Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Nrw-städte wollen Flüchtlinge aufnehmen
Nach dem Brand im Lager Moria möchten einige Kommunen möglichst schnell helfen. Doch entscheiden können sie das nicht.
DÜSSELDORF Mehrere Städte in der Region sind bereit, nach dem Großbrand im griechischen Migrantenlager Moria Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion am Freitag ergeben. „Wer die schlimmen Bilder aus Moria sieht, weiß, dass die armen Menschen und vor allem die vielen betroffenen Kinder dort jetzt keine langwierigen Abstimmungsprozesse brauchen. Wir müssen sofort helfen“, sagte Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU), der über die gängigen Verteilschlüssel hinaus 80 Flüchtlinge aus Moria aufnehmen möchte.
Nach dem Großbrand in dem griechischen Flüchtlingslager haben sich nach Angaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer neben Deutschland bisher neun weitere europäische Staaten bereit erklärt, sich an der Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen zu beteiligen. Ein Großteil der Menschen – je 100 bis 150 – wird von Deutschland und Frankreich aufgenommen.
Dabei sind die Städte in NRW bereit, wesentlich mehr Flüchtlinge unterzubringen. So stehen unter anderem Aachen, Bonn, Dortmund, Duisburg, Hilden, Köln, Krefeld, Mettmann, Moers, Mönchengladbach, Münster, Neuss, Neukirchen-vluyn, Remscheid, Viersen, Witten und Wuppertal für die Aufnahme zur Verfügung, so unsere Umfrage. „Eine europäische Lösung dauert zu lange, so dass vor dem Hintergrund der dramatischen Situation in Moria schnelles Handeln erforderlich ist“, sagte ein Sprecher der Stadt Moers.
Die Stadt Krefeld will bis zu 100 Menschen aus Moria aufnehmen, Düsseldorf bis zu 150. „Die aktuellen Bilder von der griechischen Insel Lesbos sind zutiefst erschütternd. Europa darf nicht länger wegsehen, wenn Menschen unter so unwürdigen Bedingungen hausen“, betonte Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer (SPD). Neukirchen-vluyns Bürgermeister Harald Lenßen (CDU) sagte, es sei ihm ein persönliches Anliegen, in dieser besonderen Notlage zu einer schnellen und möglichst unbürokratischen Lösung für die betroffenen Menschen beizutragen. Hildens Bürgermeisterin Birgit Alkenings (SPD) sagte mit Blick auf die Aufnahmemöglichkeiten: „Meiner Meinung nach ist das keine Frage von Können, sondern von Wollen.“
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Bernd Jürgen Schneider, sagte unserer Redaktion, dass die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland in einer solchen humanitären Notlage selbstverständlich sein müsse, schränkte aber ein: „Die Verteilung von Geflüchteten wird durch Bund und Land geregelt. Wenn Städte zusätzliche Kapazitäten anbieten, kann das in die Regeln zur Aufnahme der Menschen sicher mit einfließen, darf diese aber nicht außer Kraft setzen“, so Schneider. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, erklärte: „Für mich ist ganz bitter, dass unser Europa an dieser Stelle bisher versagt hat.“
Die Spd-fraktion will für das kommende Plenum im Düsseldorfer Landtag einen entsprechenden Eilantrag einbringen. „Das ist nicht die Stunde des Wartens, sondern die Stunde des Handelns. Wer die Bilder aus Moria sieht, der weiß, dass wir jetzt helfen müssen“, sagte Fraktionschef Thomas Kutschaty. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Nrw-grünen, Berivan Aymaz, kritisierte: „Seehofer blockiert den solidarischen Ländern und Kommunen die Aufnahme zusätzlicher Geflüchteter.“
Europa muss endlich aufwachen. Auf Lesbos brennt ein Flüchtlingslager nieder. Ein Lager, das für 2800 Menschen gedacht war, in dem aber rund 13.000 Menschen zusammenpfercht waren. Die Bewohner hausen unter freiem Himmel, ohne fließendes Wasser, ohne Duschen, ohne Toiletten, ohne Dach über dem Kopf. Und die EU? Tut so, als wären dies die Flüchtlinge Griechenlands. Doch es geht alle an, alle 27, auch jene, die sich wie Polen und Ungarn seit Jahren einen schlanken Fuß machen, wenn es um Solidarität geht, sich aber die Kassen füllen, wenn Geld aus Brüssel für ihre Interessen winkt. Von welcher Union sprechen wir da eigentlich noch?
Europa kann es besser. Aber was sich die Eu-mitglieder – auch Deutschland – in diesem Drama um Moria leisten, ist kleinlich und tritt die Werte der EU mit Füßen. Dass es auch anders geht, zeigen gerade einige Städte in Deutschland. Während die Europäische Union zögert, die Bundesregierung zaudert, wollen Kommunen anpacken, auch wenn fairerweise dazu gesagt werden muss, dass der größte Teil dieser Hilfe vom Bund bezahlt werden müsste. Das Angebot von zehn Städten bundesweit wie auch der Einsatz einiger Ob-kandidatinnen und Ob-kandidaten speziell aus NRW ist umso bemerkenswerter, als man sich bei diesem hoch emotionalen wie sensiblen Thema der Flüchtlingspolitik leicht die Finger verbrennen kann, erst recht kurz vor einer Wahl. Aber dann stehen eben tatsächlich auch Mut, Haltung und Werte zur Wahl.
Alleingänge sind in einer politischen Union grundsätzlich schwierig. Vor allem könnte sie anderen Partnern suggerieren: Deutschland wird es schon wieder richten. Aber in diesem Fall, wenn wirklich niemand sonst hilft, muss Deutschland vorangehen. Bundesländer und Kommunen wären bereit. Nichtstun ist keine Alternative – und schon gar nicht humanitär.
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