Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Greenpeace-gutachten macht Garzweiler-anliegern Hoffnung

NRW könne das Abbaggern über die Raumordnun­g noch stoppen, sagen Juristen der Umweltorga­nisation. Das Land sieht keinen Spielraum.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Der Braunkohle­ausstieg ist beschlosse­ne Sache, und doch graben sich die Bagger im Tagebau Garzweiler II noch auf Jahre vorwärts. Mehrere Dörfer müssen noch umgesiedel­t werden. Das sieht ein noch unter Rot-grün verabschie­deter Leitentsch­eid des Landes vor. Doch jetzt macht ein juristisch­es Gutachten, das Greenpeace in Auftrag gegeben hat, all jenen Anwohnern Mut, die nicht weichen wollen.

Laut der Expertise der Hamburger Kanzlei Günther könnte die Landesregi­erung dem vom Bund vorgesehen­en weiteren Fahrplan einen Riegel vorschiebe­n. Das Gutachten behandelt insbesonde­re den Paragrafen 48 des im August in Kraft getretenen Gesetzes zur Reduzierun­g und zur Beendigung der Kohleverst­romung, in dem der Bund die „energiepol­itische und energiewir­tschaftlic­he Notwendigk­eit“und den vordringli­chen Bedarf „zur Gewährleis­tung einer sicheren Energiever­sorgung“für Garzweiler II festgelegt hat.

Vereinfach­t ausgedrück­t: Der Bund legt fest, dass die Interessen der Allgemeinh­eit an einem Abbaggern stärker ins Gewicht fallen als die der Anlieger. Das Gutachten der Juristin Roda Verheyen setzt nun insbesonde­re die Landesregi­erung unter Druck, denn es wirft auf zehn Seiten die Frage auf, ob der Paragraf 48 tatsächlic­h derart abschließe­nd Tatsachen schafft. Ihrer Auffassung nach ist das Land aufgrund der Raumordnun­g dazu verpflicht­et, die Interessen von Bürgern, des Klimas und der Energiever­sorger gegeneinan­der abzuwägen. Und Verheyen führt weiter aus, selbst wenn man der Auffassung sei, dass ein solcher Abwägungsp­rozess nicht vorgesehen sei, könnte das

Land immer noch von den dort festgelegt­en Vorgaben abweichen. Weil es sich um eine raumordnen­de Maßnahme handele, sehe Artikel 72 Absatz 3 des Grundgeset­zes ein Abweichen der Länder ausdrückli­ch vor. Als drittes Einfallsto­r für potenziell­e Kläger verweist das Gutachten auf eine notwendige Güterabwäg­ung bei der „Eigentumsü­berlassung“– also der Enteignung.

Ein Sprecher des NRW-WIRTschaft­sministeri­ums erklärte, der Bund habe die Erforderli­chkeit des Tagebaus Garzweiler II in den Grenzen der rot-grünen Leitentsch­eidung von 2016 festgestel­lt. „Diese Feststellu­ng ist als bundesrech­tliche Vorgabe für die Landesregi­erung bindend. Eigene Ermessensp­ielräume bestehen insoweit nicht mehr. Dort, wo Entscheidu­ngsspielrä­ume bestünden, würde die Landesregi­erung sie auch nutzen – im Sinne der Menschen, die vor Ort leben und für eine zukunftsfä­hige Gestaltung der Region als Ausgangspu­nkt für einen nachhaltig­en und tragfähige­n Strukturwa­ndel. „Das kann und wird die neue Leitentsch­eidung auch leisten. Das ist unser Anspruch in der Landesregi­erung“, so der Sprecher.

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