Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Unverantwortlicher Arbeitskampf
Für den öffentlichen Dienst hat eine heikle Tarifrunde begonnen: Auf der einen Seite haben die Beschäftigten, die in der Pandemie Krankenhäuser und Gesundheitsämter am Laufen halten, mehr Anerkennung verdient als abendlichen Applaus. Dass Verdi und Beamtenbund ein Lohnplus fordern, ist ihr gutes Recht. Auf der anderen Seite brechen die Steuereinnahmen weg, und die Kommunen, zumal die hoch verschuldeten, haben keinen Spielraum für große Sprünge. Der Verteilungskampf im öffentlichen Dienst ist ein Vorbote für das, was auch in anderen Branche kommen wird. Nun sind die Verhandler gefragt, einen fairen Abschluss zu finden. Fair heißt auch, Lohnerhöhungen nicht mit der Gießkanne zu verteilen, sondern an die Strukturen zu gehen. Muss der Mitarbeiter der Stadtverwaltung das gleiche Plus erhalten wie die Krankenschwester?
Das große Ärgernis ist schon jetzt, dass die Gewerkschaften ihre Arbeitskampf-folklore veranstalten, als gebe es keine Pandemie. Erst hatten Kitas im Lockdown wochenlang geschlossen, und nun geht Verdi schon am ersten Tag des Warnstreiks gegen Kitas vor. Das ist doppelt unverantwortlich: Zum einen haben Eltern, die schon im Frühjahr improvisieren mussten, kaum noch Spielraum, um weitere Schließungen abzufedern. Zum anderen nehmen Staatsangestellte, die selbst einen sicheren Job haben, Mitbürger als Geiseln, die selbst in Kurzarbeit oder gar arbeitslos sind. Hier kann man von Verdi mehr Verantwortungsgefühl erwarten. Das gilt umso mehr, als der heutige Warnstreik erst der Anfang ist. Bis zur nächsten Verhandlungsrunde sind es noch vier lange Wochen. Statt nun den Druck stetig zu erhöhen, sollte Verdi innehalten: Die Menschen haben genug zu tun mit dem Kampf gegen Corona. Für Arbeitskampf von vorgestern ist jetzt nicht die Zeit.
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