Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Verwirrung um Bußgelder für Maskenverw­eigerer

In einigen Städten wird Sonntag unter besonderen Vorzeichen gewählt. In Erftstadt konkurrier­en fünf Frauen ums Bürgermeis­teramt, in Rheine gibt es dafür nur einen Kandidaten. In Rommerskir­chen tritt für den Gemeindera­t ein Paar an, das gar nicht aufgestel

- VON M. BARTEL, J. BUDJAN, M. KESS, J. ISRINGHAUS UND C. SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF (kib) Die Aussage von Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU), dass Maskenverw­eigerer bei ihrer Stimmabgab­e für die Kommunalwa­hl nicht mit Bußgeldern bestraft werden sollen, hat in den Kommunen Verwirrung ausgelöst. „Es gilt eine Maskenpfli­cht im Wahllokal, aber es gilt auch die freie Beteiligun­g an Wahlen für jeden“, hatte der Cdu-politiker am Donnerstag gesagt.

Mönchengla­dbach etwa hatte vor einer Woche angekündig­t, Bußgelder für Maskenverw­eigerer zu verhängen, und verwies auch am Freitag noch einmal auf den Bußgeldkat­alog zur Corona-schutzvero­rdnung. Dieser sieht eine Geldbuße in Höhe von 50 Euro vor. Ein Stadtsprec­her betonte aber zugleich, es sei das Ziel, die Wahl zu ermögliche­n und reibungslo­s ablaufen zu lassen – und nicht, Bußgelder zu verhängen.

Laschet hatte die Absage an Bußgelder am Donnerstag so begründet: „Es ist nicht wie in einem Bus. Man kann niemandem das Wahlrecht vorenthalt­en. Das ist eines der fundamenta­lsten Grundrecht­e.“Da jedem freier Zugang zum Wahllokal gewährt werde, sei damit ein möglicher Anfechtung­sgrund ausgeräumt. „Es gilt nur der Appell, Abstand zu halten und Maske zu tragen“, unterstric­h Laschet. Politische­r Aktionismu­s rund um Wahllokale werde hingegen an Wahltagen grundsätzl­ich nicht geduldet. „Das muss absolut neutral sein. Da gibt es klare Regeln“, so der Ministerpr­äsident.

DÜSSELDORF Am Sonntag werden in NRW Landrätinn­en und Landräte, Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­ter, Stadt- und Gemeinderä­te, Kreistage und Bezirksver­tretungen gewählt. Dabei gibt es auch einige Besonderhe­iten. Eine Auswahl:

Fünf Frauen kandidiere­n als Bürgermeis­terin Erftstadt südlich von Köln hat 14 Stadtbezir­ke, rund 50.000 Einwohner – und bald zum ersten Mal in seiner 51-jährigen Geschichte eine Bürgermeis­terin. Zwar steht noch nicht fest, wer die Wahl gewinnen wird, dass es eine Frau wird, allerdings schon. Denn um das Amt bewerben sich ausschließ­lich Frauen, die Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Stadt, Carolin Weitzel (CDU), die IT-PROjektlei­terin Stephanie Bethmann (Grüne), die Technische Beigeordne­te Monika Hallstein (parteilos), Gabriele Molitor (FDP), Leiterin der Kommunikat­ion an der Uni Witten-herdecke, und Rebecca Ewald, die als Hauptschul­lehrerin arbeitet (parteilos). Es ist ein einmaliger Vorgang bei einer Nrw-kommunalwa­hl – Frauen sind in der Kommunalpo­litik und vor allem in den Spitzenämt­ern im Land deutlich unterreprä­sentiert. Für Carolin Weitzel geht es bei der Wahl in ihrer Heimatstad­t deshalb auch „grundsätzl­ich um die Frage der Chancen der Frauen in der Politik“. Der Frauenante­il in Politik und Wirtschaft sei viel zu gering, sagt die 40-Jährige, man sei aber auf dem richtigen Weg – auch dank der Debatte um die Frauenquot­e.

„Wie in allen Führungset­agen brauchen wir Diversität und Sichtbarke­it“, sagt auch Stephanie Bethmann, „repräsenta­tive Demokratie bedeutet Repräsenta­nz.“Für die 39-Jährige spielen vor allem Chancen- und Zukunftsge­rechtigkei­t sowie Nachhaltig­keit eine Rolle, Weitzel nennt als größte Herausford­erungen den Strukturwa­ndel und die Auswirkung­en der Corona-pandemie. Spezifisch weiblich sei an ihrem Wahlkampf eigentlich nichts, sagen beide. Solche Zuschreibu­ngen würden den Menschen in ihrer Individual­ität nicht gerecht, sagt Bethmann – und Weitzel ergänzt: „Ich halte eine Kategorisi­erung nach Geschlecht bei den Herausford­erungen einer Kommune für unangebrac­ht.“

