Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Frust bei Hausärzten wächst
Hoher Aufwand, ständig neue Vorgaben und die geringe Vergütung für Corona-tests erschweren die Arbeit der niedergelassenen Mediziner. Die Verbände fordern ein klares Konzept, um die Versorgung der Patienten zu sichern.
MONHEIM Der Frust sitzt tief. Wenn Erich Richard Arens und seine Kollegin Kerstin Westerwalbesloh über die Umstände sprechen, die mit den aktuellen Corona-tests für sie verbunden sind, ist die Enttäuschung nicht zu überhören. Die beiden Monheimer Hausärzte haben sich bewusst dafür entschieden, Tests vorzunehmen, fühlen sich aber mit den damit verbundenen Problemen allein gelassen und vermissen jegliche Anerkennung. „Wir sind es, die sich bei den Abstrichen einem Ansteckungsrisiko aussetzen“, sagt Arens, „dafür werden wir mit einem Honorar von 15 bis 25 Euro abgespeist, während Labore 40 bis 50 Euro berechnen dürfen – und an einem Tag bis zu 1600 Proben untersuchen. Das ist nicht akzeptabel.“
Von den Ärzten werde maximale Flexibilität verlangt, sagt Westerwalbesloh. So würden sich etwa Abrechnungsmodi ständig ändern, zudem dürften beispielsweise Lehrer nur nachmittags getestet werden. Das müsse man so organisieren, dass sich die Patienten nicht begegnen, was aber nur schwer möglich sei. „Eine Durchmischung ist oft nicht zu verhindern“, sagt Westerwalbesloh. Zudem gebe es keinerlei Entgegenkommen, wenn Mediziner ihrerseits Hilfe bräuchten. Nach der Behandlung einer Patientin, die sich später als Corona-positiv herausstellte, ließ sich die Ärztin selbst testen und begab sich in Quarantäne. Ihr Wunsch, ihren Abstrich vorzuziehen, um schneller wieder für die Patienten da zu sein, wurde mit der Begründung abgelehnt, das Labor sei überfordert. Für die beiden Ärzte ein Unding, gerade bei im Winter womöglich steigenden Fallzahlen. Arens: „Dass zudem immer noch nicht geregelt ist, wie Ärzte und ihr Personal regelmäßig Abstriche erhalten, ist schlichtweg ein Skandal.“
Handlungsbedarf sehen auch die Fachverbände, gerade vor der anstehenden Wintersaison, in der zusätzlich die üblichen Infektionskrankheiten auftreten. Bezüglich des Testprozederes müsse deshalb einiges umorganisiert werden, sagt Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein, das laufe derzeit an der Praxis-realität vorbei. „Entsprechend hoch ist der Frustlevel bei den Ärzten“, so Baaken. Das bestätigt auch Christian Schmuck vom Deutschen Hausärzteverband. Die 15 Euro Honorar etwa für die Abstriche seien „blanker Hohn“, hinter den Tests stehe deutlich mehr Aufwand als nur der Rachenabstrich. So argumentiert auch Hausarzt Arens. Die Tests seien für ihn mit einem beträchtlichen räumlichen, zeitlichen und logistischen Aufwand verbunden. „Gerade vor diesem Hintergrund sind die Vergütungsunterschiede nicht nachvollziehbar.“
Schnell besteht zudem das Risiko, dass sich viele chronisch kranke Patienten nicht mehr in die Praxen trauen, aus Sorge vor Ansteckung. „Insgesamt muss dringend etwas passieren“, sagt Schmuck. „Wir benötigen ein klares und in den Praxen einfach umsetzbares Konzept, wie sich dauerhaft eine sichere Versorgung der Patienten und der Schutz des medizinischen Personals sicherstellen lassen.“Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) brachte jüngst sogenannte Fieberambulanzen ins
Gespräch, in denen Patienten mit Erkältungssymptomen behandelt werden sollen.
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) weiß man laut Sprecher Heiko Schmitz sehr genau um die Zumutungen, die alleine die vielen verschiedenen Testkonstellationen und -aufgaben bei der sicheren Durchführung, Abrechnung und Dokumentation für die Praxen mit sich bringen. „Deshalb setzen wir uns für praktikable Lösungen ein“, sagt Schmitz, „aber die Konstruktion unseres Gesundheitssystems und seine Sektorengrenzen
– vor allem zum öffentlichen Gesundheitsdienst – lassen sich nicht einfach aushebeln.“Dennoch werde weiterhin alles getan, um den Mitgliedern zu helfen. So stelle die KVNO bereits in 16 Corona-testzentren das ärztliche Personal. Das Testen in Zentren zu verlagern, sei aber nur bedingt möglich und nur teilweise eine Entlastung, weil dort auch Ärzte im Einsatz seien. Zudem würden sich die Menschen zunächst verständlicherweise an ihren Hausarzt wenden. „Niemand muss aber Patienten ohne Symptome testen“, sagt Schmitz.
Die Forderung nach vorrangigem Testen für medizinisches Personal wird von der Kassenärztlichen Vereinigung geteilt. „Dass die Ergebnisse zwei bis drei Tage dauern, hat nichts mit der KV zu tun, sondern mit der notwendigen Arbeit in Laboren, die ebenfalls inzwischen an Kapazitätsgrenzen stoßen“, erklärt Schmitz. Die Kosten für die Labortests würden sich durch neue, schnellere und einfachere Verfahren bald relativieren, eine angemessene Vergütung der niedergelassenen Ärzte sei notwendig – „schließlich spielen diese eine wesentliche Rolle innerhalb der Teststrategie“, so Schmitz.
Generell würden alle Ärzte mehrmals die Woche über Praxisinfos und die Webseite coronavirus.nrw über alle aktuellen Regelungen zur Vorsorge und Prävention informiert. „Wir tun weiterhin alles, was unseren Mitgliedern hilft“, sagt Schmitz, „wohlwissend, dass die Situation im Herbst/winter je nach Verlauf der Pandemie und der Grippewelle nicht einfacher wird.“Um die Situation zu entzerren, empfiehlt die KVNO ihren Mitgliedern etwa gesonderte Sprechzeiten für das Testen. Hausarzt Arens hilft das kaum weiter. Er attestiert der KVNO eine Verkennung der Realität. „Gesonderte Corona-sprechzeiten gehen natürlich auf Kosten der regulären Patientenversorgung“, sagt Arens. „Wir bestellen die Patienten zusätzlich ein und überbelegen unsere Termine.“