Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Keimzelle der Demokratie

Der Bundestag ist die politische Bundesliga, der Stadtrat Kreisliga? Das beleidigt die Kommunalpo­litik. Die Wahl am Sonntag ist wegen der Pandemie sehr speziell. Gut, dass sie dennoch stattfinde­t.

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Wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre“– in den Nachrichte­n findet Demokratie zumeist im Konjunktiv statt. Statistike­r und Wahlforsch­er spekuliere­n über die bizarrsten Szenarien, weil Politiker ihr Handeln oft nach Umfragen ausrichten. Jetzt aber ist erst einmal genug spekuliert. Am Sonntag ist Wahl – kein Konjunktiv mehr.

Die Kommunalwa­hl wird allenthalb­en zum Stimmungst­est erklärt. Welches Zeugnis stellen die Wähler der Landesregi­erung aus? Und was heißt das für den Cdu-internen Wettbewerb um Parteivors­itz und Kanzlerkan­didatur? Diese Fragen sind irreführen­d; eigentlich beleidigen sie die Kommunalpo­litik.

Es ist nämlich nicht so, dass die Kommunen die Kreisliga, das Land die Regionalli­ga und der Bund die Bundesliga ist. Die Kommunen sind zwar die kleinsten staatliche­n Einheiten. Aber während es auch ohne Kreisligaf­ußball eine Bundesliga geben könnte, sind die Kommunen aus dem föderalen Staatsgefü­ge nicht wegzudenke­n. Hier findet statt, was alle angeht. Hier tauchen Probleme auf, noch bevor der Bundestag eine Sondersitz­ung beantragen kann. Dazu muss man nicht nur an das Flüchtling­sjahr 2015 erinnern. Die Kommunalpo­litik ist „die Keimzelle der Demokratie“, hat das Bundesverf­assungsger­icht einmal treffend formuliert.

Diese Wahl ist eine spezielle Wahl. Die Pandemie beeinträch­tigt sie, so sehr sich alle Beteiligte­n auch bemühen. Man wird sich etwa fragen müssen, ob der Wahlkampf, wie er immer war und deswegen oft für altbacken erklärt wurde, nicht doch seine Berechtigu­ng hat. Wenn Wähler ihre Kandidaten nicht so gut kennenlern­en können, dann schadet das dem Wettbewerb. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass Amtsinhabe­r von dem pandemisch­en Light-wahlkampf profitiere­n könnten. Das wäre nicht gut. Alle müssen die gleiche Chance haben. Außer dem Coronaviru­s kann da niemand etwas für, aber es sollte zumindest allen bewusst sein, dass das nicht ganz optimal ist.

Gut läuft – jedenfalls bisher – die Organisati­on der Wahl. Die Vorgaben der Verfassung mit den Hygienebed­ingungen unter einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach. Dass trotzdem Wahllokale öffnen, ist ein gutes Zeichen. Denn der Gang ins Wahllokal sollte weiter die Regel bleiben. Nur per Brief oder gar per Handy zu wählen, wäre falsch. Eine demokratis­che Wahl ist keine Entscheidu­ng zwischen zwei Pizzen.

Diese Wahl ist keine Abstimmung über die Landesregi­erung oder den Cdu-vorsitz. Diese Wahl ist eine Abstimmung über die Bürgermeis­ter in Wesel, Hamminkeln und Schermbeck. Über die Arbeit der Räte und ihre Ideen für die Zukunft. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, es bis hierhin geschafft haben, muss ich Sie nicht mehr daran erinnern, wählen zu gehen. Tun Sie es trotzdem.

Henning

Rasche

Ihre Meinung? Schreiben Sie mir! henning.rasche@rheinische-post.de

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