Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
NRW überarbeitet Corona-regeln
Die Landesregierung räumt ein, dass die Schutzverordnung zu kompliziert geworden ist. Derweil steigen die Zahlen dramatisch. Die Opposition fordert Schnelltests vor Fußballstadien.
DÜSSELDORF/ISSELBURG Der Anstieg der Corona-neuinfektionen nach einer Hochzeitsfeier in Hamm beschäftigt die Landesregierung. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte zum Auftakt einer Kabinettsklausur im münsterländischen Isselburg, es habe bei der Feier keine Listen zur ordnungsgemäßen Nachverfolgung der Teilnehmer gegeben. Die Behörden würden in diesem Fall eine Null-toleranz-strategie fahren und Bußgelder verhängen.
In mehreren Städten überschreitet der sogenannte Inzidenzwert momentan die kritische Marke von 35. Betroffen sind Remscheid und Gelsenkirchen, dicht gefolgt von Köln. Der Inzidenzwert gibt an, wie viele Neuinfektionen pro 100.000 Bürger innerhalb einer Woche erfasst wurden. Steigt der Wert über 35, müssen schärfere Schutzmaßnahmen folgen.
In Hamm war der Anstieg zuletzt besonders drastisch – dort lag der Wert am Dienstag bei 87,1. Die Stadt verschärfte die Kontaktbeschränkungen und verfügte das Tragen von Masken im Schulunterricht. Grünen-fraktionsvize Mehrdad Mostofizadeh forderte, das Pflegepersonal in den betroffenen Städten zügig zu testen. „Darüberhinaus sollten die Beschäftigen in der Pflege unabhängig von der allgemeinen Inzidenz die Möglichkeit haben, sich kostenlos einem Corona-test zu unterziehen, wenn sie es möchten“, sagte er.
Bei der Kabinettstagung in Isselburg soll es vor allem um die Corona-schutzverordnung gehen. Vize-ministerpräsident Joachim
Stamp (FDP) kündigte eine „Neuformulierung“an. Für die dauerhafte Akzeptanz sei es wichtig, dass die Bürger den Inhalt verstünden und verinnerlichten. Laschet sagte, die Verordnung sei inzwischen sehr komplex. Seine Regierung wolle sie einfacher, lesbarer und verständlicher machen. „Aber das ist juristisch kompliziert und wird einige Zeit in Anspruch nehmen.“Man werde sich anschauen, was nicht mehr benötigt werde und wo präzisere Regelungen nötig seien. Ein Schwerpunkt liege dabei auf dem lokalen Corona-lockdown.
Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) sagte unterdessen, die zweite Welle sei längst da. „Wir müssen alles dafür tun, dass aus ihr nicht der zweite flächendeckende Lockdown wird.“Schon im Oktober rechne er mit Schnelltests, die binnen 15 Minuten ein Ergebnis lieferten und im Schnitt zehn Euro kosteten. „Das ermöglicht es uns, viele neue Kontakte zuzulassen“, sagte er mit Blick auf Konzerte, Hochzeiten oder Fußballspiele. Diese könnten dann auch in größerem Umfang als bisher stattfinden. Der Cdu-gesundheitspolitiker Peter Preuß warf ihm daraufhin besorgniserregende Weltfremdheit vor: „Selbst wenn vor einem Fußballspiel oder Konzert mit 30.000 Besuchern Test- und Raumkapazitäten für 100 Schnelltests gleichzeitig geschaffen werden könnten, würde der Einlass mehr als zwei Tage dauern.“
Unterdessen ergab eine Anfrage unserer Redaktion, dass die Landesregierung im September sämtliche beantragten Großevents genehmigt hat. „Bei allen Veranstaltungen wurde bislang das Einverständnis erklärt, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung in der jeweiligen Kommune keine besonders auffällige Infektionslage gegeben war“, teilte ein Sprecher mit. Dabei handele es sich um acht Shows und Feste, 26 Märkte, drei Messen, neun Sportveranstaltungen und vier sonstige Veranstaltungen. 18 davon hatten bis zu 2000 Teilnehmer, 23 Veranstaltungen zwischen 2000 und 5000 und neun mehr als 5000. Zu den Veranstaltungsorten gehören auch die nun stark betroffenen Städte Hamm und Köln. Leitartikel