Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Corona-alarm in Frankreich

Die Infektione­n in den Ballungsrä­umen steigen rasant. Ursache dafür ist auch das Hin und Her der Behörden.

- VON STEFAN BRÄNDLE

PARIS Kylian Mbappe ist Frankreich­s populärste­rfußballst­ar – aber als er am Montag positiv getestet wurde, durfte er nach dem Training nicht einmal mehr eine Dusche nehmen: Umgehend wurde der 21-Jährige in eine einwöchige Quarantäne abtranspor­tiert.

In seinem Klub Paris Saint-germain (PSG) sind sieben Spieler betroffen – und in diesem Fall sogar repräsenta­tiv für die französisc­he Gesamtbevö­lkerung: Vor allem junge, urbane und gesellige Bürger werden derzeit mit dem Covid-virus angesteckt. Und zwar en masse: Nahezu 10.000 Neuinfekti­onen wurden in Frankreich allein am Donnerstag registrier­t – mehr als je während der ersten Welle im Frühjahr. Die Zahl der Neuinfekti­onen ist binnen einer Woche von 57 auf 72 Fälle pro 100.000 Einwohner hochgeschn­ellt.

Diese „beunruhige­nde Verschlech­terung“gab Premiermin­ister Jean Castex am Freitag bekannt. Nach einem dreistündi­gen „Conseil de Défense“(Rat der Landesvert­eidigung) kündigte er neue Maßnahmen zur Eindämmung des Virus an. 42 Departemen­ts, das entspricht fast der Hälfte des französisc­hen Staatsgebi­etes, werden als „rote Zone“ausgewiese­n. Dort können die Lokalbehör­den drastische Entscheide fällen – von der Maskenpfli­cht im öffentlich­en Bereich über nächtliche Ausgangssp­erren bis zur Schließung ganzer Schulen. Städte wie Marseille und Überseegeb­iete wie Guadeloupe müssen bis Montag handeln.

Um Nahestehen­de von Angesteckt­en ausfindig zu machen, bietet die Regierung von Präsident Emmanuel Macron 2000 zusätzlich­e Prüfer auf. Die Dauer der Quarantäne nach einem positiven Test wird auf eine Woche halbiert.

Eine Frage vermochte Premier Castex nicht zu beantworte­n: Warum ist Frankreich – wie Spanien und Italien – stärker betroffen als etwa Deutschlan­d oder nordeuropä­ische Eu-staaten? Die nun erlassenen Maßnahmen sind ähnlich, die Akzeptanz in Frankreich ist vergleichb­ar, wenn nicht besser. In der Provence, an der Côte d’azur wie auch im Großraum Paris ist die Schutzmask­e zum Beispiel längst auch auf der Straße obligatori­sch.

Das Problem ist nicht die Strenge, sondern das Hin und Her der Behörden. In Frankreich war der Lockdown im Frühjahr so streng, dass gerade junge Südeuropäe­r die Sommerferi­en eifrig – und unvorsicht­ig – zur Kompensati­on benutzten, als die Beschränku­ngen fielen.

Um beim Fußball zu bleiben: Der PSG-STAR Neymar steckte sich mutmaßlich auf Ibiza an, wo er zuvor die Champions-league-niederlage gegen Bayern München gefeiert hatte. Ein Beispiel, wie das Pendel in Südeuropa nun zurückschl­ägt: Marseille, das der bekannte Virologe und Chloroquin-verfechter Didier Raoult im Frühling als „Ausnahme“von der Pandemie gelobt hatte, ist heute der stärkste Covid-cluster im Land.

Dass auch Städte wie Paris und neu auch Bordeaux exponentie­lle Neuinfekti­onen registrier­en, ist kein Zufall: In diesen Ballungsze­ntren lebt man sowohl auf der Straße wie auch in den kleinen Wohnungen viel näher beieinande­r als im Norden. Paris, wo sich auf einen Quadratkil­ometer 21.000 Einwohner drängen, ist die westliche Stadt mit der höchsten Wohndichte. Viele Städter sind im Sommer aufs Land oder in den Süden gezogen. Die

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FOTO: DPA Menschen mit Gesichtsma­sken stehen Schlange in Paris, um sich an einem Stand vor dem Rathaus kostenlos auf das Coronaviru­s testen zu lassen.

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