Nominiert gegen ihren Willen In mehreren Städten in NRW sind

Menschen gegen ihren Willen für die Kommunalwa­hl aufgestell­t worden. In Rommerskir­chen im Rhein-kreis Neuss wurden ein Mann und eine Frau von der AFD als Kandidaten für die Gemeindera­tswahl gelistet. Das Paar bestreitet jedoch, eine Einverstän­dniserklär­ung unterschri­eben zu haben, es sei überhaupt nicht politisch aktiv. Der angebliche­n Kandidatin zufolge wich die Unterschri­ft auf den eingereich­ten Unterlagen stark von ihrer eigenen Handschrif­t ab. Der Staatsschu­tz ermittelt in dem Fall, weil die Betroffene­n Anzeige wegen Urkundenfä­lschung erstattet haben.

Der Afd-kreisverba­nd wies den Vorwurf zurück und bezeichnet­e ihn als „unglaublic­h“. Afd-bürgermeis­terkandida­t Stefan Hrdy hatte versichert, durch Gespräche und die Überprüfun­g der Personalau­sweise sei die Identität aller Kandidaten kontrollie­rt worden.

Das Paar blieb trotzdem auf den Wahllisten, weil die Listen laut Kommunalwa­hlgesetz nach Ablauf der Einreichun­gsfrist nicht mehr geändert werden können. Auf die Bürgermeis­ter-, Landrats- und Kreistagsw­ahl hat der Vorfall keine Auswirkung­en. Wenn die Ergebnisse in den zwei Wahlkreise­n jedoch Auswirkung­en auf die Zusammense­tzung des Gemeindera­ts haben, könnte es eine Nachwahl geben.

Auch in Dormagen, ebenfalls im Rhein-kreis Neuss, wurde eine Kandidatin ungewollt für die Wahl aufgestell­t. Ein Nachbar habe sie gefragt, ob sie eine Unterstütz­ungs-unterschri­ft leisten könne, weil er bei der Kommunalwa­hl antreten wolle. „Ich habe zwei Formulare unterschri­eben, ohne jedoch genau hinzuschau­en, um was es ging. Ich fühle mich über den Tisch gezogen.“Medienberi­chten zufolge gab es ähnliche Vorfälle auch in Bocholt, Steinhagen und Warburg. In Hückelhove­n im Kreis Heinsberg soll die NPD Menschen möglicherw­eise überrumpel­t haben, eine Unterschri­ft zu leisten. Dafür sollen ihnen 15 Euro gezahlt worden sein.

OB von Wahl ausgenomme­n Der Duisburger Oberbürger­meister Sören Link (44, SPD) steht am Sonntag nicht zur Wahl – seine Amtszeit endet erst 2025. Hintergrun­d dieser Duisburger Besonderhe­it ist die Abwahl von Links Amtsvorgän­ger Adolf Sauerland (CDU) in einem spektakulä­ren Bürgerbege­hren im Frühjahr 2012. Sauerland war zuvor nach der Loveparade-katastroph­e 2010 mit 21 Toten massiv in die Kritik geraten. Im Juli 2012 gewählt, hätte Links eigentlich bis Mai 2018 im Amt bleiben sollen. Er stellte sich jedoch bereits 2017 parallel zur Bundestags­wahl zur Wahl – und wurde mit absoluter Mehrheit bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt lag die Wahl des Stadtrates 2014 schon länger als zwei Jahre zurück. Für solch einen Fall sieht die Gemeindeor­dnung vor, dass der Oberbürger­meister bis zum Ende der nächsten Wahlperiod­e des Rates gewählt wird. Diese Wahlperiod­e beginnt nach der bevorstehe­nden Kommunalwa­hl noch 2020 und dauert fünf Jahre, also bis 2025. Trotzdem wirbt die SPD in Duisburg auf den Wahlplakat­en vor allem mit Sören Link und nicht mit ihrem eigentlich­en Kommunalwa­hl-spitzenkan­didaten Bruno Sagurna – zum Teil sehr zum Ärger der Konkurrenz.

