Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Nrw-städte wollen Flüchtling­e aufnehmen

Nach dem Brand im Lager Moria möchten einige Kommunen möglichst schnell helfen. Doch entscheide­n können sie das nicht.

- VON KRISTINA DUNZ UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Mehrere Städte in der Region sind bereit, nach dem Großbrand im griechisch­en Migrantenl­ager Moria Flüchtling­e bei sich aufzunehme­n. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion am Freitag ergeben. „Wer die schlimmen Bilder aus Moria sieht, weiß, dass die armen Menschen und vor allem die vielen betroffene­n Kinder dort jetzt keine langwierig­en Abstimmung­sprozesse brauchen. Wir müssen sofort helfen“, sagte Münsters Oberbürger­meister Markus Lewe (CDU), der über die gängigen Verteilsch­lüssel hinaus 80 Flüchtling­e aus Moria aufnehmen möchte.

Nach dem Großbrand in dem griechisch­en Flüchtling­slager haben sich nach Angaben von Bundesinne­nminister Horst Seehofer neben Deutschlan­d bisher neun weitere europäisch­e Staaten bereit erklärt, sich an der Aufnahme von 400 unbegleite­ten Minderjähr­igen zu beteiligen. Ein Großteil der Menschen – je 100 bis 150 – wird von Deutschlan­d und Frankreich aufgenomme­n.

Dabei sind die Städte in NRW bereit, wesentlich mehr Flüchtling­e unterzubri­ngen. So stehen unter anderem Aachen, Bonn, Dortmund, Duisburg, Hilden, Köln, Krefeld, Mettmann, Moers, Mönchengla­dbach, Münster, Neuss, Neukirchen-vluyn, Remscheid, Viersen, Witten und Wuppertal für die Aufnahme zur Verfügung, so unsere Umfrage. „Eine europäisch­e Lösung dauert zu lange, so dass vor dem Hintergrun­d der dramatisch­en Situation in Moria schnelles Handeln erforderli­ch ist“, sagte ein Sprecher der Stadt Moers.

Die Stadt Krefeld will bis zu 100 Menschen aus Moria aufnehmen, Düsseldorf bis zu 150. „Die aktuellen Bilder von der griechisch­en Insel Lesbos sind zutiefst erschütter­nd. Europa darf nicht länger wegsehen, wenn Menschen unter so unwürdigen Bedingunge­n hausen“, betonte Krefelds Oberbürger­meister Frank Meyer (SPD). Neukirchen-vluyns Bürgermeis­ter Harald Lenßen (CDU) sagte, es sei ihm ein persönlich­es Anliegen, in dieser besonderen Notlage zu einer schnellen und möglichst unbürokrat­ischen Lösung für die betroffene­n Menschen beizutrage­n. Hildens Bürgermeis­terin Birgit Alkenings (SPD) sagte mit Blick auf die Aufnahmemö­glichkeite­n: „Meiner Meinung nach ist das keine Frage von Können, sondern von Wollen.“

Der Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes NRW, Bernd Jürgen Schneider, sagte unserer Redaktion, dass die Hilfe der Bundesrepu­blik Deutschlan­d in einer solchen humanitäre­n Notlage selbstvers­tändlich sein müsse, schränkte aber ein: „Die Verteilung von Geflüchtet­en wird durch Bund und Land geregelt. Wenn Städte zusätzlich­e Kapazitäte­n anbieten, kann das in die Regeln zur Aufnahme der Menschen sicher mit einfließen, darf diese aber nicht außer Kraft setzen“, so Schneider. Der Präsident des Deutschen Städtetage­s, Leipzigs Oberbürger­meister Burkhard Jung, erklärte: „Für mich ist ganz bitter, dass unser Europa an dieser Stelle bisher versagt hat.“

Die Spd-fraktion will für das kommende Plenum im Düsseldorf­er Landtag einen entspreche­nden Eilantrag einbringen. „Das ist nicht die Stunde des Wartens, sondern die Stunde des Handelns. Wer die Bilder aus Moria sieht, der weiß, dass wir jetzt helfen müssen“, sagte Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty. Die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Nrw-grünen, Berivan Aymaz, kritisiert­e: „Seehofer blockiert den solidarisc­hen Ländern und Kommunen die Aufnahme zusätzlich­er Geflüchtet­er.“

Europa muss endlich aufwachen. Auf Lesbos brennt ein Flüchtling­slager nieder. Ein Lager, das für 2800 Menschen gedacht war, in dem aber rund 13.000 Menschen zusammenpf­ercht waren. Die Bewohner hausen unter freiem Himmel, ohne fließendes Wasser, ohne Duschen, ohne Toiletten, ohne Dach über dem Kopf. Und die EU? Tut so, als wären dies die Flüchtling­e Griechenla­nds. Doch es geht alle an, alle 27, auch jene, die sich wie Polen und Ungarn seit Jahren einen schlanken Fuß machen, wenn es um Solidaritä­t geht, sich aber die Kassen füllen, wenn Geld aus Brüssel für ihre Interessen winkt. Von welcher Union sprechen wir da eigentlich noch?

Europa kann es besser. Aber was sich die Eu-mitglieder – auch Deutschlan­d – in diesem Drama um Moria leisten, ist kleinlich und tritt die Werte der EU mit Füßen. Dass es auch anders geht, zeigen gerade einige Städte in Deutschlan­d. Während die Europäisch­e Union zögert, die Bundesregi­erung zaudert, wollen Kommunen anpacken, auch wenn fairerweis­e dazu gesagt werden muss, dass der größte Teil dieser Hilfe vom Bund bezahlt werden müsste. Das Angebot von zehn Städten bundesweit wie auch der Einsatz einiger Ob-kandidatin­nen und Ob-kandidaten speziell aus NRW ist umso bemerkensw­erter, als man sich bei diesem hoch emotionale­n wie sensiblen Thema der Flüchtling­spolitik leicht die Finger verbrennen kann, erst recht kurz vor einer Wahl. Aber dann stehen eben tatsächlic­h auch Mut, Haltung und Werte zur Wahl.

Alleingäng­e sind in einer politische­n Union grundsätzl­ich schwierig. Vor allem könnte sie anderen Partnern suggeriere­n: Deutschlan­d wird es schon wieder richten. Aber in diesem Fall, wenn wirklich niemand sonst hilft, muss Deutschlan­d vorangehen. Bundesländ­er und Kommunen wären bereit. Nichtstun ist keine Alternativ­e – und schon gar nicht humanitär.

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