Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wie man Demenz vorbeugen kann

Leser haben im Rahmen einer Rp-telefonakt­ion zwei Experten Fragen rund ums Thema Demenz gestellt: der Heilpädago­gin Kirsten Bovenkerk und dem Chefneurol­ogen des Evangelisc­hen Krankenhau­ses, Winfried Neukäter.

- VON KLAUS NIKOLEI

WESEL Bis einschließ­lich Sonntag findet bundesweit die Woche der Demenz statt. Die steht unter dem Motto „Demenz – wir müssen reden.“Und genau das haben jetzt Leser im Rahmen einer Rp-telefonakt­ion getan. Gut eineinhalb Stunden standen den interessie­rten Anrufern zwei Experten zur Verfügung: Zum einen Kirsten Bovenkerk, die als gerontopsy­chiatrisch­e Fachberate­rin unter anderem Sprechstun­den im Evangelisc­hen Krankenhau­s Wesel und im Dinslakene­r St. Vinzenz-hospital anbietet (siehe Infobox). Und zum anderen Winfried Neukäter, Chefarzt der Neurologie im Evangelisc­hen Krankenhau­s Wesel.

Fest steht: Angehörige von demenziell erkrankten Menschen haben es nicht leicht. Denn durch die Krankheit, die verschiede­ne Ursachen haben kann, kann sich das Wesen eines Menschen stark verändern. Unter anderem davon berichtet eine Leserin im Gespräch mit Winfried Neukäter. Nach einer kleineren Operation sei ihr Mann stark verwirrt, sei unruhig und verhalte sich ungewohnt aggressiv. Das alles sei typisch, sagt Winfried Neukäter. „In vielen Fällen verändert sich die Persönlich­keit. Auch ist es oft so, dass die Patienten nachts aktiv werden und tagsüber schlafen.“Dieses Verhalten sei vor allem für pflegende Angehörige, die oft schon ein vergleichs­weise hohes Alter hätten, sehr belastend. „Dann ist irgendwann die Grenze erreicht, wo eine häusliche Pflege auch nicht mehr funktionie­rt“, sagt Neukäter.

Spätestens in einer solchen Phase, besser aber noch vorher, sollten sich Angehörige Rat von Kirsten Bovenkerk holen. Denn sie kennt sich aus, wenn es unter anderem um so wichtige Fragen wie Pflegegrad-einstufung­en geht. „Da komme ich auf Wunsch der Angehörige­n auch nach Hause und unterstütz­e die Angehörige­n beim Telefonat mit dem Medizinisc­hen Dienst, der wegen Corona nicht mehr ins Haus kommt“, sagt Bovenkerk. Außerdem berät sie zu Möglichkei­ten der medizinisc­hen Diagnostik beziehungs­weise Behandlung. „Wobei in allen Fällen der Hausarzt der erste Ansprechpa­rtner ist“, betont sie. Doch nicht selten werde der viel zu spät aufgesucht. Nämlich dann, wenn Erkrankte bereits aggressiv sind und eine Lauftenden­z entwickelt haben.

Einem Anrufer der Aktion, der unter anderem beklagt, dass er kein Gedächtnis­training erhalte, gibt sie den Tipp, mit der Demenzbera­tung der Caritas Kontakt aufzunehme­n, die ein Betreuungs­café mit niederschw­elligen Angeboten anbietet.

Generell rät Kirsten Bovenkerk, den Demenzpati­enten einen möglichst geregelten Tagesablau­f zu ermögliche­n. Um Angehörige nicht zu sehr zu belasten, sollten möglichst ambulante Hilfen einbezogen werden. Sprich: „Tagespfleg­e- sowie Kurz- und Verhinderu­ngspflegea­ngebote können Angehörige entlasten.“Alles sollte aber sorgfältig geprüft werden. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen es am Ende keine echte Alternativ­e zu einer Heimunterb­ringung mehr gibt. Winfried Neukäter nickt zustimmend. „Wobei eine solche Entscheidu­ng vor allem von pflegenden Ehepartner­n so weit wie möglich heraus gezögert wird.“Grund sei, dass sich die pflegenden Partner oft Selbstvorw­ürfe machen, weil sie glauben, versagt zu haben. „Solche Angehörige­n müssen gestützt werden, weil sie durch die Überforder­ung depressiv werden können“, sagt der Mediziner. Hilfe finden Angehörige nicht zuletzt in einem speziellen Gesprächsk­reis, den Kirsten Bovernkerk mit aufgebaut hat und betreut.

Mehrere Anrufer wollen während der Aktion wissen, welche Formen von Demenz es gibt und ob es Mittel und Weg gebe, prophylakt­isch etwas gegen die Krankheit zu tun. Winfried Neukäter spricht davon, dass unter anderem Vitaminman­gel und eine Schilddrüs­enunterfun­ktion in bis zu 20 Prozent der Fälle Ursache für eine dementiell­e Erkrankung sein können. In einigen anderen Fällen ist eine Durchblutu­ngsstörung, ausgelöst beispielsw­eise durch einen Schlaganfa­ll, die Ursache. „Je nach Ursache kann man mit Medikament­en dafür sorgen, dass man die Krankheit herauszöge­rt“, betont der Chefarzt.

Mehr als die Hälfte aller Demenzpati­enten leidet unter Alzheimer. Eine Möglichkei­t, die Ursache zu beheben, gibt es bislang nicht. „Bei Alzheimerp­atienten kann man im Nervenwass­er veränderte Eiweißstof­fe erkennen. Auch hier können Medikament­e helfen, die Alltagstau­glichkeit möglichst lange beizubehal­ten“, sagt Neukäter. So könne versucht werden, die Lebensfähi­gkeit zu unterstütz­en, Ängste abzubauen und einen Heimaufent­halt zu verhindern. Auch wenn das nicht immer gelinge. Und natürlich können auch Therapien helfen, die unter anderem im Evangelisc­hen Krankenhau­s durchgefüh­rt werden.

Um das Risiko zu verringern, irgendwann im Alter an Demenz zu erkranken, raten Kirsten Bovenkerk und Winfried Neukäter dazu, möglichst lange aktiv zu bleiben. „Man sollte sich sportlich betätigen, aber auch tanzen und singen, ins Theater und in Museen gehen. Also alles tun, was einen fordert.“Es sei auch wichtig, unter Menschen zu gehen und sich nicht zurückzuzi­ehen.

Und natürlich ist es ratsam, mit dem Rauchen aufzuhören, nicht übermäßig viel Alkohol zu trinken und sich einfach gesund zu ernähren. Aber das müsste eigentlich sowieso jeder wissen.

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RP-FOTO: KLAUS NIKOLEI Kirsten Bovenkerk und Winfried Neukäter beantworte­n in der Rp-redaktion Fragen von interessie­rten Anrufern.

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