Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Immer mehr Banken verlangen Negativzinsen
Jedes zehnte Institut in Deutschland lässt sich die Geldaufbewahrung bezahlen. Das ist ökonomisch nachvollziehbar, aber für den Verbraucher schwer verständlich. Doch es gibt Alternativen.
DÜSSELDORF Die Deutschen verfügen aktuell über ein Geldvermögen von mehr als sechs Billionen Euro. Rund 40 Prozent liegen einer Umfrage des privaten Bankenverbandes BDB zufolge auf Sparbüchern, ein Viertel ist als Tagesgeld angelegt. So mancher Verbraucher scheut allen Börsenhochs der Vergangenheit zum Trotz immer noch den Kauf von Aktien, lehnt auch den Erwerb von Fondsanteilen ab, will sich keine Immobilie (mehr) leisten. Man schwört auf Zinsprodukte. Sechsstellige Summen auf Konten sind gar nicht so selten. Doch dafür soll der Kunde zahlen: Immer mehr Banken und Sparkassen berechnen auch Privatsparern ein Verwahrentgelt oder einen Negativzins bei Überschreitung bestimmter Grenzen. Nach Angaben des Verbraucherportals Verivox sind es 126 Institute, laut Finanzportal Biallo sogar 165. Der Sprachgebrauch variiert nach Institut und Kontoform.
Ökonomisch ist das Verhalten der Geldhäuser nachvollziehbar, weil sie für bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegtes Geld selbst Zinsen von 0,5 Prozent bezahlen müssen. Dennoch laufen Verbraucherschützer gegen einige Institute Sturm, weil diese nicht nur von Neukunden Geld verlangen, sondern auch von Bestandskunden. Das geht aber nicht so einfach, jedenfalls nicht durch eine simple Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. „Nach unserer Rechtsauffassung ist klar, dass Banken nicht einfach Minuszinsen bei Bestandskunden veranschlagen können“, sagt Stephanie Heise, Bereichsleiterin Verbraucherfinanzen bei der Verbraucherzentrale NRW.
Binnen eines halben Jahres ist die Zahl der Institute, die Negativzinsen berechnen, um mehr als die Hälfte gestiegen. Was können Kunden tun?
Rechtliche Lage Bei Neukunden ist klar: Ein Giro- oder ein Tagesgeldkonto bekommt womöglich nur derjenige, der bereit ist, den Negativzins zu zahlen. Bei Bestandskunden suchen die Banken in der Regel das Gespräch, um sie zu einer Umschichtung von Vermögen bringen. Das muss der Kunde aber nicht akzeptieren. Nur: Dann kann ihm die Bank auch kündigen. Und: Banken können nach Experteneinschätzung für ein Girokonto nicht gleichzeitig eine Kontoführungsgebühr und ein Verwahrentgelt verlangen.
Noch nicht eindeutig geklärt ist, ob man auf traditionelle Sparbücher mit gesetzlicher Kündigungsfrist von drei Monaten Negativzinsen verhängen darf. Das Verbot lässt sich zumindest in den meisten Ländern aus den Sparkassengesetzen ableiten. Nach Meinung der Juristen der Verbraucherzentrale NRW dürfte ein Negativzins bei Sparbüchern generell unzulässig sein. „Zum einen wäre dann der Begriff des Sparbuches irreführend. Zum anderen wäre dies bei bestehenden Sparbüchern ein so wesentlicher Eingriff in das Vertragskonstrukt (Sparen gegen Zinsen), dass dies nicht einseitig durch die Sparkasse geschehen kann“, lautet die Einschätzung.
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Umverteilung Anleger könnten ihre Spareinlagen auf mehrere Institute verteilen, so unter die jeweilige Grenze fallen, bei deren Überschreiten Negativzinsen fällig werden. Diese liegt derzeit oft bei 100.000 Euro (mal pro Konto, mal pro Person, mal pro Haushalt, mal im Gesamtpaket). Aber erstens wollen viele Banken derzeit lieber keine neuen Kunden haben. Zweitens gibt es Institute, bei denen die Grenze niedriger ist. Die Volksbank-rhein-lippe ( Wesel) etwa berechnet bei Girokonten-guthaben 0,5 Prozent auf Beträge, die über dem Freibetrag von 10.000 Euro liegen, bei Tagesgeldkonten auf Summen über 50.000 Euro – immer je Konto. Wichtig: der Unterschied zwischen Freibetrag und Freigrenze. Wir nehmen das Beispiel der Volksbank: Auf einem Girokonto mit 15.000 Euro Guthaben würde der Strafzins auf 5000 Euro berechnet, weil es den Freibetrag gibt. Bei einer Freigrenze wäre bei deren Überschreitung der Zins auf die gesamte Summe, also auf 15.000 Euro, berechnet worden. Nachfragen lohnt sich also.
Tagesgeld Wer noch Tagesgeld anbietet und dafür keine Strafzinsen kassiert, bietet in der Regel kaum mehr als 0,01 Prozent an. Aber selbst eine solche Mini-verzinsung wäre besser als Negativzinsen. Ein Wechsel der Bank könnte also lohnen. Aber man muss aufpassen: Es gibt Geldhäuser, die nicht ausdrücklich Negativzinsen wollen, dem Kunden aber Gebühren fürs Tagesgeldkonto berechnen.
Schließfachmancher Sparer kommt auf die Idee, einen Teil seines Geldes im Bankschließfach aufzubewahren, um dem Strafzins zu entgehen. Aber: „Bargeld im Safe ist bei Banken und Sparkassen nur begrenzt versichert“, warnt Verbraucherschützerin Heise. Mehrere Zehntausend Euro sind als Versicherungsgrenze üblich. Doch wenn die Summe der deponierten Scheine den Wert übersteigt, würde der Sparer für den überschüssigen Teil in die Röhre schauen, wenn es einen Wasserschaden gäbe oder die Sparkasse überfallen würde. Passiert selten, ist aber nicht auszuschließen.
Alternativanlagen Natürlich ist der Kauf von Aktien mit Kursrisiken verbunden. Aber wer sein Geld ohnehin zur Altersvorsorge auf Festgeldkonten geparkt und bis zur Rente noch mehr als fünf Jahre Zeit hat, kann zwischenzeitliche Kursverluste aussitzen. Wer die Entwicklung des Dax verfolgt, kommt oft auf Renditen, die weit über fünf Prozent liegen – eine Verzinsung, von der wir heute nur träumen können. Und: Aktien bringen in vielen Fällen auch noch eine Dividende. In der Regel wiegt das alles die Kosten (beispielsweise Depotgebühren) mehr als deutlich auf. Auch Gold kann sich lohnen – aber nur als Beimischung.