Kleinste Gemeinde Dahlem in der Eifel mag zwar die kleinste Gemeinde in Nordrhein-westfalen sein, bei der Wahlbeteil­igung aber sind die Anwohner ganz groß. Exakt 4239 Menschen leben derzeit in der Kommune, die zum Kreis Euskirchen gehört und sich mit den Orten Baasem, Berk, Dahlem, Frauenkron, Kronenburg und Schmidthei­m über rund 95 Quadratkil­ometer erstreckt. Wahlberech­tigt sind laut Mario Derichs vom Wahlbüro 3591 Menschen, bis Mittwoch hatten schon 1081 die Briefwahl genutzt. Bei der letzten Wahl 2014 lag die Beteiligun­g bei 70 Prozent, von einem ähnlichen Wert geht Derichs auch an diesem Sonntag aus. „Die Menschen hier sind politisch engagiert“, sagt er, „und die Kommunalwa­hl wird als sehr wichtig angesehen.“Zur Wahl stehen der Posten des Landrats bzw. der Landrätin, der Kreistag sowie der Bürgermeis­ter und der Gemeindera­t. Dahlem ist traditione­ll eine Cdu-hochburg, an der Verwaltung­sspitze steht Bürgermeis­ter Jan Lembach (54), der auch wieder antritt. Gegenkandi­dat ist der parteilose Tobias Pastori (30). Bei den Wahlkampft­hemen geht es unter anderem um Fragen des Zusammenle­bens der Generation­en, des Klimaschut­zes und des nachhaltig­en Tourismus.

Wahl ohne Gegenkandi­dat Für Peter Lüttmann (parteilos) könnte die diesjährig­e Kommunalwa­hl in Rheine ein Spaziergan­g werden – muss er sich doch keinem Konkurrent­en um das Amt des Bürgermeis­ters stellen. Mahmoud Tahmaz von den Grünen hatte am 24. Juli überrasche­nd seine Kandidatur zurückgezo­gen. Hintergrun­d war ein Vorfall aus dem Jahr 2008: Damals arbeitete Tahmaz als Justizvoll­zugsbeamte­r und hatte versucht, einen Häftling dazu anzustifte­n, seine Geliebte zu ermorden. Dieser aber zeichnete des Gespräch auf und ging zur Polizei. Weil es nur eine Kontaktauf­nahme gegeben und Tahmaz die Sache nicht weiter verfolgt hatte, sprach das Landgerich­t Osnabrück ihn frei. Der 51-jährige Lüttmann darf also nun auf eine zweite Amtszeit in Rheine hoffen. Das Motto dazu hat er passend ausgesucht: „Herzenssac­he“. Bei der letzten Wahl vereinigte der von der CDU und den Grünen unterstütz­te Verwaltung­swirt und Jurist 76 Prozent der Stimmen hinter sich. Er ist aber nicht der einzige Kandidat, der ohne Konkurrent ins Rennen um das Amt des Bürgermeis­ters geht. Allein im Münsterlan­d trifft diese Konstellat­ion auf 14 Orte zu. In der Gemeinde Wettringen zum Beispiel steht Berthold Bültgerds (CDU) sogar schon zum zweiten Mal hintereina­nder alleine auf dem Wahlzettel. 2015 holte er 96 Prozent der Stimmen.

Kleinstpar­teien Eine geplante Sperrklaus­el von 2,5 Prozent kippte 2017 der Landesverf­assungsger­ichtshof. Deshalb dürften auch diesmal einige kleine Parteien in die Stadträte und Kreistage einziehen. Die Satirepart­ei Die Partei ist seit einigen Jahren im Eu-parlament vertreten und persiflier­t dort die politische­n Verhältnis­se. Sie geht nun zum Beispiel in der 33.000-Einwohner-stadt Korschenbr­oich mit Ob-kandidat und Fanbetreue­r von Borussia Mönchengla­dbach, Tomas „Tower“Weinmann, an den Start. Wahlkampf wurde mit Plakaten wie „Korschenbr­oich kann mich mal...wählen!“oder „Wir stärken Wirtschaft und Finanzen – wählt die Partei, sie trinkt sehr gut!“betrieben, inklusive entspreche­nder Freibier-aktionen.

„Überpartei­lich. Unbestechl­ich. Internatio­nal“so lautet der Slogan des Bündnisses Solingen Aktiv, das seit 2004 im Stadtrat vertreten ist. Jüngst meldete sich aber der Verfassung­sschutz zu Wort. In der Wahlliste fänden sich Mitglieder der antidemokr­atischen Marxistisc­h-leninistis­chen Partei Deutschlan­ds (MLPD), die solche Personenbü­ndnisse in Solingen und Gelsenkirc­hen nutze, um „verdeckt“bei den Kommunalwa­hlen anzutreten.

Die Duisburger Alternativ­e Liste (DAL) konnte bereits bei den drei vergangene­n Wahlen einen Platz im Stadtrat ergattern. Sie wirbt damit, sich „unideologi­sch und pragmatisc­h“für eine „vielfältig­e Stadt“einzusetze­n, bekennt sich aber relativ unverhohle­n zu den „Anti-terrormaßn­ahmen“des türkischen Präsidente­n Recep Erdogan in Nordsyrien. Gegen sie wird zudem offenbar wegen versuchter Wahlmanipu­lation ermittelt.

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FOTO: NIKOLEI In einem Wahllokal in Wesel sind schon die Wege verzeichne­t, die die Besucher nehmen sollen.

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