Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Wir haben 300.000 Autos weniger gebaut“
ILKA HORSTMEIER Die Bmw-personalvorständin über den Wandel der Branche – und ihre Kindheit in Duisburg.
BERLIN Reicht die Zeit für eine Currywurst? Ilka Horstmeier betrachtet die Schlange vor dem Stand. Wahrscheinlich nicht. Die Personalvorständin von BMW ist für eine Konferenz zur Zukunft der Arbeit nach Berlin gekommen. Nun reist sie gleich nach München zurück – während am Abend im Kanzleramt der Autogipfel beginnt, in dem es um die Zukunft der von der Corona-pandemie hart getroffenen Branche geht.
Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass da mit dem Virus etwas Heftiges auf uns zukommt? HORSTMEIER Wir haben uns schon im Januar intensiv mit China beschäftigt. Da ging es zunächst natürlich um die Herausforderungen in China und Dienstreisen dorthin. Wir haben ein gutes Krisenmanagement, hatten auch Pandemiepläne. Trotzdem war der Lockdown in Deutschland natürlich neu für uns. So etwas hat es ja noch nie gegeben vorher.
Ihren Start ins neue Amt haben Sie sich anders vorgestellt, oder? HORSTMEIER Der Start im November lief sehr gut. Ich habe in den ersten 100 Tagen im Amt genau das gemacht, was ich mir vorgenommen hatte. Ich bin viel gereist, weil ich die Teams und das Hr-geschäft kennenlernen wollte, ich hatte ja vorher 20 Jahre Produktion gemacht. Nur den Besuch in China habe ich wegen Corona nicht mehr geschafft.
Und dann ging alles ganz schnell. HORSTMEIER Ja. Das Jahr hatte bemerkenswert gut angefangen – und dann mussten wir weltweit wegen Corona unsere Werke temporär schließen. Wir haben im ersten Halbjahr 300.000 Fahrzeuge weniger gebaut. Das ist ein Volumen, das in unserem größten deutschen Werk in Dingolfing pro Jahr produziert wird.
Wie reagiert man da als Vorstand? HORSTMEIER Das war für uns vermutlich die intensivste Zeit der Zusammenarbeit. Wir waren keinen einzigen Tag im Homeoffice, sondern hatten mehr Abstimmungen als jemals zuvor. Einerseits ging es darum, die aktuelle Situation zu beherrschen, andererseits mussten wir aber auch weiterhin auf die Zukunftsthemen schauen. Sich nur auf eine Sache zu fokussieren ist der größte Fehler, den man in so einer Situation machen kann.
Der Auto-industrie steht ein gewaltiger Umbruch bevor, vielerorts werden Stellen abgebaut, auch bei BMW. Verschärft Corona den Druck, Einsparungen vorzunehmen? HORSTMEIER Klar, wenn der Absatz einbricht, entsteht natürlich zusätzlicher Kostendruck. Gleichzeitig wollen wir in Zukunftstechnologien und den Ausbau der Elektromobilität investieren. Es geht daher darum, die richtigen Prioritäten zu setzen – und da werden wir auch noch einmal nachschärfen müssen. Denn wir sehen schon, dass wir auf einem niedrigeren Niveau wachsen werden als ursprünglich geplant.
Bedeutet das, mehr als die 6000 Stellen geplanten Stellen abzubauen? HORSTMEIER Das heißt zunächst mal, dass wir auf Sicht fahren. Keiner weiß, wie die Lage in zwei Jahren ist. Wir werden in den nächsten Jahren mit weniger Personal auskommen. Wir nutzen dabei die Fluktuation, bieten ein Frühverrentungsprogramm, geben jungen Mitarbeitern die Möglichkeit, nochmal zu studieren oder eine Ausbildung zu machen – mit Rückkehrgarantie.
Viele Jobs werden nicht mehr gebraucht, wenn nur noch Elektroautos gebaut werden.
HORSTMEIER Zunächst mal glaube ich nicht, dass es in Zukunft nur E-autos geben wird. Es gibt viele Regionen, wo man allein wegen fehlender Infrastruktur mit einem sparsamen Verbrennungsmotor besser dran ist. Deswegen bieten wir Kunden auch Wahlmöglichkeiten. Aber grundsätzlich gibt es natürlich Anpassungsbedarf. Wir geben viel Geld dafür aus, die Menschen mitzunehmen, auszubilden und umzuqualifizieren. Pro Jahr sind das ungefähr 370 Millionen Euro – das entspricht in etwa dem Jahresumsatz von Borussia Dortmund, wenn man die Transfereinnahmen herausrechnet
Sie sind im Ruhrgebiet aufgewachsen. Steckt davon nach 25 Jahren BMW noch etwas in Ihnen? HORSTMEIER Ich bin in Duisburg-rheinhausen aufgewachsen. Zum Zeitpunkt meines Abiturs fand da der erste große Transformationsprozess in der Stahlindustrie statt. Das hat sicherlich geprägt. Im Grunde begleiten mich Transformationen seitdem permanent – auch bei BMW.
Dort haben Sie eine ungewöhnliche Karriere hingelegt. Obwohl Sie BWL studiert haben, waren für die Motorenentwicklung zuständig. Was hat Sie an der Industrie gereizt? HORSTMEIER Mich haben die Produkte schon immer fasziniert – und die Innovationsfähigkeit.
Hatten Sie als Nicht-ingenieur das Gefühl, sich beweisen zu müssen? HORSTMEIER Wichtig ist erstmal lernfähig zu sein und interessiert. Und dann muss man sich im zweiten Schritt aber auch davon freimachen, dass andere Leute etwas können, was man selber nicht kann. Stattdessen sollte man die eigenen Stärken mit denen des Teams kombinieren. Als ich verantwortlich war für die Motorenproduktion ging es für mich nicht darum, der beste Motorenexperte zu sein, sondern meine Fähigkeiten – strategische Fähigkeiten – mit denen meiner Leute zu kombinieren.
BMW war mit dem i3 Pionier bei der E-mobilität und hat dann den Anschluss etwas verpasst. Sie waren
seit 2013 für E-antriebe zuständig. Wie haben Sie das wahrgenommen?
HORSTMEIER Wir haben nichts verpasst. Wir haben die beiden Zukunftstrends Digitalisierung und Dekarbonisierung, also aktuell E-mobilität, früh erkannt. Aber als Innovationspionier muss man sich die nächsten Schritte genau überlegen. Inzwischen gibt es 500.000 elektrifizierte Fahrzeuge von uns auf den Straßen, die Reichweite des i3 hat sich seit dem Start 2013 verdoppelt. Und bis 2023 haben wir 25 E-fahrzeuge im Angebot, bis 2021 werden wir eine Millionen E-fahrzeuge im Markt haben. Gleichzeitig haben wir immer gesagt, dass wir unsere Verbrennungsmotoren effizienter und sauberer machen – ehrlich sauberer.
Haben Autos Sie immer fasziniert?
HORSTMEIER Ich fahre tatsächlich sehr gerne Auto. Privat habe ich einen i3 in der Garage, beruflich fahre ich einen 7er Plug-in-hybrid.
Und was war Ihr erstes Auto?
HORSTMEIERDAS war ein grüner Golf I – aber ich habe immer von einem 3er Cabrio geträumt (lacht). Das hat aber noch sieben Jahre gedauert, bis ich mir den Wunsch erfüllen konnte.