Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Martin Walser wunderbar böse abgewatscht
Das Landestheater Detmold lieferte im Bühnenhaus eine ordentliche Aufführung von „Alte Liebe“.
WESEL (ek) Gemeinsam älter werden – darum ging es im Städtischen Bühnenhaus. „Alte Liebe“hieß das Stück. Es basiert auf einem Roman von Elke Heidenreich und ihrem Ex Bernd Schroeder – Jan Steinbach hat es für das Landestheater Detmold inszeniert. Recht konventionell und bieder, wie es zumindest zu Heidenreich nicht so recht passt. Aber so stellt man sich, wenn man, wie Steinbach, erheblich jünger ist, vermutlich das Leben der Generation 60 plus vor. Sie sitzt in langweiligen Klamotten auf einem spießigen Sofa vor ebensolchen Blumentapeten.
Es geht um Lore (Kerstin Klinder) und Harry ( Jürgen Roth). Das Ehepaar hat nicht viel gemeinsam. Die Bibliothekarin kurz vor der Rente verbringt ihr Leben mit Büchern, organisiert Lesungen und wärmt sich an der vermeintlichen Nähe zu berühmten Autoren, der frühere Architekt gärtnert, spielt Golf und trinkt Bier. Sie meckert über sein Leben, er über ihres. Auch darüber, ob man zur Hochzeit der Tochter fährt, ist man sich nicht einig.
Man ergeht sich in bissigem Geplänkel, wie es wohl jeder kennt, der schon mal in einer längeren Beziehung gelebt hat. Der Wiedererkennungswert ist es, der immer wieder schmunzeln lässt und die Inszenierung trägt. Nicht alles, was man sagt, meint man auch so. Sprich: Man lebt mit vielen kleinen Unwahrheiten. Szenisch setzt Steinbach die dies enthüllenden inneren Monologe um, in dem er die Schauspieler jeweils vortreten lässt und anstrahlt, während er den Rest der Bühne dunkler werden lässt. Roth wirkt dabei zunächst hölzern, spielt sich aber ein.
Irgendwann kommt es dann zu den wichtigen Fragen: Bin ich glücklich? Bist du es? „Ist es schon ein
Glück an sich, wenn es einfach nur hält?“, fragt sich Lore. Und natürlich: Lieben wir uns noch? Die beiden fahren schließlich zur Hochzeit der Tochter und stellen fest, dass sie mit ihrem Kind, das einen unattraktiven und ungebildeten Mann mit viel Geld heiratet, nicht mehr viel verbindet.
Ein Gegner schweißt gewöhnlich zusammen, und so geschieht es auch hier: Lore und Harry nabeln sich von der Tochter ab, besinnen sich auf sich selbst und machen Zukunftspläne. Wobei ein gemeinsamer Tanz und eine Umarmung in der Distanz angedeutet werden – das Stück musste an die Corona-hygieneregeln angepasst werden.
So wie es auch nicht, wie geplant, auf der Studiobühne, sondern im Bühnenhaus selbst aufgeführt wurde, vor den derzeit dort erlaubten 113 Zuschauern. Das Stück endet damit, dass Harry allein zurückbleibt – nicht gebrochen, sondern dankbar, Lore gehabt zu haben. Und mit der Zuversicht, klarzukommen. Ohne die Hilfe der Tochter, die nur sein Haus verkaufen und die Mutter beerben will. Lore starb wenige Tage vor ihrer Verrentung. Sie schlief an ihrem Schreibtisch friedlich ein. „Ich hatte nie gedacht, dass mir das Alter so zusetzt“, hatte sie zu Beginn gesagt. Sie hat sich dem weiteren Altern entzogen.
Das Stück war als Komödie angekündigt, doch es ist nur so viel Komödie, wie das Leben selbst. Und wenn Lore beginnt, von ihrer Begegnung mit Martin Walser zu erzählen, der an ihr seine schlechte Laune ausließ, aber vor Publikum plötzlich erstrahlte... „Martin Walser stößt mich ab“, hatte Elke Heidenreich einmal gesagt. Und watscht ihn im Stück denn auch wunderbar böse ab.