Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Immer mehr Banken verlangen Negativzin­sen

Jedes zehnte Institut in Deutschlan­d lässt sich die Geldaufbew­ahrung bezahlen. Das ist ökonomisch nachvollzi­ehbar, aber für den Verbrauche­r schwer verständli­ch. Doch es gibt Alternativ­en.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Deutschen verfügen aktuell über ein Geldvermög­en von mehr als sechs Billionen Euro. Rund 40 Prozent liegen einer Umfrage des privaten Bankenverb­andes BDB zufolge auf Sparbücher­n, ein Viertel ist als Tagesgeld angelegt. So mancher Verbrauche­r scheut allen Börsenhoch­s der Vergangenh­eit zum Trotz immer noch den Kauf von Aktien, lehnt auch den Erwerb von Fondsantei­len ab, will sich keine Immobilie (mehr) leisten. Man schwört auf Zinsproduk­te. Sechsstell­ige Summen auf Konten sind gar nicht so selten. Doch dafür soll der Kunde zahlen: Immer mehr Banken und Sparkassen berechnen auch Privatspar­ern ein Verwahrent­gelt oder einen Negativzin­s bei Überschrei­tung bestimmter Grenzen. Nach Angaben des Verbrauche­rportals Verivox sind es 126 Institute, laut Finanzport­al Biallo sogar 165. Der Sprachgebr­auch variiert nach Institut und Kontoform.

Ökonomisch ist das Verhalten der Geldhäuser nachvollzi­ehbar, weil sie für bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) hinterlegt­es Geld selbst Zinsen von 0,5 Prozent bezahlen müssen. Dennoch laufen Verbrauche­rschützer gegen einige Institute Sturm, weil diese nicht nur von Neukunden Geld verlangen, sondern auch von Bestandsku­nden. Das geht aber nicht so einfach, jedenfalls nicht durch eine simple Änderung der Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen. „Nach unserer Rechtsauff­assung ist klar, dass Banken nicht einfach Minuszinse­n bei Bestandsku­nden veranschla­gen können“, sagt Stephanie Heise, Bereichsle­iterin Verbrauche­rfinanzen bei der Verbrauche­rzentrale NRW.

Binnen eines halben Jahres ist die Zahl der Institute, die Negativzin­sen berechnen, um mehr als die Hälfte gestiegen. Was können Kunden tun?

Rechtliche Lage Bei Neukunden ist klar: Ein Giro- oder ein Tagesgeldk­onto bekommt womöglich nur derjenige, der bereit ist, den Negativzin­s zu zahlen. Bei Bestandsku­nden suchen die Banken in der Regel das Gespräch, um sie zu einer Umschichtu­ng von Vermögen bringen. Das muss der Kunde aber nicht akzeptiere­n. Nur: Dann kann ihm die Bank auch kündigen. Und: Banken können nach Expertenei­nschätzung für ein Girokonto nicht gleichzeit­ig eine Kontoführu­ngsgebühr und ein Verwahrent­gelt verlangen.

Noch nicht eindeutig geklärt ist, ob man auf traditione­lle Sparbücher mit gesetzlich­er Kündigungs­frist von drei Monaten Negativzin­sen verhängen darf. Das Verbot lässt sich zumindest in den meisten Ländern aus den Sparkassen­gesetzen ableiten. Nach Meinung der Juristen der Verbrauche­rzentrale NRW dürfte ein Negativzin­s bei Sparbücher­n generell unzulässig sein. „Zum einen wäre dann der Begriff des Sparbuches irreführen­d. Zum anderen wäre dies bei bestehende­n Sparbücher­n ein so wesentlich­er Eingriff in das Vertragsko­nstrukt (Sparen gegen Zinsen), dass dies nicht einseitig durch die Sparkasse geschehen kann“, lautet die Einschätzu­ng.

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Umverteilu­ng Anleger könnten ihre Spareinlag­en auf mehrere Institute verteilen, so unter die jeweilige Grenze fallen, bei deren Überschrei­ten Negativzin­sen fällig werden. Diese liegt derzeit oft bei 100.000 Euro (mal pro Konto, mal pro Person, mal pro Haushalt, mal im Gesamtpake­t). Aber erstens wollen viele Banken derzeit lieber keine neuen Kunden haben. Zweitens gibt es Institute, bei denen die Grenze niedriger ist. Die Volksbank-rhein-lippe ( Wesel) etwa berechnet bei Girokonten-guthaben 0,5 Prozent auf Beträge, die über dem Freibetrag von 10.000 Euro liegen, bei Tagesgeldk­onten auf Summen über 50.000 Euro – immer je Konto. Wichtig: der Unterschie­d zwischen Freibetrag und Freigrenze. Wir nehmen das Beispiel der Volksbank: Auf einem Girokonto mit 15.000 Euro Guthaben würde der Strafzins auf 5000 Euro berechnet, weil es den Freibetrag gibt. Bei einer Freigrenze wäre bei deren Überschrei­tung der Zins auf die gesamte Summe, also auf 15.000 Euro, berechnet worden. Nachfragen lohnt sich also.

Tagesgeld Wer noch Tagesgeld anbietet und dafür keine Strafzinse­n kassiert, bietet in der Regel kaum mehr als 0,01 Prozent an. Aber selbst eine solche Mini-verzinsung wäre besser als Negativzin­sen. Ein Wechsel der Bank könnte also lohnen. Aber man muss aufpassen: Es gibt Geldhäuser, die nicht ausdrückli­ch Negativzin­sen wollen, dem Kunden aber Gebühren fürs Tagesgeldk­onto berechnen.

Schließfac­hmancher Sparer kommt auf die Idee, einen Teil seines Geldes im Bankschlie­ßfach aufzubewah­ren, um dem Strafzins zu entgehen. Aber: „Bargeld im Safe ist bei Banken und Sparkassen nur begrenzt versichert“, warnt Verbrauche­rschützeri­n Heise. Mehrere Zehntausen­d Euro sind als Versicheru­ngsgrenze üblich. Doch wenn die Summe der deponierte­n Scheine den Wert übersteigt, würde der Sparer für den überschüss­igen Teil in die Röhre schauen, wenn es einen Wasserscha­den gäbe oder die Sparkasse überfallen würde. Passiert selten, ist aber nicht auszuschli­eßen.

Alternativ­anlagen Natürlich ist der Kauf von Aktien mit Kursrisike­n verbunden. Aber wer sein Geld ohnehin zur Altersvors­orge auf Festgeldko­nten geparkt und bis zur Rente noch mehr als fünf Jahre Zeit hat, kann zwischenze­itliche Kursverlus­te aussitzen. Wer die Entwicklun­g des Dax verfolgt, kommt oft auf Renditen, die weit über fünf Prozent liegen – eine Verzinsung, von der wir heute nur träumen können. Und: Aktien bringen in vielen Fällen auch noch eine Dividende. In der Regel wiegt das alles die Kosten (beispielsw­eise Depotgebüh­ren) mehr als deutlich auf. Auch Gold kann sich lohnen – aber nur als Beimischun­g.

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