Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Teure Regeln für die Vereine
ANALYSE Die Deutsche Fußball-liga gibt jede Woche ein Pandemie-level für die Bundesliga-standorte heraus. Je nachdem, wo die Klubs eingeordnet werden, müssen sie sich an kostspielige Vorgaben halten. Fortuna Düsseldorf kostet das einen sechstelligen Betra
DÜSSELDORF In der Fußball-branche ist eine neue Statistik dazugekommen. Neben der sportlichen Tabelle, blicken die Klubverantwortlichen in der Woche ihres Heimspiels mit bangem Blick auf das sogenannte Pandemie-level. Darin wird festgehalten, wie hoch die Inzidenzrate, also die Häufigkeit der Corona-neuinfektionen, in den entsprechenden Regionen ist. Unterteilt wird in drei Farben: Grün, Gelb und Rot.
Die Schwellen liegen dabei unter jenen, die für die Beurteilung der allgemeinen Infektionslage in Deutschland gängig sind: Das Pandemie-level „hoch“(rot) gilt bereits ab 35 Neuinfektionen, das Pandemie-level „mittel“(gelb) zwischen fünf und 35 Neuinfektionen, das Pandemie-level „niedrig“(grün) unterhalb von fünf Neuinfektionen – jeweils pro Woche pro 100.000 Einwohner. Aus der Klassifizierung ergeben sich unter anderem Änderungen hinsichtlich der Personal-bedarfsplanung am Spieltag bei mittlerem oder niedrigem Pandemie-level.
Für die Klubs hat das massive finanzielle Auswirkungen. Denn auch das Testungsschema orientiert sich am Pandemie-level. In der Bundesliga und 2. Bundesliga ist vorgesehen, dass bei hohem oder mittlerem Infektionsgeschehen weiterhin mindestens zwei Tests pro Woche erfolgen, bei niedrigem Pandemie-level mindestens ein Test.
Bei hohem Pandemie-level muss der letzte Test frühestens 36 Stunden vor dem Anstoß des folgenden Spiels erfolgen, bei mittlerem und niedrigem Level frühestens 52 Stunden vorher. Auf Basis der Erfahrungen aus der vergangenen Saison geht die DFL bei hohem oder mittlerem Pandemie-level von 3.600 Tests pro Woche in der Bundesliga und 2. Bundesliga aus. Für Zweitligist Fortuna mit dem Standort Düsseldorf ist es eher unwahrscheinlich, aus der gelben Gruppe zu rutschen. Demnach muss man in der Landeshauptstadt deutlich tiefer in die Tasche greifen, als zum Beispiel in Leipzig. Das hat etwas mit dem generellen Infektionsgeschehen zutun. Im Osten gibt es alleine aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte viel niedrigere
Zahlen. In Ballungsgebieten ist das anders. Und so haben Städte wie Düsseldorf, Köln, aber auch Mönchengladbach, Duisburg und Dortmund viel intensiver mit dem Virus zu kämpfen.
Fortuna rechnet nach Informationen unserer Redaktion alleine für die Testungen für eine Saison mit Kosten von mehr als 200.000 Euro. Das Geld müssen die Vereine selbst zahlen und bekommen nichts aus einem Solidaritätsfonds oder ähnlichem erstattet. In der vergangenen Saison wurden die Rechnungen zunächst aus Frankfurt beglichen, aber mit geringeren Auszahlungen der
Tv-gelder verrechnet.
Der Fußball war in die Kritik geraten, weil man ihm vorwarf, zu viele Ressourcen in den Laboren zu blockieren. Die DFL hat berechnet, dann man nur einen Anteil von weniger als 0,3 Prozent an den wöchentlichen Kapazitäten von 1.267.655 Tests, die laut Robert-koch-institut in der vergangenen Woche zur Verfügung standen, blockieren würde.
Noch nicht berücksichtigt ist bei dieser Kalkulation, dass gemäß dem aktualisierten Konzept bei mittlerem Pandemie-level – solange dies nicht den letzten Test vor einem
Spieltag betrifft – und bei niedrigem Pandemie-level eine Pool-testung möglich ist. Dabei werden im Sinne der Reduzierung von genutzten Testkapazitäten mehrere Tests gemeinsam ausgewertet und für den Fall, dass ein positives Ergebnis vorliegt, die vorgehaltenen Einzelproben anschließend ausgewertet, um eine mögliche Infektion zuordnen zu können.
Die Lage bleibt nach wie vor diffus. Und es ist fast wöchentlich möglich, dass es in der Pandemie-level-tabelle zu gravierenden Veränderungen kommt. Das hätte dann auch eine immense Bedeutung für die Zuschauer, die in die Stadien gelassen werden. In Köln verständigte man sich kurzfristig darauf, Zuschauer doch nicht wieder ins Stadion zu lassen, weil die Sieben-tage-inszidenz am Spieltag über den Wert 35 stieg. Die Karten waren da schon verkauft. In München wurde schon vor dem Spiel der Einlass von Fans untersagt. In Düsseldorf (gegen Würzburg) und in Mönchengladbach (gegen Union Berlin) dürfen nach jetzigem Stand wieder Fans dabei sein. Die Vereine verkaufen seit dieser Woche Tickets. Doch es bleibt fraglich, ob unter diesen Umständen tatsächlich auch alle von der Möglichkeit Gebrauch machen werden.
An manchen Standorten waren die Zuschauer noch zögerlich oder konnten sich nicht mit den Hygienekonzepten anfreunden. Denn die sehen unter anderem in Düsseldorf vor, dass Fans für den kompletten Aufenthalt im Stadion einen Mund-nasen-schutz tragen müssen – sie dürfen ihn nur zum essen und trinken kurzzeitig abziehen. In Bochum gab es für die Zuschauer ein Einlasskonzept, das größere Menschenströme verhindern sollte. Die Zuschauer mussten je nach Sitzplatz unterschiedlich früh anreisen. Nicht alle der 5000 freigegebenen Plätze waren auch tatsächlich besetzt.
Wirtschaftlich machen die Spiele vor kleiner Kulisse für die meisten Klubs keinen Sinn, sind zum Teil sogar Zuschussgeschäfte. Doch was man dadurch gewinnt, ist zumindest das Gefühl von so etwas wie Normalität – vielleicht manchmal sogar wichtiger als mehr Punkte in der Tabelle.