Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Nicht alle Synagogen gut geschützt

Bedrückend­e Zwischenbi­lanz und Zweifel ein Jahr nach dem Anschlag von Halle

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Ein Jahr nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle ist nach Einschätzu­ng von Jürgen Peter, Vizepräsid­ent des Bundeskrim­inalamts (BKA), der Schutz jüdischer Einrichtun­gen in Deutschlan­d „besser als letztes Jahr, aber flächendec­kend noch nicht gut“. Zwar haben nach einer bundesweit­en Umfrage des Mediendien­stes Integratio­n die meisten Bundesländ­er zusätzlich­e Mittel bereitgest­ellt. Doch müssen zahlreiche Gemeinden die Kosten für Sicherheit­sschleusen, schusssich­ere Fenster und verstärkte Türen sowie Wachperson­al in Teilen oder vollständi­g selbst tragen. Das ergab eine Zwischenbi­lanz der jüdischen Gemeinde in Berlin.

Am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte ein rechtsterr­oristische­r Attentäter versucht, in die voll besetzte Synagoge von Halle einzudring­en. Er war jedoch an der Eingangstü­re gescheiter­t. Er hatte daraufhin eine 40-jährige Passantin und einen 20-Jährigen in einem Döner-imbiss getötet. Der Journalist Ronen Steinke nannte das Fehlen von Polizeisch­utz in Halle ein „Versagen des Rechtsstaa­ts“. Nach seinen Recherchen war der Attentäter von Spezialgla­s an der Synagoge ausgegange­n und hatte daher Sprengkörp­er nur über eine Mauer geworfen. Hätten diese die ungeschütz­ten Scheiben durchschla­gen, hätten viele Besucher verletzt und getötet werden können.

Steinke schilderte, dass jüdische Kinder in Deutschlan­d mit dem „zynischen“Normalzust­and leben müssten, dass sie in der Schule nur lernen könnten, wenn Menschen mit Pistolen auf sie aufpassten. Auch eine Überlebend­e des Attentats, die angehende Rabbinerin Naomi Henkel-gümbel, schilderte das bedrückend­e gesellscha­ftliche Klima. Wenn als Ergebnis nun noch mehr Polizisten mit noch größeren Waffen vor den Synagogen stünden, stelle sich die Frage: „Wie sicher sind wir?“BKA-VIZE Jürgen Peter rechnete vor, dass in Deutschlan­d täglich mehr als fünf antisemiti­sche Straftaten verübt würden, und nannte dies einen „unerträgli­chen Zustand“.

Der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, beklagte unzureiche­nde personelle Konsequenz­en. Ein Polizist sei nur versetzt und nicht entlassen worden, obwohl er im Sommer ein Hakenkreuz vor der jüdischen Gemeinde in Halle nur entfernt hatte, statt den Vorfall zu melden.

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FOTO: DPA Menschen gedenken in Halle des Anschlags auf die Synagoge.

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