gehen, heißt es sowohl bei der KVNO als auch aus dem Gesundheitsministerium. Skroblies: „Wenn Ärzte dazu bereit sind, Testungen in der Schule vorzunehmen, können diese dort erfolgen. Dies kann individuell zwischen dem Schulträger und einem Arzt vereinbart werden.“
Da die Tests freiwillig sind, besteht für alle Lehrer grundsätzlich Anwesenheitspflicht. Angehörige von Risikogruppen benötigen ein neues ärztliches Attest, um vom Präsenzunterricht befreit zu werden.
„Wir regen an, bereits in dieser Woche einen Termin für eine Testung zu vereinbaren“Miriam Skroblies Nrw-gesundheitsministerium