Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Corona-alarm in Frankreich
Die Infektionen in den Ballungsräumen steigen rasant. Ursache dafür ist auch das Hin und Her der Behörden.
PARIS Kylian Mbappe ist Frankreichs populärsterfußballstar – aber als er am Montag positiv getestet wurde, durfte er nach dem Training nicht einmal mehr eine Dusche nehmen: Umgehend wurde der 21-Jährige in eine einwöchige Quarantäne abtransportiert.
In seinem Klub Paris Saint-germain (PSG) sind sieben Spieler betroffen – und in diesem Fall sogar repräsentativ für die französische Gesamtbevölkerung: Vor allem junge, urbane und gesellige Bürger werden derzeit mit dem Covid-virus angesteckt. Und zwar en masse: Nahezu 10.000 Neuinfektionen wurden in Frankreich allein am Donnerstag registriert – mehr als je während der ersten Welle im Frühjahr. Die Zahl der Neuinfektionen ist binnen einer Woche von 57 auf 72 Fälle pro 100.000 Einwohner hochgeschnellt.
Diese „beunruhigende Verschlechterung“gab Premierminister Jean Castex am Freitag bekannt. Nach einem dreistündigen „Conseil de Défense“(Rat der Landesverteidigung) kündigte er neue Maßnahmen zur Eindämmung des Virus an. 42 Departements, das entspricht fast der Hälfte des französischen Staatsgebietes, werden als „rote Zone“ausgewiesen. Dort können die Lokalbehörden drastische Entscheide fällen – von der Maskenpflicht im öffentlichen Bereich über nächtliche Ausgangssperren bis zur Schließung ganzer Schulen. Städte wie Marseille und Überseegebiete wie Guadeloupe müssen bis Montag handeln.
Um Nahestehende von Angesteckten ausfindig zu machen, bietet die Regierung von Präsident Emmanuel Macron 2000 zusätzliche Prüfer auf. Die Dauer der Quarantäne nach einem positiven Test wird auf eine Woche halbiert.
Eine Frage vermochte Premier Castex nicht zu beantworten: Warum ist Frankreich – wie Spanien und Italien – stärker betroffen als etwa Deutschland oder nordeuropäische Eu-staaten? Die nun erlassenen Maßnahmen sind ähnlich, die Akzeptanz in Frankreich ist vergleichbar, wenn nicht besser. In der Provence, an der Côte d’azur wie auch im Großraum Paris ist die Schutzmaske zum Beispiel längst auch auf der Straße obligatorisch.
Das Problem ist nicht die Strenge, sondern das Hin und Her der Behörden. In Frankreich war der Lockdown im Frühjahr so streng, dass gerade junge Südeuropäer die Sommerferien eifrig – und unvorsichtig – zur Kompensation benutzten, als die Beschränkungen fielen.
Um beim Fußball zu bleiben: Der PSG-STAR Neymar steckte sich mutmaßlich auf Ibiza an, wo er zuvor die Champions-league-niederlage gegen Bayern München gefeiert hatte. Ein Beispiel, wie das Pendel in Südeuropa nun zurückschlägt: Marseille, das der bekannte Virologe und Chloroquin-verfechter Didier Raoult im Frühling als „Ausnahme“von der Pandemie gelobt hatte, ist heute der stärkste Covid-cluster im Land.
Dass auch Städte wie Paris und neu auch Bordeaux exponentielle Neuinfektionen registrieren, ist kein Zufall: In diesen Ballungszentren lebt man sowohl auf der Straße wie auch in den kleinen Wohnungen viel näher beieinander als im Norden. Paris, wo sich auf einen Quadratkilometer 21.000 Einwohner drängen, ist die westliche Stadt mit der höchsten Wohndichte. Viele Städter sind im Sommer aufs Land oder in den Süden gezogen. Die