Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Mücken, Gestank und tote Fische
Wenn der Gewässerumbau rund um den Braunkohletagebau nicht vorankommt, drohen massive Folgen für Mensch und Natur. Doch es mangelt an personellen und finanziellen Ressourcen, um das Projekt umzusetzen.
DÜSSELDORF Der Strukturwandel im Braunkohlerevier könnte ins Stocken geraten, noch bevor er richtig Fahrt aufgenommen hat. Das droht zumindest, wenn der Gewässerumbau und die Anpassung der Kläranlagen nicht rechtzeitig vorankommen und damit die Wasserver- und -entsorgung beeinträchtigt wäre. Doch angesichts des früheren Ausstiegszeitpunkts mangelt es an personellen und finanziellen Ressourcen.
„Wir stehen unter Zeitdruck, denn wenn wir den Gewässerumbau nicht rechtzeitig umsetzen, würde das zu Nutzungseinschränkungen von Gewässern führen“, sagte NRW-UMweltministerin Ursula Heinen-esser (CDU), unserer Redaktion. „So können beispielsweise Industrie- oder Wohngebiete erst dann neu ausgewiesen werden, wenn sie wassertechnisch erschlossen sind.“
Dietmar Jansen leitet seit zwei Jahren den Bereich Gewässer beim Erftverband. Er hat also genau im Blick, was das Ende des „Sümpfens“bedeutet. 15 Jahre früher als geplant endet das Einleiten des abgepumpten Wassers aus dem Tagebau Hambach in die Erft. Warum man nicht einfach der Natur den Umgang mit dem niedrigeren Wasser überlassen sollte, macht Jansen sehr plakativ deutlich: „Ohne den Rückbau der Wehre steht das Wasser länger in den Stauhaltungen, und gerade in heißen und sehr trockenen Sommern, wie wir sie die letzten drei Jahre erlebt haben, drohen Sauerstoffdefizite und ein Anstieg der Wassertemperatur.“Dies könnte zu Beeinträchtigungen für die Gewässerfauna führen. „Zum Beispiel würde dieses Milieu die Ausbreitung von Stechmücken, das Risiko von Fischsterben und Geruchsbelästigungen durch anaerobe Prozesse fördern“, sagt Jansen.
Entsprechend entschlossen zeigt sich die Ministerin: „Um die Ökosysteme an diesen Fließgewässern zu erhalten, müssen wir jetzt aktiv werden, planen und umsetzen. Dies geht allerdings nur gemeinsam mit allen Beteiligten, den Wasserverbänden und den Behörden vor Ort. Ich bin daher sehr froh, dass der Erftverband plant, den Umbau der Gewässerabschnitte auf fünf Jahre je Abschnitt zu verkürzen.“Bislang sind es bis zu zehn.
Neben den langen Verfahren gibt es ein Problem, auf das Friedrike Vietoris, Referatsleiterin im Umweltministerium, hinweist: „Weniger Wasser in der Erft bedeutet auch, dass die Kläranlagen angepasst werden müssen, denn es gibt ja weniger Wasser, das die gleichbleibende
Menge an geklärtem Wasser aufnehmen kann.“Bliebe die Möglichkeit, einfach weiter zu sümpfen, um den Wasserverbänden mehr Zeit zu verschaffen. Doch Vietoris winkt ab: „Schließlich müssen wir die Befüllung der Tagebauseen im Blick behalten. Dazu wird das Grundwasser nicht reichen. Wir werden dazu auch Wasser aus dem Rhein und aus der Rur entnehmen müssen.“
Die Kosten für die Folgen des vorzeitigen Ausstiegs aus der Braunkohle müssen Land, Wasserverbände und die Kommunen finanzieren. „Durch das zusätzliche Sümpfungswasser war ein weiterer Ausbau der Kläranlagen nicht erforderlich. Bisher waren die Kommunen also teils auch Nutznießer der Einleitung des Sümpfungswassers“, sagt Vietoris. „An der Renaturierung beteiligt sich RWE im Erftgebiet entsprechend der Vereinbarung aus 2008 mit einem Beitrag von sechs Millionen Euro.“
Die Grünen fordern, den Konzern stärker zu beteiligen: „Wir sind der Meinung, dass man RWE beim Thema Braunkohle und Wassermanagement nicht so einfach aus der Verantwortung lassen darf“, sagte Wibke Brems, energiepolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. „Die Region wird in diesem Bereich noch sehr lange die Folgen des Tagebaus spüren. Wir hätten uns zur Bewältigung der Ewigkeitslasten ein ähnliches Modell wie bei der Steinkohle mit der
RAG gewünscht, aber dazu waren die handelnden Personen nicht bereit.“
Brems warf der Landesregierung vor, sie mache es sich etwas zu einfach, wenn sie darauf verweist, dass ihr wegen des früheren Ausstiegszeitpunkts beim Wassermanagement die Zeit davonläuft. „Wir hätten gern schon viel früher über die Vorbereitungen für den Ausstieg gesprochen, da haben aber alle immer darauf verwiesen, man müsse erst die Beschlüsse der Kohlekommission abwarten. Nur ein Beispiel: RWE prüft jetzt erst Umschichtungen bei den Abraumhalden in Hambach und Garzweiler. Damit hätte man doch schon spätestens bei Einsetzung der Kommission mal anfangen können.“