Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Mindestens tausend Polizisten mit Coronavirus infiziert
BERLIN Die Pandemie macht zunehmend den Polizeibehörden zu schaffen. Seit März sind mindestens tausend Polizistinnen und Polizisten positiv getestet worden. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion bei der Bundespolizei und den 16 Landesinnenministerien. Tatsächlich dürfte die Summe deutlich höher sein, da sich das größte Bundesland NRW entschlossen hat, die Zahl infizierter oder unter Quarantäne stehender Polizisten nicht zu veröffentlichen. Die Behörden geben als Grund an, daraus keine
Rückschlüsse auf die jeweilige Einsatzbereitschaft zuzulassen.
Die Länder Bayern und Baden-württemberg hatten dagegen keine Bedenken. Demnach liegt, wenn NRW außer Betracht bleibt, der Freistaat seit Beginn mit 274 infizierten Beamten an der Spitze aller Länderpolizeien. Baden-württemberg kommt auf 262 Fälle. Das Innenministerium in Stuttgart registrierte zehn schwere Verläufe. In Bayern erkrankte ein Sicherheitsbeamter so schwer, dass er starb. Aktuell zählt die bayerische Polizei 21 infizierte und 39 unter Quarantäne stehende Kollegen.
Die wenigsten Innenministerien verfügen über Statistiken darüber, wie viele Polizisten sich im Einsatz infiziert haben. Von der Bundespolizei gibt es Erkenntnisse, dass sich mindestens 55 Polizistinnen und Polizisten im Dienst angesteckt haben. Insgesamt infizierten sich 191 Bundespolizisten. Seit Beginn der Pandemie mussten nach Informationen unserer Redaktion knapp 5900 vorübergehend in Quarantäne, derzeit sind es noch 623. Die Zahl der von Quarantäne betroffenen Landespolizisten schwankt in Berlin zwischen hohen zweistelligen und niedrigen dreistelligen Zahlen.
„Alle genesen“meldet das Innenministerium in Niedersachsen zu der „hohen zweistelligen Zahl“der an Covid-19 erkrankten Beamten. Der Innensenat in Hamburg beklagt einen an Corona gestorbenen Polizisten; hier sind noch drei von 47 erkrankt. Die Zahlen aus den übrigen Bundesländern liegen durchweg zwischen neun wie in Sachsen-anhalt und 51 wie in Sachsen. Hessen spricht ebenfalls von einem „niedrigen zweistelligen Bereich“.
Die Ministerien sehen keinen Anlass, bei den Schutzvorkehrungen nachzulegen. Brandenburg mit elf infizierten Beamten bis Juli hat den Krisenstab zur internen Corona-lage inzwischen aufgelöst und auch die zentrale Erfassung der Infektionen eingestellt. In NRW sind nach Auskunft des Innenministeriums inzwischen 1,25 Millionen „Community-masken“an Polizistinnen und Polizisten ausgegeben worden. Diese seien waschbar und damit nachhaltiger als Einmalmasken. Außerdem gewährleisteten sie die Einheitlichkeit und Wiedererkennbarkeit der Polizei und passten mit ihrem Design zur Uniform der Nrw-polizei. Eine zweite Charge von 1,25 Millionen Masken soll im nächsten Jahr folgen.
„Das Infektionsrisiko gehört zu den Berufsrisiken von Polizisten“stellt Jörg Radek fest, der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Zu den neuen Erscheinungen gehöre es allerdings, bei ganz gewöhnlichen Kontrollen vorsätzlich angehustet zu werden. Kritisch sieht die Gewerkschaft, dass es „so gut wie keine Pandemiepläne gegeben“habe. Die Corona-krise habe zudem „Defizite in der It-struktur“bei den Polizeibehörden offengelegt. Es habe nicht ausreichend Laptops gegeben, um für eine Entspannung der Lage durch einen Wechsel ins Homeoffice beizutragen.