Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Lufthansa bereitet Kündigungen vor
Weil Gewerkschaften erhoffte Sparkonzepte weiter bremsen, droht der Vorstand mit betriebsbedingten Entlassungen. Global schwächelt der Flugverkehr sehr, aber das Geschäft mit Eurowings in Düsseldorf sieht der Konzern positiv.
DÜSSELDORF Showdown bei Lufthansa: Beim größten Luftfahrtkonzern Europas droht der Vorstand mit Kündigungen im Heimatmarkt. Es sei nicht mehr realistisch, auf einen so harten Schritt zu verzichten, sagte Lufthansa-chef Carsten Spohr vor der Presse. Ähnlich äußerte er sich in einem Brief an die Belegschaft. Einerseits wachse der Flugverkehr insbesondere auf der Langstrecke derartig niedrig, dass nun erst 2024 wieder Verkehrszahlen wie 2019 zu erwarten seien. Andererseits ist es dem Management noch immer nicht gelungen, avisierte Sparpakete mit den Gewerkschaften fest zu vereinbaren. „Wir wollen noch immer keine Kündigungen“, sagte Spohr, „aber ich kann mir nicht ganz vorstellen, dass wir darauf verzichten.“
Der Konzern habe alleine 800 Piloten zu viel an Bord ergänzte der Lufthansa-chef, der selbst einen Pilotenschein hat. Beim Abbau des Personals sei man fast nur im Ausland vorangekommen, so dass die Belegschaft um rund 8300 Beschäftigte auf 129.400 gesunken sei.
In Deutschland, wo 11.000 der 22.000 zur Dispositionen stehenden Stellen angesiedelt sind, gibt es dagegen noch immer keine verbindlichen Abkommen über sinkende Kosten, um im Gegenzug auf Kündigungen zu verzichten.
Am Tag der Hauptversammlung am 25. Juni hatte das Unternehmen noch signalisiert, Gespräche mit den Gewerkschaften seien auf gutem Weg oder fast abgeschlossen, während der Bund neun Milliarden Euro an Überlebenshilfe gab.
Die Lage ist katastrophal. Im zweiten Quartal flog Lufthansa einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro ein, im Vorjahreszeitraum war noch ein Gewinn von 226 Millionen Euro drin. Zur Jahreshälfte beträgt der Konzernverlust bereits 3,62 Milliarden Euro. Die Zahlen wären noch mieser, wenn nicht die Frachtsparte unerwartet gut verdient: Spohr berichtete, eine Reihe an Passagierflugzeugen auf Überseestrecken würden praktisch ohne Reisende fliegen, aber trotzdem Gewinne bringen, weil eingepackte Fracht so hohe Einnahmen brächte.
Die Gewerkschaften werfen Spohr vor, sie unfair unter Druck zu setzen. So hat die Kabinengewerkschaft Ufo zwar einem Konzept zugestimmt, das 2600 Stellen unter anderem durch kürzere Arbeitszeiten sichern sollte, aber jetzt streitet man sich weiter über die Umsetzung. „Jetzt mit Kündigungen zu drohen ist unnötig und in der Kabine sogar vertragswidrig“, sagte Ufo-geschäftsführer Nicoley Baublies. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit ( VC) erklärte, sie setze auf weitere Verhandlungen. Christine Behle, Vorstand von Verdi, warf Spohr eine „Blockadehaltung“vor. Alle drei Gewerkschaften betonten, sie seien zu einem sozialverträglichen Personalabbau bereit. Der Konzern hat auch früher schon ungewöhnliche Konzepte vereinbart, um in Krisen betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.
Spohr macht Druck: „Wir haben verhandelt, verhandelt, verhandelt, wir haben keine Zeit mehr“. Er ergänzte, alle Wettbewerber hätten bereits Sparvereinbarungen abgestimmt oder Leute gekündigt.
Weil die Flugpläne wegen der niedrigen Nachfrage im Juli komplett überarbeitet wurden, wurden mehr als 1,5 Millionen neue Tickets storniert. Diese Kunden warten nun häufig noch auf ihre Erstattung, berichtete der Vorstand. Das Geld für im Frühjahr stornierte Flüge sei dagegen zu 99 Prozent ausgezahlt worden, behauptete Spohr.
Bezüglich NRW hatte der aus Wanne-eickel kommende Manager drei Botschaften: Es bleibt dabei, dass der ohne eigene Marke fliegende Betrieb Germanwings in Köln geschlossen wird. In der Eurowings-zentrale in Köln fallen wie angekündigt Stellen weg. Aber an Düsseldorf als wichtigstem Airport von NRW soll der Lufthansa-ableger Eurowings uneingeschränkt festhalten. Spohr: „Wir haben bei Eurowings 55 Prozent des Angebots wieder in der Luft. Wir haben in Düsseldorf keinen Überhang von Eurowings-jets und Flugpersonal.“Insgesamt erhole sich der Kurzund Mittelstreckenverkehr von Eurowings viel schneller als die Langstreckenrouten von Lufthansa rund um den Globus. Spohr: „Zuerst kommen die Urlauber wieder, dann die Geschäftsreisenden. Zuerst kommen die kurzen Routen, dann die langen Routen.“
Spohr sagte: „NRW ist unser wichtigster Heimatmarkt. Wichtiger als Frankfurt und München.“Was Spohr nicht sagt: Als Drehkreuze für viele Umsteiger sind die beiden anderen Flughäfen international für den Konzern weiterhin wichtiger.