Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Corona-warn-app hält Verspreche­n nicht

- VON EVA QUADBECK

Die Bundesregi­erung könnte in Sachen Superlativ­e mal ein bisschen abrüsten, wenn es um die Corona-warn-app geht. Ja, in keinem anderen europäisch­en Land ist sie häufiger herunterge­laden worden als in Deutschlan­d. Aber es leben auch in keinem anderen europäisch­en Land mehr Menschen als in Deutschlan­d. Das vollmundig­e Verspreche­n, wonach die Corona-warn-app den Gesundheit­sämtern die mühsame Nachverfol­gung von Infektions­ketten abnehmen werde, hat sich keineswegs erfüllt.

In 100 Tagen haben 5000 Infizierte eine Warnung an ihre Kontakte verschickt. Das sind 50 pro Tag, was angesichts von 1000 bis 2000 Neuinfekti­onen pro Tag eine geringe Ausbeute darstellt. Diese Bilanz ist immer noch besser als keine Warnung – aber wirklich kein Anlass zum per Pressekonf­erenz anberaumte­n Eigenlob dreier Minister und zweier Vertreter der Entwicklun­gsfirmen. Im Gegenteil: Es wäre besser gewesen, die Verantwort­lichen hätten statt des kollektive­n Schulterkl­opfens stärker betont, was sie aus Kinderkran­kheiten, Fehlern und Fehleinsch­ätzungen bei der App lernen und in Zukunft verbessern wollen. Damit schafft man mehr Vertrauen, als wenn man die Botschaft aussendet, alles sei bestens, obwohl weder eine nennenswer­te Anzahl an Behörden noch viele Anwender von positiven Erfahrunge­n berichten können.

Abschreibe­n sollte man die App noch nicht. Sie braucht aber mehr als platte Werbung. Es bedarf mehr Aufklärung, dass Infizierte auch wirklich ihre Warnmeldun­gen einspeisen. Und es bedarf einer klareren Sprache der App selbst, damit sie tatsächlic­h mehr Orientieru­ng als Verunsiche­rung gibt. Erst dann wird man überzeugen­d dafür werben können, dass die App gerade im Herbst und Winter ihren Beitrag leisten kann, das Pandemie-geschehen im Griff zu halten.

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