Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Corona-app enttäuscht Gesundheit­sämter

100 Tage nach Einführung des Handy-warnprogra­mms zieht die Bundesregi­erung eine positive Bilanz. Für die tägliche Arbeit der Behörden in der Region ist die App allerdings kaum relevant, wie eine Umfrage zeigt.

- VON EVA QUADBECK UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die Corona-warn-app spielt bei Gesundheit­sämtern in der Region kaum eine Rolle. In einigen Fällen behindert sie sogar die Arbeit der Behörden im Kampf gegen das Virus, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergab. Nach Einschätzu­ng des stellvertr­etenden Amtsarztes des Kreises Heinsberg wäre die aktuelle Lage nicht anders, wenn es die App nicht gäbe. „Dem Gesundheit­samt hilft die Corona-warn-app momentan nicht. Sie stellt für uns in der Bewältigun­g des derzeitige­n Infektions­geschehens keinen Vorteil dar“, sagte der Vizechef des Gesundheit­samtes Heinsberg, Ralf Ortmanns.

Trotz technische­r Pannen und einer eher bescheiden­en Zahl konkreter Warnungen zog die Bundesregi­erung 100 Tage nach Einführung der App eine positive Bilanz. Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) bezeichnet­e die Zahl von 18 Millionen App-downloads als außerorden­tlich hoch. Gesundheit­sminister Jens Spahn verwies darauf, dass damit in Deutschlan­d so viele Menschen die Warn-app auf ihre Smartphone­s geladen hätten „wie in allen anderen Eu-ländern zusammen“. Bislang wurden über die App Warnungen von 5000 Erkrankten weitergege­ben, wie Spahn mitteilte.

Bürger, die die App noch nicht haben, rief die Bundesregi­erung erneut dazu auf, sie sich herunterzu­laden. Wenn ein Inhaber der App positiv auf Covid-19 getestet wird, soll er dieses Ergebnis in die App einspeisen. Dann werden alle Menschen gewarnt, die mit ihm in Kontakt standen. Je nach Dauer und Nähe der Begegnung zeigt die App Kontakte mit niedrigem oder hohem Risiko an.

Auch Achim Berg, der Präsident des It-branchenve­rbandes Bitkom, appelliert­e an die Bevölkerun­g, die Software zu nutzen – insbesonde­re mit Blick auf die kalte Jahreszeit und steigende Infektions­zahlen. „Jeder sollte sich in der Pflicht fühlen, die Corona-warn-app zu installier­en, um sich und andere zu schützen und unser wirtschaft­liches und gesellscha­ftliches Leben wieder in normale Bahnen zu lenken“, sagte er.

Beim Gesundheit­samt der Städteregi­on Aachen führte die App eher zu Missverstä­ndnissen und einem erhöhten Recherchea­ufwand – insbesonde­re in den ersten Tagen. „Insofern war sie für unser Gesundheit­samt keine Erleichter­ung“, sagte ein Sprecher der Städteregi­on. Beim Gesundheit­samt der Stadt Dortmund heißt es, die klassische Eindämmung­s-arbeit der Behörde werde durch die App nicht erleichter­t. Auch in Bonn hat man sich von der App mehr versproche­n. „Die Erfahrunge­n des Gesundheit­samtes sind nicht so wie erhofft“, sagte ein Stadtsprec­her. So würden sich unter anderem Bürger melden, deren Status in der App auf Rot gesprungen sei. „Leider können die Personen meist keine Angaben zu einem möglichen Kontakt machen. Sicherheit­shalber wird dann ein Abstrich angeboten“, sagte er. Die Idee der App ist nach Auffassung der Stadt Bonn zwar gut, aber „die praktische Anwendung sollte nochmals überdacht werden“.

Auch der stellvertr­etende Leiter des Heinsberge­r Gesundheit­samtes sieht in der Anwendung Probleme. „Die App zeigt unterschie­dliche Meldungen an. Weil die Benutzer oft nicht wissen, wie sie sich aufgrund des Angezeigte­n nun verhalten sollen, rufen sie das Gesundheit­samt oder ihren Hausarzt an“, sagte er. Auf diese Weise bekomme das Gesundheit­samt sehr viele Anrufe, die Kapazitäte­n bänden, „obwohl kein Handlungsb­edarf besteht“, sagte Ortmanns.

In manchen Städten haben die Gesundheit­sämter kaum Berührungs­punkte mit der App. So meldete sich im gesamten Kreis Mettmann erst ein Benutzer, dessen App auf Rot gesprungen war; in Kleve noch überhaupt niemand. Auch der Kreis Viersen meldete nur vereinzelt­e Anrufer. In Dortmund riefen nur zu Beginn Bürger mit Fragen zum Umgang mit der App im Gesundheit­samt an, seitdem kaum noch.

Durchaus zufrieden zeigten sich die Gesundheit­sämter in Düsseldorf und Köln. „Die Corona-warn-app unterstütz­t die Eindämmung des Coronaviru­s“, sagte eine Sprecherin der Stadt Köln. Rund 100 Benutzer hätten sich in Köln aufgrund einer Smartphone-warnung im Gesundheit­samt gemeldet. Davon sei aber nur eine Person positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Leitartike­l

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