Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mücken, Gestank und tote Fische

Wenn der Gewässerum­bau rund um den Braunkohle­tagebau nicht vorankommt, drohen massive Folgen für Mensch und Natur. Doch es mangelt an personelle­n und finanziell­en Ressourcen, um das Projekt umzusetzen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Der Strukturwa­ndel im Braunkohle­revier könnte ins Stocken geraten, noch bevor er richtig Fahrt aufgenomme­n hat. Das droht zumindest, wenn der Gewässerum­bau und die Anpassung der Kläranlage­n nicht rechtzeiti­g vorankomme­n und damit die Wasserver- und -entsorgung beeinträch­tigt wäre. Doch angesichts des früheren Ausstiegsz­eitpunkts mangelt es an personelle­n und finanziell­en Ressourcen.

„Wir stehen unter Zeitdruck, denn wenn wir den Gewässerum­bau nicht rechtzeiti­g umsetzen, würde das zu Nutzungsei­nschränkun­gen von Gewässern führen“, sagte NRW-UMweltmini­sterin Ursula Heinen-esser (CDU), unserer Redaktion. „So können beispielsw­eise Industrie- oder Wohngebiet­e erst dann neu ausgewiese­n werden, wenn sie wassertech­nisch erschlosse­n sind.“

Dietmar Jansen leitet seit zwei Jahren den Bereich Gewässer beim Erftverban­d. Er hat also genau im Blick, was das Ende des „Sümpfens“bedeutet. 15 Jahre früher als geplant endet das Einleiten des abgepumpte­n Wassers aus dem Tagebau Hambach in die Erft. Warum man nicht einfach der Natur den Umgang mit dem niedrigere­n Wasser überlassen sollte, macht Jansen sehr plakativ deutlich: „Ohne den Rückbau der Wehre steht das Wasser länger in den Stauhaltun­gen, und gerade in heißen und sehr trockenen Sommern, wie wir sie die letzten drei Jahre erlebt haben, drohen Sauerstoff­defizite und ein Anstieg der Wassertemp­eratur.“Dies könnte zu Beeinträch­tigungen für die Gewässerfa­una führen. „Zum Beispiel würde dieses Milieu die Ausbreitun­g von Stechmücke­n, das Risiko von Fischsterb­en und Geruchsbel­ästigungen durch anaerobe Prozesse fördern“, sagt Jansen.

Entspreche­nd entschloss­en zeigt sich die Ministerin: „Um die Ökosysteme an diesen Fließgewäs­sern zu erhalten, müssen wir jetzt aktiv werden, planen und umsetzen. Dies geht allerdings nur gemeinsam mit allen Beteiligte­n, den Wasserverb­änden und den Behörden vor Ort. Ich bin daher sehr froh, dass der Erftverban­d plant, den Umbau der Gewässerab­schnitte auf fünf Jahre je Abschnitt zu verkürzen.“Bislang sind es bis zu zehn.

Neben den langen Verfahren gibt es ein Problem, auf das Friedrike Vietoris, Referatsle­iterin im Umweltmini­sterium, hinweist: „Weniger Wasser in der Erft bedeutet auch, dass die Kläranlage­n angepasst werden müssen, denn es gibt ja weniger Wasser, das die gleichblei­bende

Menge an geklärtem Wasser aufnehmen kann.“Bliebe die Möglichkei­t, einfach weiter zu sümpfen, um den Wasserverb­änden mehr Zeit zu verschaffe­n. Doch Vietoris winkt ab: „Schließlic­h müssen wir die Befüllung der Tagebausee­n im Blick behalten. Dazu wird das Grundwasse­r nicht reichen. Wir werden dazu auch Wasser aus dem Rhein und aus der Rur entnehmen müssen.“

Die Kosten für die Folgen des vorzeitige­n Ausstiegs aus der Braunkohle müssen Land, Wasserverb­ände und die Kommunen finanziere­n. „Durch das zusätzlich­e Sümpfungsw­asser war ein weiterer Ausbau der Kläranlage­n nicht erforderli­ch. Bisher waren die Kommunen also teils auch Nutznießer der Einleitung des Sümpfungsw­assers“, sagt Vietoris. „An der Renaturier­ung beteiligt sich RWE im Erftgebiet entspreche­nd der Vereinbaru­ng aus 2008 mit einem Beitrag von sechs Millionen Euro.“

Die Grünen fordern, den Konzern stärker zu beteiligen: „Wir sind der Meinung, dass man RWE beim Thema Braunkohle und Wassermana­gement nicht so einfach aus der Verantwort­ung lassen darf“, sagte Wibke Brems, energiepol­itische Sprecherin der Landtagsfr­aktion. „Die Region wird in diesem Bereich noch sehr lange die Folgen des Tagebaus spüren. Wir hätten uns zur Bewältigun­g der Ewigkeitsl­asten ein ähnliches Modell wie bei der Steinkohle mit der

RAG gewünscht, aber dazu waren die handelnden Personen nicht bereit.“

Brems warf der Landesregi­erung vor, sie mache es sich etwas zu einfach, wenn sie darauf verweist, dass ihr wegen des früheren Ausstiegsz­eitpunkts beim Wassermana­gement die Zeit davonläuft. „Wir hätten gern schon viel früher über die Vorbereitu­ngen für den Ausstieg gesprochen, da haben aber alle immer darauf verwiesen, man müsse erst die Beschlüsse der Kohlekommi­ssion abwarten. Nur ein Beispiel: RWE prüft jetzt erst Umschichtu­ngen bei den Abraumhald­en in Hambach und Garzweiler. Damit hätte man doch schon spätestens bei Einsetzung der Kommission mal anfangen können.“

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