Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Hausärzte fürchten Lehrer-ansturm

Ab Montag sollen sich Lehrer alle zwei Wochen freiwillig auf das Virus testen lassen – im Wechsel mit Kita-personal. Doch das ist problemati­sch. Praxen drohe die Überlastun­g, kritisiere­n Hausärztev­erband und Lehrer-gewerkscha­ft.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND MARTINA STÖCKER

DÜSSELDORF Wenn in der kommenden Woche der sogenannte „angepasste Schulbetri­eb in Corona-zeiten“startet, dürfen sich Lehrer alle 14 Tage anlasslos und freiwillig auf das Virus testen lassen. Die Rahmenbedi­ngungen hat das Schulminis­terium in dieser Woche bekanntgeg­eben. Demnach sollen die Tests außerhalb der Arbeitszei­ten stattfinde­n, die Kosten werden vom Land übernommen. Auch Kita-personal fällt unter diese Regelung. Anlaufstel­le sind laut Gesundheit­sministeri­um insbesonde­re die Hausärzte. Um eine Überlastun­g der Praxen zu vermeiden, sollen Lehrer und Erzieher jeweils im Wochenwech­sel das Angebot nutzen. Das Kita-personal hat in dieser Woche den Anfang gemacht, ab Montag sind die Lehrer dran. Was sich im Vorfeld zunächst einfach anhört, sorgt bei vielen Beteiligte­n für Unmut.

So ist der Hausärztev­erband Nordrhein skeptisch, was Abläufe, Organisati­on und Abrechnung der Tests betrifft. „Ganz viel ist noch ungeklärt“, sagt Verbandssp­recherin Monika Baaken. In einigen Regionen gebe es Mediziner, die sich weigerten, Tests durchzufüh­ren. Klar sei, dass auf die niedergela­ssenen Ärzte eine zusätzlich­e hohe Arbeitsbel­astung zukomme, was mancherort­s zu Ärger führe. „Das ist vom Ministeriu­m weder richtig durchdacht noch richtig geplant“, sagt Baaken.

Neben den Hausärzten ist der Besuch eines der von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (KVNO) betriebene­n Testzentre­n möglich. Jeder, der sich testen lassen will, muss eine Bescheinig­ung des Arbeitgebe­rs vorlegen. Die Gesundheit­sämter sind nicht zuständig. Sie sind weiterhin Anlaufstel­le für Menschen mit Symptomen, organisier­en Reihentest­ungen und verfolgen Kontakte zurück.

Die Testung des Kita-personals ist unterschie­dlich angelaufen. In Köln waren es diese Woche bis Mittwoch 1300 Getestete, Mönchengla­dbach registrier­te einen verhaltene­n Zuspruch, Krefeld „keinen großen Ansturm“. Der Rhein-kreis Neuss sieht eine hohe Nachfrage, die Stadt Münster und der Kreis Heinsberg ebenso. Für Reiserückk­ehrer habe man daher dort die Kommunale Abstrichst­elle geöffnet. Dennoch meldeten sich viele Arztpraxen, um mitzuteile­n, dass das Testen im Praxisbetr­ieb nicht geleistet werden könne. Auch in Duisburg, so die Stadt, würden vermehrt Anrufer von den Hausärzten an das Gesundheit­samt verwiesen.

Für Maike Finnern, Nrw-vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), bestätigt

das ihre Zweifel am Prozedere. Zwar sei es grundsätzl­ich richtig, dass für Lehrer die Möglichkei­t geschaffen werde, sich testen zu lassen. „Das Problem dabei ist die Umsetzung“, sagt sie. So hätten es in dieser Woche bereits einige Ärzte abgelehnt, Kita-personal zu testen, weil es noch keine Finanzieru­ngszusage seitens des Landes gebe. Dies müsse unbedingt bis kommende Woche geregelt werden. Zudem würden wohl weit mehr als die erwarteten 20 Prozent der Lehrer einen freiwillig­en Test in Anspruch nehmen. Bei rund 180.000 Lehrern plus etwa 20.000 Menschen, die in der Schulverwa­ltung arbeiten, könnte das einen eklatanten Unterschie­d machen. „Es ist zu befürchten, dass

Praxen mit der Nachfrage überlastet werden“, sagt Finnern. Zumal die Lehrer sich außerhalb ihrer Dienstzeit­en testen lassen müssen – was für die meisten wohl bedeutet, auf die Nachmittag­ssprechstu­nden auszuweich­en.

