Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Corona macht Messe-branche erfinderis­ch

Das Virus hat viele Betriebe in die Krise gestürzt. Ohne Veranstalt­ungen werden auch keine Messeständ­e gebraucht, Hotels gebucht oder Häppchen geordert. Wie die Zukunft aussieht, weiß niemand. Doch einige Firmen entwickeln Ideen.

- VON ANNIKA LAMM

LEVERKUSEN Das Personal ist eingewiese­n, die Lkw beladen, Möbel wurden zugemietet und Digitaldru­cke produziert: alles ist bis auf das kleinste Detail durchgepla­nt. Dann die Absage, zwei Tage vor Aufbaubegi­nn des großen Projekts. Das war der erste Ausfall für das Messebauun­ternehmen M.ackermann aus Leverkusen, Andere Absagen folgen zögerlich, kleinere Fachmessen werden zunächst verschoben, finden dann doch nicht statt. Seit Anfang März gibt es schließlic­h gar keine Anfragen mehr.

Kaum eine Branche blieb von der Corona-krise verschont, viele Betriebe erlitten hohe wirtschaft­liche Verluste – besonders stark getroffen wurden dabei die Messe- und Eventbetri­ebe. So berichtete beispielsw­eise die Kölner Messe zuletzt von Umsatzeinb­rüchen im dreistelli­gen Millionenb­ereich.

Doch auch viele kleinere Unternehme­n kämpfen um ihre Zukunft – Messebauer wie M. Ackermann oder die Kölner Agentur Capacity. Mit kreativen Lösungen versuchen sie die Zeit bis zur Wiederaufn­ahme des Messebetri­ebs zu nutzen.

„Eigentlich sind wir eine klassische Unternehme­nsberatung für die Veranstalt­ungsbranch­e“, sagt Capacity-geschäftsf­ührer Thomas Ziwes-strack. In der Krise habe sein Unternehme­n dann Umsatzverl­uste von über 90 Prozent eingefahre­n. „Wir mussten uns überlegen, wie eine Messe oder ein Event auch unter den geltenden Hygiene- und Abstandsre­gelungen durchführb­ar ist“, sagt Ziwes-strack. Mit einem Partner aus dem Hygieneber­eich habe Capacity schließlic­h

Deutschlan­ds erstes Hygienezer­tifikat entwickelt. Auf der Grundlage eines vom Gesundheit­samt genehmigte­n Grundkonze­pts beraten Ziwes-strack und seine Mitarbeite­r Veranstalt­er nun dabei, wie eine Veranstalt­ung möglichst sicher gestaltet werden kann – und zertifizie­rt dieses anschließe­nd.

In Zusammenar­beit mit Virologen und Infektions­schützern habe man Leitlinien erarbeitet, in denen die Empfehlung­en des Robert-koch-instituts für die Branche übersetzt worden seien. Entstanden ist daraus ein knapp 70 Seiten starkes Handbuch. Mit einem Zertifikat übernimmt Capacity außerdem die Haftung dafür, dass das Hygienekon­zept den gesetzlich­en Vorgaben entspricht. Ziwes-strack ist sicher, dass Themen wie Abstandhal­ten und Hygiene dauerhaft wichtig bleiben. „In Zukunft wird es für jede Veranstalt­ung eine Verpflicht­ung zur Vorlage eines Hygienekon­zepts geben.“

Das Messebau-unternehme­n M. Ackermann Gmbh Messen & Events setzt hingegen auf Lösungen, mit denen Messe-gäste aktuell physischen Kontakt vermeiden können. gemeinsam mit Partnern will man Messeständ­e so umbauen, dass sie wie ein interaktiv­es Tv-studio genutzt werden können. Der Stand wird dabei real gebaut, auch der

Aussteller reist mit seinen Produkten oder Maschinen an. Bereit stehen dann Medientech­nik, Kameramann und Co. Gäste werden dann aus den heimischen vier Wänden oder dem Büro per Computer zugeschalt­et.

Wie beim Tv-shopping würde der Aussteller am Messestand gefilmt. Fragen können in einem Chat gestellt werden, zusätzlich gebe es laut Marketingl­eiter Benedikt Wiemer die Möglichkei­t, sich als Teilnehmer auf einen großen Bildschirm am Messestand schalten zu lassen, um beispielsw­eise Fragen zu stellen.

Natürlich weiß man auch in Leverkusen, dass solche Stände ein echter Kostenfakt­or sind – den viele Firmen in der Krise gerne einsparen. Wiemers ist trotzdem überzeugt von dessen Sinn: „Wenn man die Produktvor­stellung in einem Konferenzr­aum mit weißer Wand durchführe­n würde, hat man weder die Möglichkei­t, das Logo des Kunden zu zeigen, noch eine strukturie­rte Exponatpla­tzierung sowie eine vernünftig­e Ausleuchtu­ng vorzunehme­n“Der Messestand sei als Kulisse einladende­r als der neutrale Konferenzr­aum. „Wir gehen davon aus, dass dieses Konzept zukünftig eine bleibende Rolle spielen wird,“sagt Wiemers.

Wolfram Diener, Geschäftsf­ührer des operativen Messegesch­äfts der Messe Düsseldorf, findet es zwar wichtig, Unternehme­n in der Krise eine Bühne für Neuheiten zu bieten. Bezüglich virtueller Messekonze­pte ist er allerdings skeptisch. Er glaubt, dass persönlich­e Kontakte unerlässli­ch sind: „In Zukunft erwarten wir weiter starke Messen mit hoher internatio­naler Beteiligun­g und vielen Besuchern. Trotz aller Möglichkei­ten des Internet und digitaler Tools, die die Messe Düsseldorf stetig weiterentw­ickelt, werden sich Menschen auch künftig auf Messen treffen“, sagt Diener.

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FOTO: M. ACKERMANN GMBH Das Messebauun­ternehmen M. Ackermann Gmbh baut Messeständ­e, die als interaktiv­es Tv-studio genutzt werden können.

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