Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kreative Pläne für Rosenmontag
Wegen der Corona-pandemie wird es keine Karnevalszüge und großen Feiern geben. Viele kleinere Vereine arbeiten aber schon an alternativen Konzepten – ebenso wie die Künstler, die große finanzielle Einbußen haben.
DÜSSELDORF Für mehr als 70 Auftritte war Kai Kramosta aus Köln, der als „Pfundskerl“im Karneval Büttenreden schwingt, für die kommende Session gebucht. Stattfinden wird wohl keiner davon – wegen der Corona-pandemie haben sich die Landesregierung und die großen Karnevalsverbände darauf verständigt, das jecke Treiben weitgehend abzusagen: Bälle, Sitzungen, Partys und Züge dürfen nicht stattfinden. „Das trifft mich sehr“, sagt Komiker Kramosta, der rund ein Drittel seines Jahresumsatzes mit Karnevalsauftritten erzielt. Zwar seien die Soforthilfen des Landes NRW eine gute Sache, im Kollegenkreis sei aber trotzdem große Angst zu spüren.
So wie ihm geht es vielen Künstlern, für die normalerweise ab November die emsigste Zeit des Jahres beginnt. „Die Situation ist dramatisch“, sagt Dagmar Kockerols von der Zav-künstlervermittlung Köln. Seit dem Frühjahr fänden kaum noch Veranstaltungen statt, „viele Künstler sind für einen solchen Verdienstausfall nicht abgesichert“. Sie versuchten jetzt, sich mit anderen Jobs über Wasser zu halten – oder alternative, kleinere Formate für ihre Darbietung zu finden. Das hat auch Kai Kramosta vor, der sich etwa Online-sitzungen mit kleinem Publikum im Saal und zusätzlichen Livestream-tickets vorstellen kann. Die Sorge bleibe jedoch, sagt der 36-Jährige. Der professionelle Karneval, mit dem man auch Geld verdienen könne, sei nunmal ausgesetzt – und bei der Alternative seien viele Fragen offen: „Wie sieht das aus? Und wer wird dafür gebucht?“
Auch viele Vereine machen sich Gedanken darüber, wie eine Session im kleinen Rahmen aussehen könnte. Ausgenommen von den Verboten der Landesregierung sind nämlich kleinere Veranstaltungen wie Konzerte – wenn sie der Coronaschutzverordnung entsprechen. Für Sebastian Keppler, Vorsitzender der Großen Karnevalsgesellschaft von 1878 aus Krefeld, steht fest: „Es ist wichtig, dass wir das Brauchtum aufrecht erhalten.“Finanziell könne die Absage abgefedert werden, „das schmeißt uns nicht um“. Man habe ja auch weniger Ausgaben als in normalen Jahren, während etwa Mitgliederbeiträge weiter gezahlt würden. Mit den Künstlern sei man überdies für die Session 2021/22 in
Kontakt. Für den Verein sei denkbar, einen Teil der Gage dafür bereits jetzt vorauszuzahlen – es komme eben in allen Bereichen darauf an, kreativ zu werden, sagt Keppler. „Es gibt Überlegungen für vereinsinterne Feiern, aber auch für eine Art Rosenmontagszug 2.0.“Eine Idee sei, das Publikum an den Wagen vorüberziehen zu lassen, noch stehe aber nichts fest.
Auf die Kreativität der Mitglieder setzt auch das Festkomitee Gocher Karneval, das normalerweise zu Prinzenkür und Prinzentreffen um die 1500 Gäste hat. Die Entscheidung der Landesregierung sei keine Überraschung, sagt der Vorsitzende Frank Bömler, die Planungen liefen schon seit Wochen. „Wir wollen nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern schauen, was zum
Beispiel draußen möglich ist.“Vorstellbar seien zum Beispiel Auftritte der mehr als 30 Tanzgarden der Vereine. „Die trainieren ja weiter, und die Motivation vor allem der Kinder und Jugendlichen müssen wir aufrecht erhalten“, sagt Bömler.
Michael Henkel vom Duo „Labbes on Drickes“aus Eschweiler hat die Sessionsabsage ebenfalls nicht überrascht – wohl aber, dass seitdem schon einige Anfragen für kleinere Feiern eingetrudelt sind. „Die haben wir unter Vorbehalt zugesagt“, sagt Henkel. Gleichzeitig hofft er aber auch auf alternative Veranstaltungskonzepte, zum Beispiel über die sozialen Medien. Während des Lockdowns habe man das schon einmal ausprobiert, „damals allerdings nur, um die Menschen etwas aufzumuntern“. Das Projekt „Jeck us em Wohnzimmer“lief über Facebook und Youtube, auch viele Kollegen waren dabei. Teilweise wurden die Videos mehr als 10.000 mal abgerufen. „Das ließe sich sicher auch mit finanziellem Hintergrund umsetzen“, sagt Henkel.
Für Björn Zimmer von der Künstleragentur Swist Event sind zudem auch Mottoabende im kleineren Rahmen vorstellbar. Ein Rednerabend etwa oder eine „Nostalgiesitzung als Karneval der leisen Töne“. Man könne sich auf das Wesentliche konzentrieren und trotzdem feiern, wenn auch anders als gewohnt. „Für den ursprünglichen Traditionskarneval ist das eine Chance“, sagt auch Kai Kramosta. „Wir appellieren an die Karnevalisten, die Flinte nicht ins Korn zu werfen“, ergänzt Zimmer, „der Karneval als Tradition ist wie Weihnachten – und lässt sich nicht verbieten.“