Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Am glücklichsten war er immer in der Bütt
INTERVIEW MIT DIETER TAUGS Das närrische Urgestein der KG Rot-gold über die Freude auf der Bühne und die Corona-krise im Brauchtum.
DINSLAKEN Dieter Taugs hat die Karnevalsgemeinschaft Rot-gold Dinslaken vor 46 Jahren mitgegründet. Schon davor war er karnevalistisch aktiv, und ab 1975 war er Zweiter Vorsitzender seines Vereins. Jetzt übergibt er den Staffelstab an seinen Nachfolger.
Sie sind 46 Jahre bei der KG RotGold und noch länger in der Karnevalswelt in Dinslaken. Wie hat sich der Karneval im Laufe dieser Jahrzehnte verändert?
DIETER TAUGSALSO, der Karneval, den wir mal gemacht haben, zu dem ich immer noch tendiere – den gibt es in Dinslaken heute nicht mehr. Man findet keinen, der noch ne Büttenrede machen möchte, oder die Leute haben keinen Mut, sich da vorne hinzustellen. Die Vereine im Nachbarort, Gruen-weiss Walsum und Alt-walsum, die haben noch so was. Aber hier in Dinslaken geht die Tendenz hin zur ,Karnevalsparty’. Das finde ich äußerst schade.
Woran glauben Sie liegt das?
TAUGS Die älteren Mitglieder, die noch die große Karnevalszeit richtig mitgemacht haben, die sterben aus. Und die Jugend, die nachkommt, die hat dafür manchmal kein Interesse mehr.
Aber woran liegt’s? Früher war es ja auch ,die Jugend’, die den Karneval ,gemacht’ hat.
TAUGS Man wird eben heute überschwemmt, das Angebot ist zu groß. Früher gab es im Fernsehen drei Programme: Erstes, Zweites, Drittes. Wenn „Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht“kam, saßen alle vor der Flimmerkiste und haben sich das angeguckt: Das war Karneval. Und den Rest hat man in den Vereinen gemacht.
Was gibt Ihnen der Karneval? Was hat Sie daran immer begeistert? TAUGS Das war immer die Gemeinschaft. Wir haben uns in der Karnevalszeit immer getroffen: das Beisammensein, die Clique – der Zusammenhalt war einfach genial. Wenn man meinen Werdegang so beobachtet: Ich hab bei der Laienspielschar der Kolpingfamilie mitgemacht, Theater gespielt, aus dieser Theatergruppe heraus haben wir Karneval gemacht und sind immer größer geworden, bis wir 1974 den Verein gegründet haben.
Gab es so was wie ,Goldene Jahre’ im Karneval? Zeiten, in denen das Brauchtum die Menschen so richtig im Griff hatte?
TAUGS Ja, das war so Mitte der 70er bis Anfang der 90er Jahre, da war es hier eine Karnevalshochburg. Da haben wir den Saal bei Hackfort mit 500 Leuten voll gehabt.
Karneval ist ja eigentlich ein „Kettensprengen“. Ein Sich-lustig-machen, ein bisschen Anarchie. Aber gleichzeitig sind Karnevalsvereine ganz fest in Traditionen verankert. Da gibt es sehr klare Regeln auf der Bühne, hinter den Kulissen. Wie passt das eigentlich zusammen? TAUGS Das ist ne schöne Frage. Ich sag immer: Karneval ist ne ganz ernste Sache, das ist wirklich so. Es gibt nirgends mehr Streit als manchmal im Karnevalsverein. Um die Richtlinien, um den richtigen Weg. Das ist gar nicht so einfach. Es gab auch unter den Vereinen schon mal Kebbeleien. Aber wenn die Karnevalszeit vorbei war, dann war wieder alles in Ordnung. Friede, Freude, Eierkuchen.
Seit 1975 waren Sie immer Zweiter Vorsitzender. Warum genau dieses Amt?
