Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Dürfen Heizpilze uns wärmen?
PRO UND CONTRA Gastronomen wollen in der Pandemie ihre Außenbereiche möglichst lange offen halten. In der kalten Jahreszeit könnten Heizpilze nützlich sein, die klimaschädlich und daher in einigen Kommunen verboten sind.
VVze erfolgt man die hitzig geführte Debatte über Heizpil
in der Gastronomie, kann der Eindruck entstehen, es gehe entweder um den Untergang der Branche oder um das Verfehlen sämtlicher Klimaziele der nächsten Jahre. Beides ist falsch. Aber im Kern geht es um eine wichtige Frage: Wie machen wir die Gastronomie während der Corona-pandemie herbst- und winterfest? Wie erhalten wir eine Branche, die in den Abgrund schaut und die für unser soziales Miteinander so eine elementar wichtige Rolle einnimmt? Dazu brauchen wir gute Antworten in diesen für unsere Branche so bedrohlichen Zeiten, in denen wir für dieses Jahr Umsatzausfälle jenseits der 50 Prozent im Vergleich zu 2019 erwarten und 72 Prozent unserer Unternehmer Existenzängste haben.
Wir stehen coronabedingt zu Beginn des Herbstes vor einem Dilemma: Draußen ist es nach Ansicht vieler Gäste sicher und wetterbedingt unkomfortabel. Drinnen hingegen ist es gefühlt unsicher, dafür aber komfortabel. Wir wissen nicht, wie die Abwägung unserer Gäste ausfallen wird, aber wir möchten für jedes Szenario gewappnet sein. Deshalb setzt sich der Dehoga einerseits für Terrassenstärkungspakte ein, die zwischen den Kommunen und der Gastronomie geschlossen werden, um die Außengastronomie zu stärken. Es geht um die Nutzbarkeit zusätzlicher Flächen für die Außengastronomie, die uns in den letzten Monaten unbürokratisch zur Verfügung gestellt wurden. Und es geht um mögliche Abweichungen von Gestaltungssatzungen, etwa um temporäre Überdachungen in Form von Pavillons zuzulassen. Außerdem um Öffnungszeiten im Außenbereich bis 24 Uhr und zumindest zeitweise um die Aufhebung von Heizpilzverboten, wie es sie in Köln oder Münster gibt. Andererseits begrüßen wir Maßnahmen, wie sie von Nrw-wirtschaftsminister Andreas Pinkwart angestoßen wurden, die technische Innovationen wie den Einbau von Filtern fördern, um die Innengastronomie attraktiver zu machen. Für die Außengastronomie in den kommenden Monaten brauchen wir also die kommunale Unterstützung sowie technische und nachhaltige Innovationen. Bedauerlich ist, dass Decken coronabedingt nur mit viel Aufwand zur Verfügung gestellt werden können, da sie nach jedem Gebrauch gereinigt werden müssen. Vielleicht ergibt sich daraus aber auch der Trend zur „Mitbring-decke“.
Heizpilze sollten weiterhin möglich sein, zumal sie nur eine Option aus einem breiten Mix darstellen und aus ökologischen wie ökonomischen Gründen immer weniger eingesetzt werden – es sei denn, die Gegebenheiten vor Ort lassen keine andere Möglichkeit zu. Heizpilze sind mit Sicherheit nicht die Zukunft, aber sie sind in der Gegenwart noch ein Baustein, der gastronomisches (Über-)leben sichern kann.
Auch in Zeiten von Corona macht die Klimakrise kei-ne
Pause. Gerade in unseren Städten und Gemeinden wird sich entscheiden, ob wir mit dem Klimaschutz vorankommen oder es zu Rückschritten kommt. Heizpilze sind sicherlich nicht unser größtes Klimaproblem, aber sie haben Symbolkraft. Allen Versuchen, die Corona-krise gegen die Klimakrise auszuspielen, muss eine klare Absage erteilt werden.
Bei allem Verständnis für die Nöte der Gastronomie ist eines klar: Terrassenheizstrahler – ob mit Gas oder Strom betrieben – sind richtige Energieverschwender und gelten damit zu Recht als kleine Klimakiller. Ein Gas-heizpilz ist nach Angaben des Umweltbundesamtes für den Ausstoß von bis zu 3,2 Kilogramm des Treibhausgases Kohlendioxid verantwortlich. Bei einem Einsatz von wöchentlich 40 Stunden summiert sich das in drei Monaten auf Co2-emissionen, die ein Kleinwagen bei einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern in einem Jahr verursacht. Infrarotstrahler, im Idealfall betrieben mit erneuerbarem Strom, stellen dabei nur auf den ersten Blick eine Alternative dar. Auch sie sind richtige Stromfresser, höchst ineffektiv und teuer. Es ist schlichtweg widersinnig, die Straße beheizen zu wollen.
Deshalb haben etliche Kommunen die Terrassenheizstrahler verbannt oder sind dabei. Dies jetzt wieder zurückzuschrauben – sei es nur zeitweise – wäre ein falsches Signal. Es passt einfach nicht zusammen, den Klimanotstand auszurufen, dann aber vor der kleinsten Herausforderung zu kapitulieren.
Die Heizpilze jetzt als Allheilmittel gegen die coronabedingten Umsatzeinbußen hochzujazzen, geht zudem am eigentlichen Problem vorbei. Die Frage muss doch lauten, wie der Indoor-gastronomie geholfen werden kann. Denn auch unter einem Heizpilz wird es bei zwei Grad Außentemperatur und Nieselregen nicht unbedingt gemütlich. Die Errichtung von beheizten Außenzelten ohne freie Luftzirkulation dürfte das Corona-problem auch nicht mindern. Anstatt sich für Heizpilze stark zu machen, sollte die Landesregierung lieber die Anschaffung von Luftreinigern und anderen Infektionsschutzmaßnahmen für die Innenräume fördern.
Politik und Verwaltungen propagieren seit langem, beim Beheizen von Innenräumen Energie zu sparen. Etliche Programme wurden aufgelegt, um etwa die Wärmedämmung finanziell zu fördern. Betreibt man einen Gas-terrassenheizstrahler eine Stunde lang, reicht diese Energie aus, um einen gleich großen Innenraum zehnmal so lange zu beheizen. Wo bleibt die Vorbildfunktion des öffentlichen Raums, wenn Heizpilze wieder salonfähig werden?
Auch die Gastronomie muss ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das erwarten immer mehr klimabewusste Gäste. Für die kalte Jahreszeit sollte die Devise deshalb lauten: Mit warmer Kleidung und einer kuscheligen Decke trotzen wir gemeinsam der Corona-krise.