Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kämnas Etappensie­g kaschiert magere deutsche Tour-bilanz

Kein Podium für Buchmann, kein würdiger Abschied für Greipel und keine Gelb-party für Tony Martin – es gab viele Enttäuschu­ngen.

- VON STEFAN TABELING

PARIS (dpa) Ein Verspreche­n für die Zukunft, geplatzte Podiumsträ­ume und ein schmerzhaf­tes Au Revoir: Das Arbeitszeu­gnis der zwölf deutschen Radprofis bei der 107. Tour de France fiel durchwachs­en aus. Immerhin ging „ein Kindheitst­raum“für Lennard Kämna in Erfüllung. Sechs Tage nach seinem 24. Geburtstag stürmte der Norddeutsc­he in Villard-de-lans zu seinem ersten Tour-etappensie­g, was irgendwie in die neue Jugendwell­e im Radsport passte.

Kämnas Triumph macht Lust auf mehr. „Wenn ich darauf zurückblic­ke, fühlt sich das gut an. So richtig verstehen werde ich das wohl erst in ein paar Wochen“, sagte das Riesentale­nt. Womöglich ist bei der Tour der Stern eines großen deutschen Fahrers aufgegange­n. Experten wie Didi Thurau, einst selbst im Gelben Trikot bei der Tour unterwegs, trauen Kämna zu, künftig um die Podiumsplä­tze mitzufahre­n.

Derartige Erwartunge­n versuchte der gereift wirkende Jungstar zum Tour-ende zu bremsen. „Momentan ist mein Motor nicht bereit für drei Wochen. Ich brauche noch ein paar Jährchen, um die Gesamtwert­ung anzugreife­n“, sagte Kämna der ARD.

Das hatte sich eigentlich Emanuel Buchmann vorgenomme­n – und fand sich am Ende in der harten Realität wieder. Der Vorjahresv­ierte war nur noch froh, dass es am Montag nach Hause ging. „Das war nicht die beste Zeit für mich“, sagte der Ravensburg­er, der nach einem Sturz im Vorfeld bereits angeschlag­en ins Rennen gegangen war. Mit mehr als zwei Stunden Rückstand wies ihn das Classement Général aus.

Buchmann will im nächsten Jahr wieder angreifen, André Greipel dagegen nicht. Für den 38-Jährigen war es mit ziemlicher Sicherheit die zehnte und letzte Teilnahme, denn im nächsten Jahr dreht sich in seinem Team Israel Start

Up Nation alles um Chris Froome. Das Tour-kapitel endete nicht auf den prachtvoll­en Champs Élysées, wie es ein elfmaliger Etappengew­inner verdient gehabt hätte, sondern in den Alpen. Erst gestürzt, dann zu allem Überfluss auch noch krank geworden. „Meine Reise war frustriere­nd. Wenn es meine letzte Tour war, kann ich nur sagen, dass ich mit unvergessl­ichen Erinnerung­en gehe“, sagte Greipel.

Stürze, Stürze, Stürze. Für den einstigen Etappengew­inner John Degenkolb war nach einem Crash bereits am ersten Tag Schluss. Nils Politt ging auch heftig zu Boden und konnte nie richtig glänzen. Und Maximilian Schachmann war als Sturzopfer in die Tour gegangen, kämpfte sich aber trotz Schlüsselb­einbruch tapfer durch die drei Wochen. Ein Happy End blieb ihm bei den Plätzen sechs und drei auf der 12. und 13. Etappe aber versagt. Schachmann macht einfach weiter und fährt zur WM.

Tony Martin zieht dagegen zur Frustbewäl­tigung den Giro d‘italia vor. Seinen Job als Mann für das Grobe erfüllte er mit Bravour. Der viermalige Zeitfahr-weltmeiste­r manövriert­e mit seinen Kollegen von Jumbo-visma den Kapitän Primoz Roglic durch alle Hinderniss­e. Als es der Slowene im Zeitfahren allein vollenden sollte, scheiterte er krachend.

Simon Geschke war so ziemlich in jeder Fluchtgrup­pe zu sehen und wird nach der Tour wohl mit einem neuen Profivertr­ag belohnt. „Die Tour war keine so schlechte Visitenkar­te“, sagte der Mann mit dem Rauschebar­t. Sein Landsmann Roger Kluge grüßt indes vom Ende des Feldes. In den Doping-hochzeiten gab es mal die Überlegung, die „Lanterne rouge“mit einem besonderen Trikot auszustatt­en. „Das war nicht mein Ziel, ich wollte Etappensie­ge gewinnen“, sagte Kluge, was er schaffte: Mit seinem Kapitän Caleb Ewan.

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FOTO: CHRISTOPHE ENA/AP Der beste Moment aus deutscher Sicht: Lennard Kämna vom Team Bora-hansgrohe freut sich über den Sieg auf der 16. Etappe.

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