Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Im Dienste eines Mafiapaten
Jahrelang war Michael Cohen Rechtsberater und Mädchen für alles von Donald Trump. Jetzt erscheinen seine Memoiren.
WASHINGTONMICHAEL Cohen kannte Donald Trump so gut, dass er zum Beispiel wusste, wie es um dessen Frisur bestellt war, wenn die Haare mal nicht geföhnt waren. Seine goldgefärbten Strähnen hätten bis unter die Schultern gereicht, beschreibt er eine Szene, in der der Milliardär aus der Dusche kam. Wie ein zur Glatze neigender Allman Brother habe er ausgesehen, malt er es aus, anspielend auf eine Rockband aus dem amerikanischen Süden.
Cohen, 54, war ein Jahrzehnt lang Trumps Rechtsberater, nicht nur Anwalt, mehr Mädchen für alles. In seinen Memoiren, die dieser Tage erscheinen, bezeichnet er sich als einen eigens für die Erledigung unangenehmer Aufgaben eingestellten Gangster, während er seinen damaligen Chef mit einem Mafiapaten vergleicht. Außerdem charakterisiert er ihn als einen Meister der Inszenierung, der kühl kalkuliert und sich hinter den Kulissen ins Fäustchen lacht, etwa dann, wenn es um die Religion geht. Als evangelikale Geistliche vor der Wahl 2016 für ihn beteten und dabei ihre Hände auf ihn legten, sagte Trump hinterher zu seinem Adlatus: „Glaubst du, dass die Leute an diesen Schwachsinn glauben?”
Wegen Steuerhinterziehung und der Zahlung eines Schweigegelds an die Pornodarstellerin Stephanie Clifford zu drei Jahren Haft verurteilt, hat der Autor Teile seines Buchs hinter Gittern zu Papier gebracht. Im Zuge der Corona-pandemie wurde er in den Hausarrest entlassen, bevor er auf Drängen der Regierung zurückkehren musste ins Gefängnis und schließlich, auf einen Richterspruch hin, erneut in sein Apartment entlassen wurde. Während das Weiße Haus ihm jede Glaubwürdigkeit abspricht, versucht Cohen zu begründen, warum er Trump so lange so loyal diente. Wie ein Alkoholiker habe er sich benommen, süchtig, nur eben nach Anerkennung. Geblendet habe ihn auch die Aussicht auf den Machtzuwachs, den der Einzug seines Mandanten ins Oval Office für ihn persönlich bedeuten sollte.
Vieles von dem, was Cohen in „Disloyal: A Memoir“schildert, war in Umrissen bereits bekannt, schließlich hat der New Yorker seit seinem Zerwürfnis mit Trump schon mehrfach aus dem Nähkästchen geplaudert.
Dennoch sorgen seine Erinnerungen für Wirbel, weil sie Antworten auf Fragen bieten, die Beobachter des 45. Us-präsidenten seit geraumer Zeit beschäftigen. Was erklärt die Nähe zu Wladimir Putin, den Verzicht auf jegliche Kritik? Woher kommt der Hass auf Barack Obama?
In Putin, schreibt Cohen, sehe Trump das Muster dafür, wie sich ein Mann an der Macht zu verhalten habe. Was ihm an dem russischen Präsidenten imponiere, sei dessen Fähigkeit, die Kontrolle über ein ganzes Land zu übernehmen und es zu regieren, als wäre es sein Privatunternehmen. Darüber hinaus habe die Bewunderung einen ganz simplen Grund. Trump, der das Geld liebe, sehe in Putin, obwohl er damit wohl einem Irrtum aufsitze, den mit Abstand reichsten Mann der Welt. Als er 2008 eine Villa in Palm Beach für 95 Millionen Dollar an einen Oligarchen namens Dimitri Rybolowlew verkaufte, für mehr als das Doppelte dessen, was er selbst bezahlt hatte, glaubte er, in Wahrheit ein Geschäft mit Putin gemacht zu haben. Der sei der eigentliche Käufer, soll er seinem Adlatus zugeraunt haben.
Dass Trump so gut wie alles konterkariert, wofür Obama stand, erklärt Cohen nicht zuletzt mit weißem Überlegenheitsgefühl. „Nenn‘ mir ein einziges Land, das von einem Schwarzen gelenkt wird und das kein Drecksloch ist“, zitiert er seinen früheren Arbeitgeber. „Das sind alles verdammte Scheißhäuser.“Nach seiner Skizze spielen denn auch rassistische Ressentiments eine Rolle, wenn Trump über seinen Vorgänger herzieht. Obama, soll er im kleinen Kreis gelästert haben, habe nur wegen der „bescheuerten“Affirmative Action an Spitzenuniversitäten wie Columbia und Harvard studieren können. Gemeint ist die in den Sechzigern begründete Praxis, Afroamerikaner und Hispanics gezielt zu fördern, um ihnen nach Dekaden der Diskriminierung den Zugang zu akademischer Bildung zu erleichtern.
Lange bevor er sich fürs höchste Staatsamt bewarb, soll Trump für ein Video einen Mann mit dunkler Haut angeheuert haben, auf dass er sich vor seinen Schreibtisch setze, den Part Obamas spiele und sich herunterputzen und schließlich feuern lasse. Nach dem Willen des Unternehmers sollte der Streifen 2012 auf dem Parteitag der Republikaner gezeigt werden, was offenbar daran scheiterte, dass der damalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney nichts davon hielt.
Was seinerzeit fiktiv war, schreibt Cohen, habe Trump später um das „praktische Äquivalent in der realen Welt“ergänzt.