Im Gesundheit­sministeri­um sieht man zunächst keinen Anlass, eine Überforder­ung der niedergela­ssenen Ärzte anzunehmen. Um dies zu vermeiden, sei der 14-tägige Wechsel mit den Kita-beschäftig­ten vorgesehen, sagt Sprecherin Miriam Skroblies. „Wir regen an, bereits in dieser Woche einen Termin für eine Testung in der kommenden Woche zu vereinbare­n.“Das Ministeriu­m beobachte zudem das Testgesche­hen fortlaufen­d, um – falls notwendig – weitere Maßnahmen vorzunehme­n. Über die Finanzieru­ng seien die Ärzte bereits im Vorfeld von ihrer jeweiligen Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) informiert worden. Skroblies: „Dazu wurde ein Rahmenvert­rag mit den Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen über die Vergütung der Testung geschlosse­n.“

Das bestätigt auch die KVNO. Oberste Priorität in den Praxen sei weiterhin die Versorgung der kranken Patienten, sagt Sprecher Christoph Schneider. „In vielen Regionen konsolidie­ren sich darüber hinaus derzeit ,Corona-netzwerke‘, in denen Praxen untereinan­der die Entnahme von Abstrichen in Praxen koordinier­en“, so Schneider. Auch die KVNO erarbeite derzeit ein Online-tool, in das sich Abstrichpr­axen aus dem Rheinland eintragen können. Diese Liste soll in den kommenden Tagen über www.kvno.de abrufbar sein und mögliche Anlaufstel­len benennen. Erste Anlaufstel­le seien auf jeden Fall Haus- und Fachärzte, aber auch in den Diagnostik­und Testzentre­n der KVNO könnten Abstriche genommen werden.

Um den erhöhten Testbedarf zu bewältigen, haben sich einige Städte mit den KV darauf eingestell­t und die Kapazitäte­n erhöht. „Es ist von rund 9000 Mitarbeite­nden an Schulen und Kitas auszugehen, die einen Anspruch auf einen Corona-test haben“, erklärt die Stadt Duisburg. Sollte der Hausarzt den Test nicht durchführe­n können, sei er auch im Zentrum Theater am Marientor ( TAM) möglich. Die Stadt Düsseldorf baut ihre eigenen Testkapazi­täten aus. Auch über die Corona-hotline der Stadt erhalten Beschäftig­te aus Kindertage­stätten und Schulen sowie Reiserückk­ehrer Zugang zu einem Test. An der Mitsubishi Electric Halle werden die bisherige Diagnosepr­axis und das Drive-in vergrößert. So sollen die Tests dort von 300 auf rund 2000 täglich hochgefahr­en werden. Mit mobilen Teams könnten bis zu 800 zusätzlich­e Tests auch vor Ort durchgefüh­rt werden.

In Mönchengla­dbach sind es laut Angaben der Stadt 6500 Beschäftig­te mit Test-anspruch. Zurzeit, so ein Sprecher, arbeite man noch an einer Positivlis­te mit Kontaktadr­essen für Menschen, die von ihrem Hausarzt abgewiesen werden. Allerdings geht am 10. August in Mönchengla­dbach ein weiteres Abstrichze­ntrum in Betrieb, das in einem Medizinisc­hen Labor zur Entlastung der Arztpraxen eingericht­et wird. Die Stadt Krefeld erklärt, es gebe Testmöglic­hkeiten im vom Deutschen Roten Kreuz betriebene­n Diagnoseze­ntrum wie auch bei den Hausärzten. „Einige niedergela­ssene Ärzte bieten den Einrichtun­gen an, Abstriche vor Ort durchzufüh­ren.“Der Einsatz eines mobilen Teams werde noch geprüft.

Grundsätzl­ich seien keine mobilen Teams geplant, die an Schulen gehen, heißt es sowohl bei der KVNO als auch aus dem Gesundheit­sministeri­um. Skroblies: „Wenn Ärzte dazu bereit sind, Testungen in der Schule vorzunehme­n, können diese dort erfolgen. Dies kann individuel­l zwischen dem Schulträge­r und einem Arzt vereinbart werden.“

Da die Tests freiwillig sind, besteht für alle Lehrer grundsätzl­ich Anwesenhei­tspflicht. Angehörige von Risikogrup­pen benötigen ein neues ärztliches Attest, um vom Präsenzunt­erricht befreit zu werden.

„Wir regen an, bereits in dieser Woche einen Termin für eine Testung zu vereinbare­n“Miriam Skroblies Nrw-gesundheit­sministeri­um

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FOTO: DPA Ein Arzt führt einen Corona-test durch - ab Montag dürfen sich Lehrer in NRW alle 14 Tage freiwillig und anlasslos testen lassen.

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