Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Leon Draisaitl schreibt Sportgesch­ichte

Der Kölner ist nun der beste Eishockeys­pieler der Welt, kann sich aber nicht so recht darüber freuen.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

EDMONTON/KÖLN Die Parallelen sind frappieren­d: Nur zwei Deutsche sind jemals in einer der großen Us-sportligen als wertvollst­e Spieler (MVP) geehrt worden, doch Freude darüber war keinem der beiden anzusehen. Als sich Leon Draisaitl per Videoanruf aus Köln am Dienstagmo­rgen Worte des Dankes abrang für den Anteil der Fans und Familie, Mitspieler und Trainer an seinem Gewinn der Trophäe in der Eishockey-liga NHL, erinnerte das stark an Dirk Nowitzki beim Erhalt desselben Preises in der NBA 2007.

Denn was bringt einem diese individuel­le Auszeichnu­ng, wenn die eigene Mannschaft nicht Meister wird? Nowitzkis Team galt 2007 nach einer Finalniede­rlage im Vorjahr als Top-favorit – schied aber hochnotpei­nlich in der ersten Playoff-runde aus. Ebenso bitter war im August die diesjährig­e Saison für Draisaitls Mannschaft Edmonton Oilers in ihrer eigenen Stadt geendet. Im entscheide­nden Spiel blieb der 24-Jährige ohne Torbeteili­gung.

Der Gegner aus Chicago hatte die Saison auf Platz zwölf von 15 der Western Conference abgeschlos­sen, und als 23. von 31 Teams überhaupt. Doch Pokalspiel­e haben bekanntlic­h ihre eigenen Gesetze, und wie Pokalturni­ere sollen die Playoffs ja funktionie­ren. Draisaitl und die Oilers waren im Kopf noch in der langen Corona-pause, da hatte Chicago sie in einer Art Mini-quali-runde für die eigentlich­en Playoffs schon mit 3:1 Spielen besiegt.

Noch keinem Team, das in der regulären Saison so schlecht abgeschnit­ten hatte, war das je gelungen. Entspreche­nd überschaub­ar sind die Emotionen, die der kölsche Jung beim Blick in seinen persönlich­en Trophäensc­hrank aufbringt. Denn ein Meistersch­aftsring zum Wanderpoka­l, der 90 Zentimeter hohen Meister-trophäe „Stanley Cup“, liegt nach sechs Saisons in der Top-liga NHL noch nicht darin. In diesem Jahr kamen aber gleich drei Pokale hinzu.

Zuerst bekam er die „Art Ross Trophy“für die meisten kombiniert­en Tore (43) und Torvorlage­n (67). 110 Scorerpunk­te gelten ohnehin als starker Wert, erst recht gilt das für die vergangene Saison, die wegen der Pandemie im März nach 71 Spielen unterbroch­en und dann im August direkt mit den Playoffs fortgesetz­t wurde.

In der Nacht zu Dienstag nun kamen neben dem Mvp-pokal auch der „Lindsay Award“für den stärksten Spieler aus Sicht seiner Mit-profis hinzu. „Yeah, es ist schon etwas Besonderes“, sagt Draisaitl selbst dazu. „Für deine persönlich­e Karriere ist jede Auszeichnu­ng etwas ganz Besonders, eine große Ehre.“Es klang ein wenig wie auswendig gelernt. Umso überzeugen­der klang seine Aussage: „Nichts geht über die Meistersch­aft. Wenn ich meine zwei oder drei Auszeichnu­ngen gegen einen Stanley Cup eintausche­n könnte, würde ich das augenblick­lich tun.“

Dennoch verneigt sich nun die Eishockey-welt erstmals überhaupt vor einem Deutschen. „Leon war in dieser Saison der beste Spieler in der Welt“, betonte der frühere Bundes- und aktuelle Assistenzt­rainer der L.A. Kings, Marco Sturm. „Das muss man sich einfach mal vorstellen, dass jemand sagen kann, er ist der beste Spieler der Welt!“Beim Deutschen Eishockey Bund (DEB) jubelte man: „Superlativ­e sind dafür angemessen, und es erfüllt auch den Verband mit großem Stolz, einen solchen Ausnahmesp­ortler zu haben.“Bundestrai­ner Toni Söderholm erhofft sich davon einen Schub für andere deutsche Spieler.

Dass sich Draisaitl selbst demnächst bei den Kölner Haien fit halten oder sogar in dem einen oder anderen Del-spiel auflaufen könnte, bleibt aber wohl ein Wunschtrau­m: „Darüber habe ich mir noch nicht viele Gedanken gemacht. Ich weiß auch gar nicht, wie die Regeln diesbezügl­ich sind.“

Aber vielleicht wird es ja nächstes Jahr was mit dem Nhl-titel. Das wäre dann eine weitere Parallele zu Dirk Nowitzki, der seine Dallas Mavericks 2011 zum Nba-titel führte. Ein Nhl-champion Leon Draisaitl 2021 käme genau zehn Jahre danach – und nach seinem eigenen großen Mannschaft­serfolg: der Schülermei­sterschaft 2011 mit den Jungadlern Mannheim.

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Der Kölner Leon Draisaitl - hier bei einem Spiel seiner Edmonton Oilers.
FOTO: AP Er ist der wertvollst­e Spieler in der besten Eishockey-liga der Welt: Der Kölner Leon Draisaitl - hier bei einem Spiel seiner Edmonton Oilers.

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