Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Greenpeace-gutachten macht Garzweiler-anliegern Hoffnung
NRW könne das Abbaggern über die Raumordnung noch stoppen, sagen Juristen der Umweltorganisation. Das Land sieht keinen Spielraum.
DÜSSELDORF Der Braunkohleausstieg ist beschlossene Sache, und doch graben sich die Bagger im Tagebau Garzweiler II noch auf Jahre vorwärts. Mehrere Dörfer müssen noch umgesiedelt werden. Das sieht ein noch unter Rot-grün verabschiedeter Leitentscheid des Landes vor. Doch jetzt macht ein juristisches Gutachten, das Greenpeace in Auftrag gegeben hat, all jenen Anwohnern Mut, die nicht weichen wollen.
Laut der Expertise der Hamburger Kanzlei Günther könnte die Landesregierung dem vom Bund vorgesehenen weiteren Fahrplan einen Riegel vorschieben. Das Gutachten behandelt insbesondere den Paragrafen 48 des im August in Kraft getretenen Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung, in dem der Bund die „energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit“und den vordringlichen Bedarf „zur Gewährleistung einer sicheren Energieversorgung“für Garzweiler II festgelegt hat.
Vereinfacht ausgedrückt: Der Bund legt fest, dass die Interessen der Allgemeinheit an einem Abbaggern stärker ins Gewicht fallen als die der Anlieger. Das Gutachten der Juristin Roda Verheyen setzt nun insbesondere die Landesregierung unter Druck, denn es wirft auf zehn Seiten die Frage auf, ob der Paragraf 48 tatsächlich derart abschließend Tatsachen schafft. Ihrer Auffassung nach ist das Land aufgrund der Raumordnung dazu verpflichtet, die Interessen von Bürgern, des Klimas und der Energieversorger gegeneinander abzuwägen. Und Verheyen führt weiter aus, selbst wenn man der Auffassung sei, dass ein solcher Abwägungsprozess nicht vorgesehen sei, könnte das
Land immer noch von den dort festgelegten Vorgaben abweichen. Weil es sich um eine raumordnende Maßnahme handele, sehe Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes ein Abweichen der Länder ausdrücklich vor. Als drittes Einfallstor für potenzielle Kläger verweist das Gutachten auf eine notwendige Güterabwägung bei der „Eigentumsüberlassung“– also der Enteignung.
Ein Sprecher des NRW-WIRTschaftsministeriums erklärte, der Bund habe die Erforderlichkeit des Tagebaus Garzweiler II in den Grenzen der rot-grünen Leitentscheidung von 2016 festgestellt. „Diese Feststellung ist als bundesrechtliche Vorgabe für die Landesregierung bindend. Eigene Ermessenspielräume bestehen insoweit nicht mehr. Dort, wo Entscheidungsspielräume bestünden, würde die Landesregierung sie auch nutzen – im Sinne der Menschen, die vor Ort leben und für eine zukunftsfähige Gestaltung der Region als Ausgangspunkt für einen nachhaltigen und tragfähigen Strukturwandel. „Das kann und wird die neue Leitentscheidung auch leisten. Das ist unser Anspruch in der Landesregierung“, so der Sprecher.