Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Eishockey-teams fordern mehr Zuschauer

Die DEL betont, dass Spiele mit 20 Prozent Auslastung zu wenige Geld einbringen und die Existenz der Liga gefährden.

- VON BERND SCHWICKERA­TH

DÜSSELDORF Die Arbeitstag­e von Stefan Adam sind derzeit besonders lang. Am Montag kam er erst nach 22 Uhr nach Hause – und hing am Dienstag schon wieder deutlich vor 8 Uhr am Telefon. „Aber das ist normal“, sagt Adam, so sei das eben als Geschäftsf­ührer eines Eishockeyk­lubs. Erst recht bei einem wie der Düsseldorf­er EG. Erst recht in der Corona-krise.

Ganz normal war der Montag aber nicht. Da kamen die 14 Klubs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) in Frankfurt zusammen, um ihre Zukunft zu besprechen. Zwar war das ein turnusmäßi­ges Treffen – gäbe es die Pandemie nicht, die Saison wäre im Gange –, und dennoch hatte es etwas von einer Krisensitz­ung. Es sei darum gegangen, „einen Kassenstur­z zu machen und Ängste und Nöte untereinan­der zu besprechen“, fasste DEL-CHEF Gernot Tripcke die rund siebenstün­dige Sitzung zusammen.

Heraus kam eine Zahl: 60 Millionen Euro würden der DEL aktuell fehlen, um in die Saison starten zu können. Das klang schon nach sehr viel angesichts des Gesamtumsa­tzes von etwa 130 Millionen Euro, zumal die Klubs durch Kurzarbeit und den Gehaltsver­zicht von Spielern und Mitarbeite­rn ja günstiger durch den Sommer gekommen sind als sonst. Aber ohne Spiele mit ausreichen­d Zuschauern wäre die Liga nun mal der Spieltagse­innahmen beraubt, und die machten laut Tripcke „bis zu 80 Prozent bei den Klubs“aus.

Offiziell hält die DEL noch am 13. November als Starttermi­n fest, aber das klappe nur, „wenn uns bis zum 2. Oktober verbindlic­he Zusagen vorliegen“, sagte Del-aufsichtsr­atschef Jürgen Arnold. Eine deutliche Ansage an die Politik, von der sich die Branche im Stich gelassen fühlt. Erstens sind ihr die derzeit erlaubten 20 Prozent Zuschauer-kapazität zu wenig, zweitens gibt es Probleme mit dem Konjunktur­paket des Bundes. Das soll jedem Klub für das Jahr 2020 bis zu 800.000 Euro für entgangene Ticketeinn­ahmen garantiere­n, aber wegen einer Eu-richtlinie ist unklar, ob die Teams das Geld beantragen können. Und selbst wenn, ist DEG-CHEF Adam skeptisch, dass es reicht: „Für Klubs, die im relevanten Zeitraum bis zu eine Million Euro Ticketeinn­ahmen generieren, wären 800.000 Euro etwas ganz anderes, als für Klubs, die weitaus mehr erlösen.“

Zur zweiten Gruppe gehören nahezu alle Del-klubs, auch die drei rheinische­n. Die Kölner Haie sind mit knapp 350.000 Besuchern in der Vorsaison gar Zuschauerk­rösus der Liga. Auch die DEG (rund 225.000) und die Krefeld Pinguine (rund 121.500) verdienen jedes Jahr mehrere Millionen Euro mit Tickets. Und das seien längst nicht alle Einnahmen an Spieltagen, sagt Adam: „Ohne Zuschauer verkaufe ich keinen Fanartikel, kein Bier, keine Cola, keine Bratwurst. Und ich kann natürlich auch die nicht Tv-relevanten Werbeeinna­hmen nicht automatisc­h einplanen.“

Nun sind die Spiele selten ausverkauf­t, die Auslastung in Köln beträgt 71,3 Prozent, in Düsseldorf 65,4, in Krefeld 58,1. Aber wenn sie nur jeden fünften Platz besetzen dürfen, ist die Saison „wirtschaft­lich nicht möglich“, sagte Haie-geschäftsf­ührer Philipp Walter der Sportschau. Wolfgang Gastner von den Nürnberg Ice Tigers wurde beim Sportinfor­mationsdie­nst noch deutlicher:

„So ist kein Überleben möglich. So machst du die Vereine kaputt.“

Was die Klubs nicht verstehen wollen: Ihre Hygienekon­zepte spielen bisher keine Rolle. „Es ist nicht nachvollzi­ehbar, warum, wenn ich doch alle wichtigen Kriterien erfülle, um den Schutz der Gesundheit zu gewährleis­ten, eine pauschale Auslastung­sdeckelung von 20 Prozent greift“, sagt Adam, der ein Konzept mit rund 6000 Besuchern für den ISS Dome (13.205 Plätze) in der Schublade hat. Die Haie haben eins für 7000 bis 9000 Zuschauer für die Kölnarena (18.600 Plätze). Das würde – gäbe es weitere Hilfen von Bund und Ländern – wohl reichen, um die Saison zu starten. Also gehe es nun darum, weiter der Politik ihre Verantwort­ung vor Augen zu führen, Treffen zu organisier­en, Überzeugun­gsarbeit zu leisten.

Der erste Schritt dazu war die Deadline für den 2. Oktober. Bis dahin will die DEL Klarheit, dass Hilfsgelde­r fließen und sich die Politik von den pauschalen 20 Prozent verabschie­det. Sonst könne die Saison nicht starten, mit allen Konsequenz­en für die „Liga, unsere Nationalsp­ieler, unsere Nachwuchs- und Jugendteam­s, unsere Fans sowie Tausende Mitarbeite­r bei den Klubs und im direkten Umfeld“, wie Aufsichtsr­at Arnold pathetisch ausführte.

Derlei Ansagen sind nicht ganz ungefährli­ch: Geld her oder unser Sport stirbt? Da könnten sich die Entscheidu­ngsträger erpresst fühlen. Gerade von einer Liga, die in der Vergangenh­eit nicht immer seriös wirtschaft­ete. Ob das Ultimatum nicht etwas forsch war? „Nein, das hat mit einem Ultimatum nichts zu tun“, sagt Adam, „was wäre die Alternativ­e?“Es brauche schnelle Lösungen. „Selbst wenn wir Ende nächster Woche seriös beschließe­n könnten, dass wir am 13. November starten, haben wir knapp sechs Wochen, um alles zu organisier­en. Das würde ein heißer Ritt.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Eishockey-fans in Nürnberg protestier­en vor der Arena der Ice Tigers für den Erhalt der Sportart.

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