TAUGS Am Anfang war ganz klar bei uns: Der Erste Vorsitzende war Rolf Köpping. Ich habe mich auch nie darum bemüht, Erster Vorsitzender zu werden, weil mir das – das muss ich ganz ehrlich sagen – viel zu viel Arbeit gewesen wäre. Das ist ja nun mal kein leichtes Amt. Das passte damals auch nicht zu meinem Berufsbild. Ich hatte Bereitschaft. Wenn das Telefon ging, dann musste ich weg. Auch als ich Sitzungspräsident war, war es manchmal ganz schön haarig, die Sache durchzuziehen.
Sie waren Büttenredner, Sitzungspräsident und im Wagenbau tätig. Was waren Ihre schönsten Aufgaben?
TAUGS Büttenreden. Weil ich mich da präsentieren konnte und erzählen konnte, was ich mir ausgedacht hatte. Wenn man gut angekommen ist, war das immer schön. Gut, es gab auch Veranstaltungen, nach denen man gesagt hat, das hätteste besser mal nicht machen brauchen... aber da musste ich durch.
Und wenn beim ersten Mal einer hinter mir gestanden hätte, der hätte gesehen, wie ich gezittert habe. Aber man gewöhnt sich daran. Und wenn der erste Applaus kommt und die ersten Blumen ohne Töpfe, dann geht das schon.
Wie würden Sie sich selber eigentlich beschreiben: Sind Sie ein Mensch, der das Leben eher leicht nimmt? Oder eher nicht?
TAUGS Ich bin Optimist. Und ich mach mir nicht viele Gedanken über gestern. Gestern ist vorbei, da kann man nichts mehr dran machen. Man kann nur in die Zukunft gucken, an der kann ich was ändern.
Im Augenblick legt die Corona-krise den Karneval lahm. Bei Ihrer letzten Mitgliederversammlung ist darüber auch kontrovers diskutiert worden. Wo gehen denn die Meinungen auseinander?
TAUGS Wie es bei der Abstimmung herausgekommen ist: Die Hälfte der Leute ist dafür, noch Veranstaltungen zu machen, die andere Hälfte ist dagegen. Ich bin der Meinung, wir sollten erstmal warten, wie es weitergeht. Denn die Situation sieht ja nicht gut aus. Und ich möchte später nicht in der Zeitung lesen: Bei der KG Rot-gold haben sich soundosviele angesteckt.
Also ist eine Session ohne größere Veranstaltungen in so einem besonderen Jahr vorstellbar für Sie? TAUGS Für mich ist in so einer Situation vorstellbar, keinen Karneval zu machen. Wir hatten 1991 den Golfkrieg und die Ölkrise. Da ist Karneval auch ausgefallen. Und da hat keiner darüber gemeckert, da hat keiner darüber diskutiert, nein. Da wurde gesagt: Die Belustigung der Völker findet nicht statt, fertig. Warum machen wir jetzt so ein Theater? Wir haben die Pandemie, und wenn wir noch einmal unser Land lahmlegen müssen, sind wir pleite.
Was sind in den nächsten Jahrzehnten die großen Herausforderungen für Karnevalsvereine, um dem Brauchtum eine Zukunft zu geben?
TAUGS Ich wäre froh, wenn unser Verein – mein Verein, den ich mitgegründet habe – also, wenn die Nachfolger darin das so weitermachen, wie wir das bisher gemacht haben. Wenn es ginge, noch mal eine Büttenrednerin oder einen Büttenredner zu bekommen. Dann haben wir wieder Karneval, in dem das Brauchtum wirklich gefördert wird. Darauf sollte man achten. Man sollte nicht auf die Party-schiene fahren. Dann ist der Karneval tot.
Wie bleiben Sie dem Verein erhalten?
TAUGS Wenn man mich braucht, werde ich helfen. Beim Wagenbauen natürlich, wie immer. Und auch wenn sonst was ist: Man ist ja nicht aus der Welt. Dafür ist man im Verein, dafür hat man ihn mitgegründet. Aber jetzt war es mal an der Zeit, Jüngere ranzulassen.
„Wir hatten 1991 den Golfkrieg und die Ölkrise. Da ist Karneval auch ausgefallen“Dieter Taugs Kanevalist der KG Rot-gold Dinslaken