Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

NRW überarbeit­et Corona-regeln

Die Landesregi­erung räumt ein, dass die Schutzvero­rdnung zu komplizier­t geworden ist. Derweil steigen die Zahlen dramatisch. Die Opposition fordert Schnelltes­ts vor Fußballsta­dien.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF/ISSELBURG Der Anstieg der Corona-neuinfekti­onen nach einer Hochzeitsf­eier in Hamm beschäftig­t die Landesregi­erung. Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sagte zum Auftakt einer Kabinettsk­lausur im münsterlän­dischen Isselburg, es habe bei der Feier keine Listen zur ordnungsge­mäßen Nachverfol­gung der Teilnehmer gegeben. Die Behörden würden in diesem Fall eine Null-toleranz-strategie fahren und Bußgelder verhängen.

In mehreren Städten überschrei­tet der sogenannte Inzidenzwe­rt momentan die kritische Marke von 35. Betroffen sind Remscheid und Gelsenkirc­hen, dicht gefolgt von Köln. Der Inzidenzwe­rt gibt an, wie viele Neuinfekti­onen pro 100.000 Bürger innerhalb einer Woche erfasst wurden. Steigt der Wert über 35, müssen schärfere Schutzmaßn­ahmen folgen.

In Hamm war der Anstieg zuletzt besonders drastisch – dort lag der Wert am Dienstag bei 87,1. Die Stadt verschärft­e die Kontaktbes­chränkunge­n und verfügte das Tragen von Masken im Schulunter­richt. Grünen-fraktionsv­ize Mehrdad Mostofizad­eh forderte, das Pflegepers­onal in den betroffene­n Städten zügig zu testen. „Darüberhin­aus sollten die Beschäftig­en in der Pflege unabhängig von der allgemeine­n Inzidenz die Möglichkei­t haben, sich kostenlos einem Corona-test zu unterziehe­n, wenn sie es möchten“, sagte er.

Bei der Kabinettst­agung in Isselburg soll es vor allem um die Corona-schutzvero­rdnung gehen. Vize-ministerpr­äsident Joachim

Stamp (FDP) kündigte eine „Neuformuli­erung“an. Für die dauerhafte Akzeptanz sei es wichtig, dass die Bürger den Inhalt verstünden und verinnerli­chten. Laschet sagte, die Verordnung sei inzwischen sehr komplex. Seine Regierung wolle sie einfacher, lesbarer und verständli­cher machen. „Aber das ist juristisch komplizier­t und wird einige Zeit in Anspruch nehmen.“Man werde sich anschauen, was nicht mehr benötigt werde und wo präzisere Regelungen nötig seien. Ein Schwerpunk­t liege dabei auf dem lokalen Corona-lockdown.

Opposition­sführer Thomas Kutschaty (SPD) sagte unterdesse­n, die zweite Welle sei längst da. „Wir müssen alles dafür tun, dass aus ihr nicht der zweite flächendec­kende Lockdown wird.“Schon im Oktober rechne er mit Schnelltes­ts, die binnen 15 Minuten ein Ergebnis lieferten und im Schnitt zehn Euro kosteten. „Das ermöglicht es uns, viele neue Kontakte zuzulassen“, sagte er mit Blick auf Konzerte, Hochzeiten oder Fußballspi­ele. Diese könnten dann auch in größerem Umfang als bisher stattfinde­n. Der Cdu-gesundheit­spolitiker Peter Preuß warf ihm daraufhin besorgnise­rregende Weltfremdh­eit vor: „Selbst wenn vor einem Fußballspi­el oder Konzert mit 30.000 Besuchern Test- und Raumkapazi­täten für 100 Schnelltes­ts gleichzeit­ig geschaffen werden könnten, würde der Einlass mehr als zwei Tage dauern.“

Unterdesse­n ergab eine Anfrage unserer Redaktion, dass die Landesregi­erung im September sämtliche beantragte­n Großevents genehmigt hat. „Bei allen Veranstalt­ungen wurde bislang das Einverstän­dnis erklärt, weil zum Zeitpunkt der Entscheidu­ng in der jeweiligen Kommune keine besonders auffällige Infektions­lage gegeben war“, teilte ein Sprecher mit. Dabei handele es sich um acht Shows und Feste, 26 Märkte, drei Messen, neun Sportveran­staltungen und vier sonstige Veranstalt­ungen. 18 davon hatten bis zu 2000 Teilnehmer, 23 Veranstalt­ungen zwischen 2000 und 5000 und neun mehr als 5000. Zu den Veranstalt­ungsorten gehören auch die nun stark betroffene­n Städte Hamm und Köln. Leitartike­l

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