Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Deutsche Bank schließt jede fünfte Filiale
Dem Sparkurs des größten deutschen Geldinstituts sollen rund 100 weitere Niederlassungen zum Opfer fallen. Es werde aber keinen weiteren Stellenabbau geben, erklärt das Unternehmen.
FRANKFURT Von Ulrich Cartellieri, der in den 80er und 90er Jahren eineinhalb Jahrzehnte im Vorstand der Deutschen Bank saß, ist der Satz überliefert, das Filialnetz hänge der Bank „wie ein Mühlstein um den Hals“. Das war zu einer Zeit, in der sich noch kaum jemand Gedanken über die Erledigung von Geldgeschäften über das Internet machte. Und doch ist Cartellieris Satz aktueller denn je. Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Kunden ihre Konten online verwalten, hat Deutschlands Geldgewerbe viel zu viele Niederlassungen. Deshalb will die Deutsche Bank von rund 500 Filialen etwa 100 streichen. So schnell wie möglich. „Im kommenden Jahr wollen wir ein Filialnetz in der Größenordnung von rund 400 Standorten erreichen“, sagte ein Sprecher der Bank auf Anfrage. Überwiegend gehe es um Standorte „in städtischen Räumen, in denen wir mit mehreren Filialen vertreten sind“. Die Änderungen seien für 2021 geplant. „Wir sind dazu momentan in Planung und in Gremiengesprächen“, so der Sprecher.
Natürlich löst ein solcher Plan nicht gerade Begeisterung bei der Gewerkschaft Verdi aus. Denn in der Regel ist mit der Schließung von Filialen auch die Absicht verbunden, Jobs abzubauen Die Deutsche Bank weist indes darauf hin, dass es keine weiteren Jobverluste geben werde über den Abbau von 18.000 Arbeitsplätzen hinaus, der bereits bekannt sei. Zudem gibt es bei der Deutschen Bank einen Tarifvertrag Beschäftigungssicherung, der betriebsbedingte Kündigungen bis Mitte 2023 ausschließt. In dem ist auch eine Zumutbarkeitsgrenze eingezogen worden, die regelt, wie lange Mitarbeiter maximal pro Tag für die Fahrt vom Wohn- zum Arbeitsort und zurück aufwenden müssen.
„Grundsätzlich haben wir Verständnis dafür, dass die Deutsche
Bank ihr Filialnetz überprüft. Aber das darf keine reine Kostensenkungsmaßnahme sein. Wir erwarten ein intelligentes Beratungskonzept, in dem Online-beratung und das persönliche Gespräch in der Filiale kombiniert werden“, sagte Jan Duscheck, Banken-experte bei der Gewerkschaft Verdi, unserer Redaktion. Und er formuliert, was er vom Unternehmen erwartet: „„Im nächsten Schritt muss die Bank jetzt gegenüber den Betriebsräten darstellen, welche Standorte betroffen sein sollen. Dann beginnen erst einmal die Verhandlungen mit den Betriebsräten, hier kann sich dann noch einiges verändern.“
Dass immer weniger Kunden in die Filialen kommen und denen daher zum Teil die Daseinsberechtigung fehlt, ist kein neues Phänomen. Aber auch hier hat die Corona-pandemie die Entwicklung beschleunigt. Selbst Kunden, die vorher nicht mit Online-banking vertraut gewesen seien, erledigten nun viele Geschäfte über Laptop und Smartphone, heißt es. Und mit jedem Tag wächst ohnehin die Zahl derer, die eine Niederlassung nicht mehr brauchen, und es schrumpft die Zahl derer, die die Niederlassung als Anlaufstelle benötigen. Das sind vorwiegend ältere Menschen, die für Überweisungen mitunter Hilfe brauchen oder die mit der Bedienung von Geldautomaten und Sb-automaten nicht vertraut sind.
Diese älteren Kunden will die Deutsche Bank andererseits nicht verprellen, und darum betont sie vorsorglich, sie wolle in der Fläche präsent bleiben. Schließungskandidaten liegen demnach eher in größeren Städten, in denen das Unternehmen an mehreren Stellen Standorte hat. Zu den Filialen kommen da auch noch die Orte, an denen nur ein Geldautomat steht, an denen die Bank ein Sb-center betreibt oder an denen Finanzagenturen die Beratung der Kunden übernehmen.